Der Wettkampf um die Vorherrschaft im Bereich der Quantencomputer hat längst begonnen. Nicht nur Unternehmen wollen sich mit Investitionen in die Schlüsseltechnologie Wettbewerbsvorteile sichern – der Quantencomputer ist zum Politikum geworden. Unser Blick auf die Akteure im Markt des Quantenrechners und darauf, welche Rolle Open Source für die Zukunftsfähigkeit des Quantencomputers spielt.
„Die Zukunft heißt Quantencomputer“, hieß es 2018 in einer Pressemitteilung der Bundesregierung. Drei Jahre später ist klar, dass der Weg in diese Zukunft aber wohl noch weit ist. „Einen voll Fehler-korrigierten Quantenrechner zu entwickeln, ist die große Herausforderung der nächsten zehn, zwanzig Jahre“, sagt Prof. Dr. Immanuel Bloch, Professor für experimentelle Physik an der Ludwig-Maximilian-Universität München und Direktor des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik. Weltweit ist die Erforschung jedoch in vollem Gange. „Der Rest der Welt schläft gerade in diesem Bereich nicht“, sagt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Einweihung des ersten europäischen Quantencomputers von IBM in Europa. Der US-Konzern gilt als führend in dem Bereich.
Ringen um die Zukunftstechnologie
Nicht nur in der Wirtschaft ist das Interesse groß, sondern auch bei Regierungen und Geheimdiensten. So forscht die NSA schon seit einiger Zeit intensiv an Quantencomputern. Ihr Ziel: als erster Nachrichtendienst gängige Verschlüsselungsmethoden zu knacken.
China will im Bereich Quantencomputing gerade einen Durchbruch erzielt haben: Das System namens Jiuzhang soll zehn Milliarden Mal so schnell sein wie Googles 2019 vorgestellter Quantencomputer, der erstmals die sogenannte Quantenüberlegenheit erreicht haben soll. Das von Google entwickelte System Sycamore mit 53 Qubit soll eine Aufgabe in rund 200 Sekunden gelöst haben, für die einer der leistungsstärksten aktuellen Supercomputer 10.000 Jahre gebraucht hätte.
Jiuzhang, der auf Photonenbasis arbeitet, könne fast 100 Billionen Mal schneller rechnen als der leistungsstärkste Supercomputer, schreiben die chinesischen Forscher im Fachmagazin Science. Dabei geht es aber nur um eine spezifische Berechnung, in diesem Fall das gaussianische Boson-Sampling. Für andere Methoden lässt sich der Quantencomputer derzeit nicht nutzen. Er ist also nicht universell einsetzbar. Für das Erreichen der Quantenüberlegenheit wäre das aber schon ausreichend. Für die Entwicklung des Systems brauchten die chinesischen Forscher um den Quantenphysiker Pan Jianwei rund 20 Jahre.
Die EU holt auf
Die Europäische Union fördert die Erforschung der Zukunftstechnologie mit mehr als einer Milliarde Euro, um den Anschluss an die USA und China nicht auch noch in dieser Tech-Disziplin zu verlieren.
Und jetzt hat auch die Bundesregierung zwei Milliarden Euro für die Entwicklung von Quantencomputern freigegeben. 1,1 Milliarden Euro vergibt das Bundesforschungsministerium, 878 Millionen Euro stammen aus dem Etat des Bundeswirtschaftsministeriums. Ziel sei es, innerhalb der nächsten fünf Jahre in Deutschland einen international konkurrenzfähigen Quantencomputer zu bauen und ein dazugehöriges Ökosystem mit potenziellen Anwendern zu schaffen, sagte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) am 10.05.2021 in Berlin.
Ganz vorne mit dabei ist Bayern: Die Initiative „Munich Quantum Valley“, zu der sich die Max-Planck- und Fraunhofer-Gesellschaft, die beiden großen Münchner Universitäten LMU und TUM sowie etliche im Raum München angesiedelte Firmen zusammengeschlossen haben, will zwei leistungsfähige Quantencomputer „Made in Germany“ erbauen. Mit 300 Millionen Euro soll dieses Projekt vom Freistaat Bayern unterstützt werden.
Quantencomputing in der Wirtschaft
Das Wettrennen um die erste Mondlandung der Quanten-IT ist somit längst eröffnet. Das gilt auch für die Wirtschaft. Zahlreiche Unternehmen verbünden sich mit verschiedenen Forschungseinrichtungen, um schneller als ihre Konkurrenten Erfolge zu erzielen. Besonders die großen Tech-Giganten sind aktiv. Unter dem Namen Quantum Artificial Intelligence Lab firmieren zum Beispiel Google, NASA und eine Non-Profit-Organisation. Mithilfe von Quantencomputern wollen sie gemeinsam neue Vorhersagemodelle im Bereich Künstliche Intelligenz entwickeln.
Parallel legt sich IBM ins Zeug: Mit IBM Q möchte das Unternehmen universelle Quantencomputer für Wirtschaft und Wissenschaft bauen. Der IT-Konzern hat eine Entwicklungsumgebung namens Qiskit herausgebracht und bietet zudem einen öffentlich verfügbaren Quantencomputer an. Im Netzwerk IBM Q Network kooperiert IBM mit vielen angesehenen Universitäten und Konzernen wie Exxon Mobil und JP Morgan. Im Juni dieses Jahres hat IBM in Ehningen (Kreis Böblingen) mit dem IBM Q System One Quantencomputer seinen ersten kommerziellen Quantencomputer in Europa eingeweiht. IBM kooperiert dabei mit der Fraunhofer Gesellschaft, unter deren Dach der Computer genutzt werden soll, um die Technologie sowie mögliche Anwendungsfälle zu erforschen. Microsoft versteht sich ebenfalls als Pionier auf dem Gebiet der Quantencomputer und unterhält zahlreiche QC-Teams rund um den Globus.
Deutsche Unternehmen beteiligen sich punktuell an Quantencomputerprojekten: Der Chemiekonzern BASF investierte in das Quantencomputer-Start-Up Zapata, das an der Harvard Universität gegründet wurde. Es entwickelt Software, um Quantencomputer nutzen zu können. Bosch sieht vor allem im Bereich der Quantensensoren ein Anwendungsfeld für sich. Solche Quantensensoren messen den Quantenzustand perfekter Atome und sind dadurch allen klassischen Sensortechnologien überlegen. VW forscht seit einiger Zeit gemeinsam mit Google und D-Wave an einem Projekt zur Verkehrsoptimierung mit Quantencomputern. Es zeigt sich allerdings: Die amerikanischen IT-Konzerne sind die Platzhirsche bei diesen Vorhaben.
Verschiedene Ziele, unterschiedliche Projekte
Jedes Unternehmen geht bei der Erforschung des Quantenrechners unterschiedliche technische Wege. Während Google auf die digitale Implementierung von Quantencomputern mithilfe von Quantengattern setzt, sind die Rechner des Pioniers D-Wave Systems für sogenannte adiabatische Optimierungsprobleme ausgelegt. Diese weisen zwar mehr Qubits auf, haben aber weniger Rechenleistung als universelle Quantencomputer mit weniger Qubits und beschränktere Anwendungsszenarien. Die Einordnung des Quantencomputers von D-Wave ist deshalb umstritten.
Gemeinsam haben alle Projekte jedoch eines: Bisher sind auf allen Quantencomputern erst kleine Rechnungen gemacht worden. Der Quantencomputer, der alles kann, ist also noch lange nicht erfunden.
Was wären wir ohne Open-Source-Bewegung?
Die Milliardenprojekte, finanziert aus den Staats- und Firmentöpfen, brauchen allerdings wichtige Unterstützer, damit Quantencomputer einmal den Massenmarkt erobern: die Open-Source-Bewegung. Durch die Verfügbarkeit des Quelltextes von Werkzeugen können Entwickler auf der ganzen Welt zur Weiterentwicklung von Software beitragen und damit den Durchbruch beschleunigen.
Wichtig sind zum Beispiel Entwicklungsumgebungen, auf denen Programmierer den Code schreiben und virtuelle Simulationen durchführen können, ohne Zugriff auf einen Quantencomputer zu haben. Es gibt bereits einige Softwareumgebungen, die Open Source sind, darunter Angebote vieler Großunternehmen. Dazu zählen zum Beispiel Q# von Microsoft und das das oben erwähnte Qiskit. Diese Frameworks sollen quasi jedem Entwickler einen Einstieg in die Welt des Quantencomputers ermöglichen.
Blogvorschau: Ob und wann der Durchbruch von Quantencomputern kommt, können aktuell nicht einmal Quantencomputer vorhersagen. Für Unternehmen, die am Ball bleiben wollen, stellen wir in einem kommenden Blog Post Informationen zur Vorbereitung online.
Vielen Dank Marc Sommer, der an dieser Blogserie als Co-Autor mitgewirkt hat.
Was bisher geschah:
Teil 1 der Blogreihe: Quantencomputer jetzt auf dem Technologieradar haben.
Teil 2 der Blogreihe: Quantencomputer vom physikalischen Traum in die Realität
Teil 3 der Blogreihe: Der Quantencomputer – das nächste Wirtschaftswunder?
Teil 4 der Blogreihe: Bank 5.0 – dank Quantencomputer bald Realität?
Foto: Getty Images / UpperCut Images
Beitrag wurde am 15. Juni 2021 aktualisiert.