Digitale Exzellenz
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Sharing Economy: Auch Telekommunikation lässt sich teilen

, 29. April 2019

Lesezeit: 6 Minuten

Sharing Economy: Auch Telekommunikation lässt sich teilen

Airbnb und Uber sind Ikonen der Sharing Economy. Die Plattformen sind rasant gewachsen und stellen eine Herausforderung für etablierte Unternehmen dar. Komisch eigentlich, dass so wenige andere Branchen die Erfolgsrezepte dieser Plattformen bislang kopiert oder für sich adaptiert haben. Denn das Beispiel der Telekommunikationsbranche zeigt, dass in der Idee der geteilten Sache oder Dienstleistung viel Potenzial steckt. Teilweise wird es sogar bereits genutzt.

Das Marktpotential der Sharing Economy von 15 Milliarden US-Dollar aus dem Jahr 2014 soll bis 2025 auf bis zu 335 Milliarden ansteigen, schätzen Experten. Damit Sharing-Konzepte allerdings erfolgreich sind, brauchen sie eine kritische Masse an Teilnehmern – sowohl auf Anbieter- als auch auf Verbraucherseite. Durch den Netzwerk-Effekt steigt mit jedem weiteren Teilnehmer der Nutzen aller anderen Teilnehmer. Deshalb müssen Unternehmen die Mechanismen verstehen, die Menschen zum Teilen und Teilnehmen motivieren.

Der innere Sparfuchs macht uns zu Sharing-Freunden

Das rasante Wachstum der Peer-to-Peer (P2P-) Plattformen – wie das der Musikplattform Napster in den 1990ern – zeigt, dass das Konzept des Teilens grundsätzlich viele Nutzer anspricht. Häufig werden Schutz der Umwelt und andere altruistische Motive angeführt, aufgrund derer Menschen Teil der Sharing Economy werden. Schließlich können das Teilen und Weitergeben von Produkten zu einer höheren Nutzungsrate und demnach zu einem geringeren Ressourcenverbrauch führen.

Im Grunde sind es jedoch meist profane ökonomische Vorteile, die uns zum Teilen und gemeinsamen Nutzen bewegen. Anbieter können ungenutzte Kapazitäten monetarisieren, und Verbraucher sparen durch Leihen statt Kaufen Geld.

Viele Plattformen heben zudem die Gemeinschaft und das globale Netzwerk aus Gleichgesinnten als einen weiteren Faktor hervor, der Menschen zu Sharing-Anhängern macht. „Belong anywhere“ ist der Slogan der Übernachtungsplattform Airbnb, der auf das weltweite Netzwerk und auf authentische Erlebnisse abzielt. Gerade die Interaktion mit Fremden und das vielseitige Nutzererlebnis aufgrund der nicht-standardisierten Angebote schätzen viele Nutzer.

Zwei wichtige Zusatzfaktoren, die sich kommende Plattformbetreiber merken sollten, sind zudem Benutzerfreundlichkeit und Sicherheit. Es darf kein großer Aufwand für die Teilnehmer entstehen – weder für die Anbieter noch für die Nutzer. Zudem erfordert das Teilen von Besitztümern ohne zentrales Qualitätsmanagement beidseitiges Vertrauen. Das wird häufig durch Reputationsinstrumente wie Bewertungen und Verifizierungen hergestellt.

Telekommunikationsdienstleister teilen Infrastruktur

Nicht jede Branche eignet sich, Sharing-Plattformen hervorzubringen – meint man. Doch das täuscht. Die Telekommunikationsbranche beispielsweise, die die Sharing Plattformen durch technologische Fortschritte überhaupt erst ermöglicht hat, nutzt bereits Sharing-Ansätze: Ähnlich wie bei Airbnb (Wohnungen) und Uber (Autos) teilen sich Telekommunikationsunternehmen aufgrund der hohen Kosten die existierende Infrastruktur. Ein solcher Ansatz ermöglicht die Existenz kleinerer Mobilfunkprovider (MVNO), wie z.B. 1&1-Drillisch oder Fonic. Sie greifen auf die bestehende Infrastruktur der Mobilfunknetzbetreiber (MNO) von Telekom, Telefónica oder Vodafone zurück. Allerdings findet hier das Teilen von Ressourcen auf einer B2B- und nicht auf einer P2P-Ebene statt.

Router Sharing bedient Gemeinschaftssinn

Ein bereits existierendes P2P-Modell ist das Router Sharing. Unter „WLAN to go“ (Telekom), „WIFISpot“ (Unitymedia) oder „Homespot-Service“ (Vodafone) können Kunden ihren eigenen Router als Hotspot für andere Kunden zur Verfügung stellen. Im Gegenzug erhalten sie Zugang zu Millionen Hotspots, die durch andere Nutzer der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt werden. Abgesehen davon, sind P2P Sharing-Anwendungen in der Telekommunikationsbranche, wie beispielsweise das Teilen von Bandbreite unter Nachbarn, rar gesät. Die Frage ist, ob das so bleiben muss.

Grundvertrauen muss stimmen

In der hochregulierten Telekommunikationsbranche scheint Sicherheit der kritischste Faktor zu sein. Potentielle Teilnehmer fürchten sich vor Datenverlust und um den Schutz ihrer Privatsphäre. Andere auf ihr privates WLAN-Netz oder auf ihre Endgeräte zugreifen zu lassen, erfordert daher viel Vertrauen.

Insbesondere bei immateriellen Gütern wie Daten und Bandbreite ist es für Unternehmen schwierig, Vertrauen aufzubauen. Anders als beim Auto, das abgeschlossen und dessen Zustand äußerlich betrachtet werden kann, lassen sich Sicherheitslücken beim WLAN-Sharing schwieriger feststellen.

Eine verbreitete Unkenntnis der Verbraucher verstärkt die Skepsis zusätzlich. Daher ist es essentiell, dass Unternehmen glaubwürdig Sicherheit garantieren, wie beispielsweise beim Router Sharing geschehen: Die Anbieter unterstreichen in ihrer Kommunikation die Trennung der Netze und den Haftungsausschluss für Dritte am Hotspot.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Benutzerfreundlichkeit der Plattformen. Ist der Anmeldeprozess zu aufwändig oder der Prozess nicht intuitiv genug, verlieren Anbieter viele potentielle Teilnehmer. Neben der Convenience, die Sharing-Angebote durch ihre Flexibilität bieten, spielen auch ökonomische Vorteile eine Rolle. Router Sharing bietet alles drei: Der Zugang zu Millionen Hotspots ist sicher, kostensparend und mit wenig Aufwand verbunden. Die Endgeräte verbinden sich automatisch, sobald der Account einmal eingerichtet ist. Durch den kostenlosen Zugang sparen die Nutzer mobiles Datenvolumen. Ökologische, gemeinschaftliche und hedonistische Aspekte scheinen hier eine untergeordnete Rolle zu spielen.

Ungenutztes Sharing-Potenzial

Die Sharing-Dienst-Möglichkeiten sind sicher noch nicht ausgereizt. Um sich die Zukunft in der Telekommunikationsbranche vorzustellen, sollten Unternehmen zunächst herausarbeiten, was teilbare Ressourcen sind, die zwischen möglichen Teilnehmern existieren. Minuten und Datenvolumen stehen für Mobilfunkbetreiber und Nutzer dabei an oberster Stelle.

Ein mögliches Szenario: Einem Nutzer stehen ungenutzte Gesprächsminuten oder Datenvolumen zur Verfügung. Um diese überschüssigen Kapazitäten anderen Nutzern zugänglich zu machen, können MNOs oder MVNOs eine Plattform anbieten, auf der Nutzer diese Ressourcen untereinander teilen können, und auf der die Transaktionen gegen minimale Kosten durchgeführt werden können.

Ein weiteres Szenario wäre die Einführung eines neuen MVNO mit einem Sharing-Marktansatz. Dieser MVNO könnte als Plattform für den Austausch der Ressourcen fungieren, indem er mit mehreren MNOs anstelle eines einzelnen – wie heute üblich – zusammenarbeitet. So könnten diese MVNOs eine integrierte Plattform für Nutzer unterschiedlicher Mobilfunkanbieter bieten, auf welcher überschüssige Minuten und Datenvolumen verteilt werden können.

Dieses Plattform-Modell hat für die Akteure folgende Vorteile:

  • MVNOs müssen keine Minuten/Datenvolumen im Vollverkauf von traditionellen Anbietern kaufen.
  • Das Umsatzmodell ist simpel und basiert auf Transaktionsgebühren zwischen den Kunden der MNOs und den MVNOs.
  • MNOs erhalten einen Anteil der Transaktionsgebühren durch den Verkauf von Minuten und Daten der MNO-Kunden an den Plattform-MVNO.
  • Nutzer können die Infrastruktur desjenigen Netzwerks nutzen, das für den aktuellen Standort am besten geeignet ist.

Es wird deutlich: Das Potenzial von Sharing-Ansätzen ist längst nicht überall ausgeschöpft. Vielleicht wären derartige Konzepte eine sinnvolle Refinanzierungsquelle für 5G-Investitionen. Damit sich ein solches Modell allerdings rechnet, müssen genügend Teilnehmer auf Angebots- sowie auf Nachfrageseite vorhanden sein. Zudem ist es essentiell, dass die Plattformen intuitiv und leicht zu bedienen sind und hohe Sicherheitsstandards aufweisen. Aber diese Gesetze muss jeder in der Sharing Economy befolgen, auch die Ikonen Airbnb und Uber.

Foto: Getty Images / David Malan