Digitale Exzellenz
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High five: Diese fünf Faktoren zeichnen gute digitale Plattformen aus

, 28. Februar 2019

Lesezeit: 6 Minuten

High five: Diese fünf Faktoren zeichnen gute digitale Plattformen aus

Digitale Plattformen zählen aktuell zu den Top-Themen im Management. Unternehmen stehen vor der Aufgabe, sich zu dem unternehmenskritischen Trend zu positionieren, und vor der Entscheidung, ob und wie sie ins Plattformgeschäft einsteigen wollen. Insbesondere folgende fünf Faktoren sind für erfolgreiche Plattformkonzepte entscheidend.

Die Studie Digital Platform Management von Sopra Steria Consulting und dem Hamburger Informatik Technologie-Center (HiTec) systematisiert das komplexe Thema Plattformökonomie. Unter anderem wurden die Erfolgsfaktoren für den Aufbau digitaler Plattformen herausgearbeitet. Alle Punkte sollten aus den Perspektiven Kunde, Partner und Unternehmen gedacht und umgesetzt werden. Nicht zu unterschätzen ist dabei der Blick nach innen. Es ist wichtig, dass die Plattformpläne intern verstanden werden und die Idee gelebt wird. Produktverantwortliche sollen keine kalten Füße bekommen, wenn das eigene Unternehmen auf einmal auch Konkurrenzprodukte über eine Plattform verkauft.

Grafik 5 Faktoren Digitale Plattformen
Quelle: Studie „Digital Platform Management“ von Sopra Steria

Die 5 Erfolgsfaktoren im Überblick:

1. Serviceorientierung: Plattformen nutzen digitale Technologien optimal, um entweder einen komplett neuen Service anzubieten, oder sie bieten eine bestehende Dienstleistung von überragender Güte an. Airbnb verkauft mit der Privatunterkunft bei echten „Locals“, teilweise in Toplagen und mit Luxusausstattung, ein neues Serviceerlebnis, das Hotels und Hostels so nicht im Sortiment hatten – anfangs auch zu günstigeren Preisen, was mittlerweile nicht mehr zwingend der Fall ist. Mytaxi macht den bestehenden Service Taxifahren durch das supereinfache Buchen und Bezahlen sowie neuen Modellen wie das Teilen einer Fahrt mit anderen Passagieren überragend. Auffällig: Die Erlösmodelle von Plattformen sind häufig Abonnements, Provisionen oder Pay-per-use-Modelle.

2. Skalierbarkeit: Von vorne bis hinten digital: Das ist die Plattform-DNA. Manuelle Abläufe gibt es nur als Backup oder Workaround, ist aber niemals die Regel. Nur so können die Plattformen schnell wachsen. Das ist nötig: Erfolgreiche Plattformen müssen groß skaliert sein, sonst sind sie schnell irrelevant und nicht konkurrenzfähig. Deshalb schreiben Viele in den ersten Jahren hohe Verluste durch niedrige Preise, um schnell viele Nutzer zu bekommen. Sobald es umständlich wird, greift dieser Skalierungsmechanismus nicht. Spotify und Netflix sind Meister der Skalierung. Der Film oder Song wird einmal digitalisiert und kann dann mit Grenzkosten nahe 0 Euro an Millionen von Kunden verliehen werden. Auf der grünen Digitalwiese entworfene Unternehmen haben hier leichteres Spiel als Konzerne aus der guten alten Analogzeit. Versicherer Neodigital und Vergleichsplattform Check24 müssen keine Daten und Prozesse digitalisieren, sie sind von Anfang an damit gestartet.

3. Datengetriebene Organisation: Durchgehend digitalisierte Plattformen sind zudem in der Lage, Daten als Treibstoff für neues Geschäft zu nutzen – in Form individualisierter und dynamisch an externe Faktoren angepasster Angebote oder durch nutzungsabhängige Abrechnungsmodelle. Für Alibaba-Gründer Jack Ma ist der Handel von Dingen ein veraltetes Konzept. Für ihn ist die Plattform in erste Linie ein datengetriebenes Unternehmen, das vor allem in den Sparten künstliche Intelligenz, computergestützte Finanzdienste und die Auswertung großer Datenbestände wächst. Das Musterbeispiel für eine datengetriebene Organisation ist Facebook. Das Unternehmen nutzt seine weltgrößte Sammlung persönlicher Daten für ein möglichst genaues Werbe-Targeting. Genauso wie bei Google ist der Grundservice kostenlos. Die Währung sind die Daten, die die Plattform in harte Werbedollars verwandelt.

4. Agilität: Einmal eine tolle Idee haben, sie umsetzen und dann nur noch optimieren. Dieses Projektmodell funktioniert immer seltener. Digitale Plattformen, die sich länger halten wollen, loten ständig aus, wo sich neue Wertschöpfung abgreifen lässt. Und: Wenn diese Unternehmen einen neuen Service entdeckt haben, fackeln sie nicht lange. Innerhalb von wenigen Wochen steht eine Beta-Version. Über Vorschau-Systeme testen sie neue Produkte mit ausgewählten Kunden. Diese Agilität erfordert eine besondere Denkweise und Kultur. Versandhändler und Plattform in spe, Otto, beweist zudem mit agilen Datenprojekten, wie wichtig es ist, Daten nicht nur einfach zu nutzen, sondern die Datensammlungen regelmäßig auf ihre Aussagekraft zu überprüfen und die Algorithmen anzupassen.

5. Offenheit. Eine Plattform ist keine geschlossene Veranstaltung, sondern lebt von der Offenheit für andere Anbieter und Partner, im Extremfall sogar Wettbewerber. Branchengrenzen werden durchlässig. So entstehen ganze digitale Ökosysteme, mit dem Kunden im Zentrum. Betreiber dürfen ihre Prozesse und Systeme nicht zu kompliziert gestalten, sonst verlieren sie an Attraktivität für die Partner. Umgekehrt müssen die Service-Lieferanten ihre Lösungen so offen entwickeln, dass sie bei möglichst vielen Plattformen andocken können.

Paypal hat das mit Bravour geschafft. Plattformen, die auf Paypal verzichten, haben inzwischen ein Problem, weil Kunden die Bezahlmethode einfordern. Die frühere Enron-Tochter Prisma hat die Öffnung gewagt und bietet Partnern aus der gleichen Branche einen Marktplatz, den zahlreiche europäische Gaslieferanten auch nutzen – als Anteilseigner, Partner oder schlicht als Kunden. Der Traditionsversicherer Allianz öffnet sein Allianz Business System als Open-Source-Version bewusst für andere Marktteilnehmer. Ziel ist eine
Art App Store für Versicherungsdienste.

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Video mit Urs M. Krämer, vormals CEO Sopra Steria, zum Thema Digital Platform Management

Herausforderung Nummer eins: das Geschäftsmodell

Die fünf Faktoren dienen als Orientierungspunkte für Unternehmen, die gerade den Aufbau einer Plattform planen. Bei allen Punkten kommt es auf die konsequente Durchsetzung an. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Unternehmen derzeit vor allem im Bereich der Geschäftsmodellentwicklung Probleme haben. Sie wissen, nicht wie sie Geld verdienen sollen, wenn sie selbst nichts mehr produzieren oder Leistungen anbieten. Datenanalyse und Datenmanagement bereitet Vielen ebenfalls Kopfzerbrechen. Das liegt gar nicht mal an den Tools, sondern eher an der fehlenden fachlichen Kreativität, Daten in Wertschöpfung zu verwandeln. Was erstaunt: An der nötigen Offenheit werden die Plattformanstrengungen nicht scheitern. Nur 15 Prozent der Befragten Manager sehen hier Probleme. Daimler und BMW sind mit ihrer Plattform Sharenow (Car2go und DriveNow) ein aktueller Beleg dafür. ;-).

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Foto: Getty Images / damedeeso