Digitale Plattformen stellen anderen Unternehmen einen einfachen Zugang zu einer Infrastruktur bereit, ohne dass die Plattformteilnehmer diese selbst aufbauen oder vorhalten müssen. Dies reißt Markteintrittsbarrieren nieder und eröffnet den Anbietern auf der Plattform Wachstumschancen. Zur Entwicklung von erfolgreichen Plattform-Infrastrukturen, ist es wichtig, die kombinierbaren Bausteine zu kennen, aus denen sie bestehen. In diesem Blogbeitrag werfen wir einen Blick auf die Bauanleitung digitaler Plattformen.
Plattform ist fast schon zu einem Sammelbegriff für alles geworden, was sich mit Mitteln der Digitalisierung gestalten und gewinnbringend vermarkten lässt. Dabei handelt es sich aber nur selten um feste Konstrukte, sondern fast immer um komplexe aber auch dynamische Systeme, die auf vier kombinierbaren Säulen beruhen. Die Studie „Digital Platform Management“ von Sopra Steria Consulting und HITeC, dem Hamburger Informatik Technologie-Center, hat vier Plattformgrundmuster identifiziert.
1. Mobilisierende Vermittlung
Profitable Plattformen wie Ebay, Uber und Airbnb verdanken ihren Erfolg nicht zuletzt der Grundidee, Anbieter und Nutzer zu einem bestimmten Zweck zusammenzubringen. Ihr Geschäftsmodell besteht im Wesentlichen darin, Provisionen für erfolgreiche Vermittlung von Angebot und Nachfrage. Anfassbare Assets sind auf Seiten der Plattformanbieter nicht zwingend nötig. Uber unterhält keine eigene Flotte, um Menschen von A nach B zu bringen, sondern nutzt ausschließlich die Autos seiner Fahrer. Es ist ein Merkmal dieser Plattformen, physische Leistungen ihren Partnern zu überlassen. Damit wälzen die Betreiber Risiken ab, ermöglichen gleichzeitig aber externen Akteuren die aktive Teilhabe an der Gestaltung der Plattformen. Die Konzentration auf die Distribution der Leistungen und die Verlagerung der Produktion auf die Plattformteilnehmer ermöglich für den Plattformbetreiber hohe Skalierungsmöglichkeiten und geringe Grenzkosten – immer zu den Spielregeln der Plattformbetreiber.
2. Kombinierbare Bausteine
Erfolgreiche Plattformen sind offen genug, Unternehmen die Möglichkeit für den Aufbau eigener Komponenten zu bieten. So können sie eigene Dienstleistungen dort anbieten und eigene Geschäftsmodelle aufbauen – man denke nur an die vielen Ebay-Shops, die sich im Laufe der Jahre auf der ursprünglich als Versteigerungsplattform gestarteten Seite etabliert haben. Dieses Modell verfolgen aber auch die großen Cloud-Anbieter wie Microsoft Azure, Amazon AWS oder die Google Cloud. „Platform-as-a-Service“ ist ein Business, das einzelne Dienste sowie wiederverwendbare Kernkomponenten leicht zugänglich und skalierbar anbietet und so den Kunden die Möglichkeit gibt, eigene Geschäftsmodelle zu realisieren.
Dieses Modell ist übrigens nicht nur etwas für die Big Player der IT-Branche; die SDA SE Open Industry Solutions, eine vom Versicherer Signal Iduna und einem IT-Dienstleister gegründete Plattform, bietet ebenfalls für andere Versicherungsunternehmen eine Plattform an. Ein ähnliches Modell verfolgt die Allianz, die ihr Allianz Business System als Open-Source-Plattform zur Verfügung stellen wird.
3. Erweiterbare Dinge
Plattformen sind immer häufiger auch die Basis für Erweiterungen traditioneller Produkte. Beispielhaft macht gerade die Automobilindustrie vor, wie Plattformen das Fahrerlebnis verändern – durch Kommunikations- und Navigationsdienste im Auto, durch vernetztes Fahren oder mit prädiktiven Wartungsangeboten an die Fahrer. Wie sehr diese Erweiterungen ein Produkt verändern können, zeigt verblüffenderweise das Smartphone, das einst als Telefon gestartet ist, diesen Fokus aber längst zugunsten anderer Kommunikationsformen aufgegeben hat.
Damit eine Plattform diese Transformation erleben kann, braucht sie eine kritische Masse bei der Verbreitung, denn sonst wird es an Anbietern und Kooperationspartnern mangeln, die zur Veränderung der Plattform beitragen – und an Menschen, die diese Angebote nutzen. Ist dagegen eine kritische Masse erreicht, auch das zeigen die Smartphones, wird die Verwandlung quasi zum Selbstläufer.
4. Erweiterbare Konversation
Eine kritische Masse, und zwar an Nutzern und Anbietern von Skills, ist auch für Konversations-Plattformen wie WhatsApp und Alexa wichtig. Hiermit sind vorrangig Nachrichten- und Messengerdienste sowie natürlichsprachliche Assistenten gemeint, die den Dialog zwischen Personen untereinander sowie zwischen Personen und Maschinen fördern. Die Plattformen lassen sich allerdings zunehmend durch Geschäftsprozesse wie E-Commerce und Bezahlvorgänge erweitern.
Auf der chinesischen Plattform WeChat können Nutzer beispielsweise nicht nur chatten, telefonieren oder den Standort teilen. Sie können darüber hinaus über WeChat Pay Transaktionen tätigen. Dafür wird nur ein QR-Code benötigt. Auch viele medizinische Institutionen haben WeChat-Konten und erlauben es, über die Plattform Termine zu vereinbaren. Aus gutem Grund wird der Messenger auch als „App für alles“ bezeichnet. So hat sich die WeChat ein treues und vor allem großes Netzwerk aufgebaut und kann weltweit bereits über eine Milliarde Nutzer verzeichnen.
Andere Konversations-Dienste ziehen nach und wollen ihr Angebot ebenfalls vergrößern. WhatsApp testet in Indien seit geraumer Zeit die Bezahlfunktion „WhatsApp Payments“ in seiner App. So können über den Messenger auch Transaktionen durchgeführt werden. Überweisungen können auch hier über einen QR-Code getätigt werden. Google plant ebenfalls das Bezahlen per Google Pay über Alexa Skill zu ermöglichen. Auch Facebook stellt über den Messenger das Empfangen und Verschicken von Geld bereit.
Quelle: Studie „Digital Platform Management“ von Sopra Steria Consulting.
Die vier Grundmuster der Studie zeigen die verschiedenen Ausprägungen von digitalen Plattformen. In der Praxis steht selten ein Muster für sich – häufig werden sie miteinander kombiniert. Dementsprechend können Unternehmen auch mehrere Grundmuster für eine Plattform nutzen. Gleichermaßen kann es auch vorkommen, dass sich Unternehmen auf bestimmte Grundideen fokussieren und für andere Grundmuster mit Partner zusammenarbeiten. Wichtig ist im Ergebnis, dass jedes Unternehmen seinen Ansatz für ein individuelles Plattformmodell findet.
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Foto: Getty Images / Busakorn Pongparnit