Digitale Exzellenz
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Surveillance Capitalism im Handel: Ran an die Offlinedaten

, 26. Juli 2017

Lesezeit: 3 Minuten

Surveillance Capitalism im Handel: Ran an die Offlinedaten

Google, Amazon, Facebook und Apple (GAFA) verstehen es wie kaum ein anderes Unternehmen, Daten ihrer Nutzer systematisch in Geschäft zu verwandeln. Kritiker sprechen schon von Surveillance Capitalism, zu Deutsch: Überwachungskapitalismus. Das Einsatzspektrum beschränkt sich längst nicht mehr auf die Online Community, sondern erfasst auch die Offlinewelt, wie zwei interessante Beispiele im Handel verdeutlichen.

Dass Google das Verhalten seiner Nutzung aktiv misst, um dadurch beispielsweise personalisierte Onlinewerbung zu schalten, ist nicht neu. Neu ist auch nicht, dass das Unternehmen über seine eigenen Dienste wie YouTube, Gmail, Google Maps und Google Lens personen- und ortsbezogene Daten als geschäftliche Quelle verwendet. Denn die Nutzung jener Dienste bedingt bekanntermaßen die freie Bereitstellung unserer Daten – ein Deal, auf den sich jeder Google-Nutzer mehr oder weniger freiwillig einlässt.

Google goes offline: Kreditkarten-Tracking als Brücke zum stationären Handel

Neu ist, dass Google jetzt auch Daten von Offlinekäufen erfasst. Durch Partnerschaften mit Drittanbietern hat der Internetkonzern Zugriff auf rund 70 Prozent aller Kreditkartentransaktionen im stationären Umfeld der USA. Mit Google Attribution lassen sich damit die geschalteten Online Ads oder Store Visits mit tatsächlichen Käufen in Verbindung setzen und umgekehrt. Das Marketer-Herz jubelt innerlich. Sie sind nun in der Lage, Zeitpunkt und Inhalte ihrer Werbebotschaften noch exakter für den perfekten Kaufimpuls zuzuschneiden. Erfolgswahrscheinlichkeit? Fast ein Selbstgänger.

Amazon goes offline too: die Whole-Foods-Übernahme

Während Google auf Partnerschaften im Offline-Umfeld setzt, baut Amazon sein eigenes analoges (Daten-)Imperium auf: mit der Übernahme der US-Marktkette Whole Foods, Kaufpreis: rund 14 Milliarden US-Dollar. Bei Whole Foods handelt es sich um einen Spezialisten für hochwertige und nachhaltige (Bio-)Lebensmittel, der derzeit ein Filialnetz von etwa 461 Läden in den USA, Kanada und Großbritannien betreibt. Sprich: Nicht nur Google, sondern auch Amazon treibt die Datenverschmelzung seines internetgestützten Handels mit der physischen Handelslandschaft voran.

Die Verschmelzung der Datenwelt von Online- und Offlinehandel versprechen verheißungsvolle datenzentrierte Innovationen und bessere Hinweis auf die kaufentscheidenden Mikromomente der Kunden. So gesehen eröffnet das Wissen über Kauf- und Essengewohnheiten ganzer Haushalte neue Vermarktungs- und Einsatzmöglichkeiten bestehender Amazon-Dienste. Dazu zählt beispielsweise Alexa als Personal Shopping Assistent. Der Lebensmittelbereich ist sicherlich nur ein Anfang für Amazon und mehr als nur eine Ergänzung zum AmazonFresh-Lebensmittelversandservice. Der Autohandel, die Möbelindustrie und anderen Branchen könnten umgehend folgen, Skalierung sei Dank.

War da nicht etwas mit dem Datenschutz?

Diese Entwicklung zu Totalvernetzung kommt zweifelsohne einer neuen Dimension des gläsernen Kunden gleich und lässt Datenschützer weltweit mehr als nur aufhorchen. Bei Google war man sich dieser Problematik bewusst. Bereits im Vorfeld entwickelte das Unternehmen einen „Double-Blind“-Verschlüsselungsalgorithmus. Damit soll es dem Konzern selbst unmöglich sein, die echte Identität des Kreditkarteninhabers im stationären Handel zu erfahren. Umgekehrt bekommen die Kreditkarten-Provider und die ortsansässigen Händler keinen Zugriff auf die Identität des Googles Users. Ein unverfälschtes Daten-Matching ohne Bezug zur Person soll dennoch möglich sein.

Ob dies allerdings der Weisheit letzter Schluss ist und sich nicht doch noch ein Datenschlupfloch auftut, bleibt abzuwarten. In jedem Fall schreitet die digitale Vernetzung im Handel kontinuierlich voran und verbindet zunehmend alle Lebensbereiche des Konsumenten. Das Ziel ist klar – sowohl bei Amazon als auch bei Google: ein nahtloses Zusammenarbeiten von digitaler und analoger (Daten-)Welt bis zur vollkommenen Kapitalisierung unseres Kauf- und Konsumverhaltens.

Foto: Getty Images / peterhowell