Unternehmen und Behörden sind auf neue Ideen zur Abwehr von Cybergefahren angewiesen. Manager, Unternehmer und CISOs auf der Suche nach Security-Trends und Dialog mit Sectechs werden auch in Deutschland fündig: in der Wissenschaftsstadt Darmstadt. So zentral die Bedeutung des Themas Sicherheit, so zentral ist auch die Lage des Digital Hub Cybersecurity – Großflughafennähe inklusive. Hier kommt Teil 9 unserer Reise durch die Digital-Digitalrepublik.
Es war der wohl aufsehenerregendste Cyberangriff der vergangenen Jahre. Die Schadsoftware Emotet attackierte die IT-Infrastruktur von Unternehmen und Behörden. Unter anderem war das Berliner Kammergericht betroffen – mit weitreichenden Folgen. Ein „kompletter Neuaufbau der IT-Infrastruktur“ wurde später im forensischen Bericht angeraten.
Die Zahl der Angriffe und Angriffsversuche im digitalen Raum steigt seit Jahren. Auch ihre Qualität nimmt zu. So geht es aus dem aktuellen Lagebericht vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hervor. Es ist ein technologisches Wettrüsten – Hacker und organisierte Kriminalität auf der einen, Forscher und Entwickler auf der anderen Seite. Eine der Frontlinien in diesem Kampf um Daten und Sicherheit verläuft in Darmstadt.
Ein IT-Standort mit langer Geschichte
Seit Jahrzehnten wächst dort ein Ökosystem der IT- und Sicherheitsforschung heran. Das jüngste Kapitel: die Gründung des Digital Hub Cybersecurity. „Deutschland gehört zu den forschungsstärksten Standorten für Cybersicherheit, hinkt bei den Start-ups aber deutlich hinterher“, erklärte Michael Waidner 2017. Damals hatte Darmstadt von der nationalen Digital Hub Initiative den Zuschlag erhalten. Waidner ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie sowie von Athene – dem nationalen Forschungszentrum für angewandte Cybersicherheit. Es gilt als das größte Forschungszentrum für IT-Sicherheit in Europa.
In den 60er Jahren wurde in Darmstadt das Deutsche Rechenzentrum gegründet. Später entstand daraus das Institut für Datenfernverarbeitung, schließlich das Fraunhofer Institut für Sichere Informationstechnologie SIT.
Matchmaking in der Sectech-Szene
Gemeinsam mit der IHK Darmstadt, der Technischen Universität sowie der Stadt wurde das Institut zum Träger des neuen Cybersecurity-Hubs im selbsternannten Security Valley. Die Aufgabe des Hubs: Er soll die verschiedenen Akteure besser miteinander vernetzen. Matchmaking ist also angesagt. „Der Digital Hub Cybersecurity bringt Start-ups, Investoren, Ankerkunden und Mentoren zusammen und hat sich so zur größten Innovationscommunity in diesem Bereich entwickelt“, sagt Ute Richter, Managing Director des Hubs. Dafür veranstaltet er unter anderem die regelmäßig stattfindenden Hub Nights oder auch den UP@it-sa Award, der gemeinsam mit der NürnbergMesse und dem bayerischen IT-Sicherheitscluster ins Leben gerufen wurde.
Die Start-ups, die sich im Umfeld des Digital Hub Cybersecurity bewegen, zeigen mit neuen Technologien und Strategien, was schon in naher Zukunft im Bereich der Daten- und Informationssicherheit zum Standard werden könnte. Authada bietet beispielsweise Lösungen zum sicheren Identifizieren an. Quanticor Security wiederum ist einer der nach eigenen Angaben weltweit führenden Entwickler und Hersteller von Quantencomputer-resistenten Sicherheitslösungen für das Internet der Dinge.
Für den UP@it-sa Award nominiert, auf den Konferenzen in Darmstadt und in der dortigen Cybersecurity zu Gast war in der Vergangenheit auch das eigentlich in Hamburg ansässige Unternehmen Tenzir. Es erlaubt die nahtlose Integration von Big-Data-Technologien in existierende Cyber-Abwehr-Systemen – und liefert zugleich den Beweis, dass Darmstadt weit über die eigenen Stadtgrenzen hinaus wirkt. IT-Seal schließlich hat sich einem der wichtigsten Faktoren beim Thema Sicherheit verschrieben: dem Menschen. Jüngst wurde es über das Förderprogramm StartupSecure vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 700.000 Euro unterstützt. IT-Seal bietet Awareness-Programme an und klärt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Behörden und Unternehmen fortlaufend über IT-Sicherheitsrisiken auf.
Co-Working-Space und Innovationsfonds
„Darmstadts Stärke liegt in der Kombination aus Gründungsinteressierten, Start-ups, der hohen Nachfrage starker Branchen aus der Metropolregion Rhein-Main sowie exzellenter Wissenschaft“, sagte Prof. Dr. Mira Mezini von der Technischen Universität Darmstadt bei der Gründung des Hubs. Diese war nicht der einzige Schritt, mit dem die Darmstädter in den vergangenen Jahren die Förderung ihres technologie-affinen Ökosystems vorangetrieben haben.
Mit Hub31 wurde ein Gründerzentrum eingerichtet, das die Start-up-Szene mit Co-Working-Space und Büroflächen versorgt – und zudem mit dem Zwillingshub des Digital Hub Frankfurter Techquartier, Heimat des dortigen Fintech-Hubs, kooperiert. TechQuartier ist im nationalen Ökosystem zugleich der Schwesterhub des Digital Hub Cybersecurity. Um die Finanzlage junger Firmen zu verbessern und so das Gründergeschehen weiter zu fördern, greift ein vom Land und der IHK mit vier Millionen Euro ausgestatteter Innovationsfonds Start-ups unter die Arme.
Gemeinsam mit der Hebrew University of Jerusalem hat das Fraunhofer Institut wiederum den German-Israeli Partnership Accelerator (GIPA) für Cybersicherheit ins Leben gerufen. Er soll bei der Entwicklung von Ideen helfen, die für den Sprung in die Selbständigkeit geeignet sein könnten. Binationale Teams erarbeiten dabei Lösungen zu aktuellen Problemen im Bereich der Cybersicherheit. Über das Forschungsnetzwerk Athene wiederum führt der Weg zum Gründungsinkubator StartUpSecure. Entwicklerinnen und Entwicklern sowie Gründerinnen und Gründern steht der Inkubator mit einer Vielzahl von Angeboten auf dem Weg zum neuen Unternehmen bereit. Mit Sicherheit.
Über die Blogreihe
Die USA haben mit dem Silicon Valley ein großes digitales Zentrum, das alle anderen überstrahlt. Deutschland setzt auf mehre starke Cluster der digitalen Exzellenz, wie die Initiative Digital Hubs Germany vom Digitalverband Bitkom und dem Bundeswirtschaftsministerium zeigt. Wir stellen sie der Reihe nach im Blog Digitale Exzellenz vor.
Teil 1: New Work auf knarrenden Speicherböden (Logistics-Hub in Hamburg)
Teil 2: Gesunde Start-up-Luft schnuppern (Digital-Health-Hub in Nürnberg/Erlangen)
Teil 3: Vom Großatelier-Filmstudio zum globalen MediaTech-Standort (Mediatech-Hub in Potsdam)
Teil 4: K wie Karlsruhe, K wie Künstliche Intelligenz (AI-Hub in Karlsruhe)
Teil 5: Zu Besuch in Europas größtem IoT-Hub (Smart Systems Hub Dresden)
Teil 6: Digital-Reiseland Deutschland: Mit Start-ins zu mehr Innovationen (Digital Hub Logistic Dortmund)
Teil 7: Vom Banken-Viertel zur Fintech-Metropole (Fintech Hub Frankfurt)
Teil 8: früher Knödel-Labor, heute Insurtech-Brutkasten (Insurtech Hub München und Köln)
Teil 9: Sectechs aus der Wissenschaftsstadt (Cybersecurity Hub Darmstadt)
Teil 10: Vom historischen Buchhandelszentrum zur Smart City (Smart Infrastructure Hub Leipzig)
Bilder: Getty Images / Laurence Dutton