Digitale Exzellenz
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Warum die öffentliche Hand eine Nachhaltigkeitsstrategie braucht

, 8. November 2023

Fotocredit: Getty Images / Orbon Alija

Lesezeit: 6 Minuten

Warum die öffentliche Hand eine Nachhaltigkeitsstrategie braucht

Nachhaltigkeit ist für die öffentliche Hand in Deutschland ein ebenso großes Thema wie für die Wirtschaft. Acht von zehn Behörden arbeiten bis 2025 an einer passenden Strategie. Die ist auch dringend nötig. Durch einen ESG-Quick-Check können Behörden ihren Reifegrad bestimmen und in puncto Nachhaltigkeit wertvolle Anregungen zur strategischen und operativen Weiterentwicklung erhalten.

Die öffentliche Hand übernimmt im Hinblick auf Nachhaltigkeit zwei wesentliche Rollen: Sie fungiert als Regulator gegenüber der Wirtschaft und der Gesellschaft, und sie ist selbst Akteur, der nachhaltiges Handeln aktiv verfolgt. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist das öffentliche Beschaffungswesen, das jährlich beträchtliche Summen in Milliardenhöhe bewegt und somit eine bedeutende Einflussmöglichkeit mit Hebelwirkung zur Förderung von Nachhaltigkeit besitzt.

Rechtsvorschriften und Initiativen – ein Kompass für den Public Sector

Angesichts der Notwendigkeit, die Klimakrise zu bekämpfen, steht die ökologische Dimension des ESG-(Environmental-Social-Governance-)Modells von Nachhaltigkeit im öffentlichen Sektor zunehmend im Fokus. Das Engagement von Bund, Ländern und Kommunen ist dabei nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern wird auch durch eine Reihe von Gesetzen und Initiativen untermauert. Zu den ausschlaggebenden Normen und Vorgaben zählen:

  • Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG), das die im Klimaschutzplan 2050 festgelegten Klimaschutz- und Sektorziele auf Basis des Übereinkommens von Paris und des vereinbarten 1,5-Grad-Ziels erstmals gesetzlich festgeschrieben hat. Die nationalen Klimaschutzziele sehen demzufolge vor, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent und bis zum Jahr 2040 um mindestens 88 Prozent unter den Vergleichswert von 1990 zu senken. Die Ziele bis 2030 sind ambitioniert, aber notwendig.
  • Das Klimaschutzprogramm 2030, das ein breites Maßnahmenbündel aus Innovationen, Förderung, gesetzlichen Standards und Anforderungen sowie einer Bepreisung von Treibhausgasen definiert, um die vorgegebenen Klimaschutzziele zu erreichen. Das Klimaschutzprogramm 2030 umfasst spezifische Vorgaben und Maßnahmen für die öffentliche Verwaltung, darunter die verpflichtende Einführung von Umweltmanagementsystemen wie EMAS oder LUMASPlus in der Bundesverwaltung bis 2025.
  • Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen, die konkret vorgibt, dass und wie Aspekte des Klimaschutzes sowohl im Rahmen der Vorbereitung des Einkaufs als auch im anschließenden Vergabeverfahren regelmäßig berücksichtigt werden müssen.

Die öffentliche Verwaltung ist Verwalter und Vorbild

Neben ihrer Rolle als Regulator ist die öffentliche Verwaltung also verpflichtet, selbst in großen Schritten voranzugehen. Mit Blick auf die schiere Größe der Bundesverwaltung nimmt diese eine Vorbildfunktion ein.Die öffentliche Hand hat eine Vorbildfunktion in pucto ESG.

Quelle: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Dossier/kkb.html

Trends und Handlungsbedarfe

Das Wissen um den Handlungsbedarf in Sachen Nachhaltigkeit ist in der öffentlichen Verwaltung vorhanden. Allerdings ist das Thema nicht flächendeckend operationalisiert. Eine aktuelle Befragung zeigt, welche Vorhaben Landes- und Bundesbehörden bis zum Jahr 2025 anvisieren. Auf die Frage, welche der aufgeführten Nachhaltigkeitsmaßnahmen die jeweilige Behörde bis 2025 umsetzen will, antworteten die Verwaltungen wie folgt:

Die öffentliche Hand und ihre ESG-Aktivitäten.

Quelle: https://research.faz-bm.de/publikationen/soprasteria/branchenkompass-public-services-2022/

Das zeigt: Die Bundesverwaltung hat viel vor, aber auch noch viel vor sich. Ein besonderer Handlungsbedarf besteht in der Digitalisierung. Die Steigerung des Digitalisierungsgrades, beispielsweise durch die automatisierte Steuerung von Nachhaltigkeitskennzahlen, ist unerlässlich, wird aber nur von sechs Prozent der Behörden genutzt. Diese digitale Transformation könnte nicht nur zu einer besseren Überwachung und Steuerung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen führen, sondern auch zur Effizienzsteigerung beitragen.

Das Potenzial von EMAS

Umweltmanagementsysteme sind ein weiterer zentraler Hebel für den öffentlichen Sektor, Nachhaltigkeit in ihrem Verantwortungsbereich voranzutreiben. Aktuell planen nur 33 Prozent aller Landes- und Bundesbehörden die Einführung eines Umweltmanagementsystems. Dem gegenüber stehen die Anforderungen des Klimaschutzprogramms 2030, das eine verpflichtende Einführung eines Umweltmanagementsystems bis 2025 in allen obersten Bundesbehörden sowie weiteren Bundesbehörden an zusätzlich 300 Standorten vorsieht.

Das Eco-Management and Audit Scheme (EMAS), ursprünglich für den Unternehmenssektor konzipiert, hat sich auch für die öffentliche Verwaltung als effektives Instrument zur kontinuierlichen Überprüfung und Optimierung von Umweltpraktiken herausgestellt. EMAS stellt Rechtssicherheit her und schafft Transparenz in Umweltaspekten – vom Energieverbrauch über das Abfallmanagement bis hin zu den Emissionen. Zudem bietet EMAS einen Rahmen für Kosteneffizienz und Ressourcenschonung. Die Beteiligung aller Ressorts und der aktive Austausch liegenschaftsbezogener Daten und Umweltleistungskennzahlen durch Einrichtungen wie die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben unterstreichen die ganzheitliche Bedeutung dieses Systems.

Es ist somit essenziell, dass Bundesbehörden die Vorteile der EMAS-Zertifizierung erkennen und sie in ihrem Zuständigkeitsbereich implementieren.

Die öffentliche Hand als strategischer Einkäufer

Ein weiterer Hebel, nachhaltiges Wirtschaften in der gesamten Lieferkette zu fördern und Standards in der gesamten Wirtschaft zu setzen, ist die Beschaffungspolitik. Jährlich werden in Deutschland Milliarden Euro für die Beschaffung von Waren und Dienstleistungen ausgegeben vom Büromaterial über IT-Dienstleistungen bis hin zu Infrastrukturprojekten.

Wenn die öffentliche Hand bei diesen Einkäufen nachhaltige, soziale und ökologische Kriterien konsequent anwendet, kann sie nicht nur direkt positive Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft erzielen, sondern auch den Markt in Richtung Nachhaltigkeit beeinflussen. Lieferanten und Hersteller müssen, wenn sie weiterhin den Großkunden Verwaltung behalten wollen, in der Folge vermehrt auf umweltschonende Produktionsmethoden, faire Arbeitsbedingungen und andere ESG-Standards setzen.

Es geht hierbei nicht nur um die direkten ökologischen und sozialen Effekte der gekauften Produkte und Dienstleistungen, sondern auch darum, als Vorbild zu fungieren und den Markt in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft zu lenken.

Nachhaltigkeit als Wert für Mitarbeitende

Öffentliche Hand: 81% der Arbeitnehmer wünschen sich nachhaltiges Handeln ihres Arbeitgebers.Eine nachhaltige Ausrichtung ist dabei nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die Behörden oder Ministerien selbst. Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Identifikationsfaktor. Mitarbeitende, die sich mit den Werten ihres Arbeitgebers identifizieren können, sind engagierter und produktiver – und sie bleiben.

Das führt zu einer Win-win-Situation: positive Wirkung auf die Umwelt und ein motiviertes Team. Klimaneutralität und nachhaltiges Handeln des Arbeitgebers sind entscheidende Faktoren für die Identifikation der Mitarbeitenden mit ihrer Organisation. Eine aktuelle Studie der Europäischen Investitionsbank von 2023 zeigt, dass etwa 81 Prozent der 20–29-Jährigen bei der Jobwahl auf die Positionierung des potenziellen Arbeitgebers beim Klimaschutz achten.

Selbstreflexion und Strategie für die Zukunft

Das Handlungserfordernis auf Seiten des öffentlichen Sektors ist offensichtlich, und es ist Zeit, diesen Weg mit Entschlossenheit und Klarheit zu gehen. Der erste und zugleich wichtigste Schritt dabei ist, eine klare strategische Marschroute zu entwickeln und diese mit konkreten Maßnahmen zu stützen. Um in puncto Nachhaltigkeit effektiv zu handeln, sollten Institutionen des öffentlichen Sektors folgende Dimensionen kritisch reflektieren und berücksichtigen:

  • Strategie und Prozesse
  • Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
  • IT und Daten
  • Kennzahlen, Monitoring und Steuerung
  • Ressourcennutzung
  • Rollen und Verantwortlichkeiten
  • Regulatorik

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Werbeblock: ESG-Quick-Check nutzen

Wer die skizzierten strategischen Hebel bedienen möchte: Sopra Steria hat für Verwaltungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene einen „ESG-Quick-Check“ entwickelt. Dieses Online-Tool dient Behörden dazu, ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten kritisch zu bewerten und sich strategisch neu auszurichten.

Den Link zur Teilnahme am ESG-Quick-Check schicken wir Interessierten aus der öffentlichen Verwaltung auf Anfrage zu. Direktnachricht über LinkedIn oder E-Mail an andre.barthel@soprasteria.com oder jacob.fittkau@soprasteria reicht.

Die Ergebnisse werden wir mit den Teilnehmern in einem gemeinsamen Workshop auswerten, die jeweilige Situation im Vergleich zu anderen Verwaltungen einordnen und Ansätze dafür identifizieren, eine Nachhaltigkeitsstrategie aufzubauen, zu justieren und umzusetzen. Das Angebot ist völlig unverbindlich und kostenlos.

Wir freuen uns auf den Austausch!

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Lesetipp: Mit den richtigen Daten zur Nachhaltigkeit in der Smart City