Digitale Exzellenz
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Warum Henry Ford den Quantencomputer geliebt hätte

, 17. Dezember 2021

Lesezeit: 5 Minuten

Warum Henry Ford den Quantencomputer geliebt hätte

Die Möglichkeiten, die sich durch Quantencomputer ergeben, faszinieren die Unternehmen quer durch alle Wirtschaftsbereiche. In der Industrie dürfte die Technologie ebenfalls einiges verändern. Sie könnte helfen, dass Unternehmen ihre Produktionsabläufe enorm verbessern, Kosten senken und Produkte mit mehr Tempo entwickeln. Aus gutem Grund forschen viele der großen Akteure bereits, wie und wann sie vom Quantencomputing profitieren könnten.

Von Henry Ford ist der Satz überliefert: „Jeder Kunde kann ein Auto in jeder gewünschten Farbe haben, solange es schwarz ist.“ Gemeinhin gilt Ford als Erfinder der Fließband-Produktion. Bis heute prägt sie den Kern industrieller Arbeit. Doch was sich seit den Tagen von Ford gewandelt hat – auch damals gab es übrigens nicht nur die Wagenfarbe schwarz –, ist die Komplexität der Produktion. Sie hat beträchtlich zugenommen. Maximale Arbeitsteilung und Mass Customization trifft auf Globalisierung und eine zunehmende Automatisierung. Diese Komplexität macht Quantencomputer für das produzierende Gewerbe so überaus interessant. Drei Vorteile erhoffen sich die Industrieentscheider von den Rechenkünsten:

Bauteile effizienter gestalten

Materialforscher und Designer freuen sich bereits auf die ersten massentauglichen Quantencomputer. In der Industrie ist es üblich, Komponenten wie Flugzeugflügel oder Motorenteile mit Hilfe von 3D-Modellen am Rechner zu simulieren. Ingenieure arbeiten allerdings in die Modelle bestimmte Sicherheitsmargen ein. Sie kalkulieren beispielsweise eine größere Menge eines Rohstoffs oder etwas mehr Ausschuss bei der Fertigung ein. Für die einzelnen Komponenten fallen solche Margen kaum ins Gewicht, in der Massenproduktion wiederum sehr. Auch als Teil komplexerer Systeme, die sich aus tausenden oder zehntausenden von Komponenten zusammensetzen, sieht das anders aus. Eine Boeing 747-8 setzt sich aus sechs Millionen Bauteilen zusammen. Wiegt jedes dieser Bauteile aus Sicherheitserwägungen im Schnitt nur ein Gramm mehr – das entspricht in etwa einem halben Gummibärchen –, dann summiert sich das für das gesamte Flugzeug auf sechs Tonnen.

Quantencomputer können helfen, diese Sicherheitsmargen zu verringern, Risikopuffer zu minimieren und den Bereich des Machbaren damit weiter auszureizen. Mit Hilfe der Technologie ist es möglich, sehr viel komplexere Simulationen und damit Prediktionen vorzunehmen, ein Vielfaches an Einflussfaktoren in eine Gleichung aufzunehmen und damit noch besser zu beurteilen, wie sich einzelne Komponenten im Zusammenspiel verhalten – oder wie sich das Verhalten ändert, wenn sich Einflüsse ändern. Geringere Sicherheitsmargen ermöglichen je nach Anwendungsbereich im Ergebnis beispielsweise den Bau leichterer Flugzeuge oder einen geringeren Materialeinsatz. Genauere Planungen senken Kosten, verbessern die Wettbewerbsposition sowie die Energiebilanz.

Ähnlich wie bei der Simulation zum Zusammenspiel verschiedener Komponenten, verhält es sich mit der Berechnung komplexer chemischer Reaktionen, die unter anderem für die Materialforschung wichtig sind. Wie sich damit auch der Klimaschutz ein ordentliches Stück voranbringen lässt, erläutert Vera von Burg vom Fachbereich Quantenchemie an der ETH Zürich im Beitrag zum Managementkompass Quantencomputing.

Produktionsprozesse optimieren

Die Produktionsprozesse lassen sich mithilfe von Quantencomputing ebenfalls verbessern. 22 Prozent der Industrieentscheider sehen genau hier eine künftige Relevanz für die Technologie, so die Potenzialanalyse Quantencomputing. Die Abläufe in der Produktion zu verbessern, ist eine jener klassischen Optimierungsaufgaben.

Ein Beispiel dafür liefert Volkswagen. Der Automobilhersteller forscht genauso wie BMW und Daimler an Einsatzmöglichkeiten für die Quantentechnologie. Ein mögliches Anwendungsfeld: das Lackieren der Autos – und es erinnert doch sehr stark an Ford und seine Aussage zur Farbwahl.

VW selbst erklärt das Szenario mit den unterschiedlichen Grundierungen, die für die verschiedenen Farben von Fahrzeugen benötigt werden. Der Wechsel zwischen den Grundierungen bremst die Produktion. Algorithmen, die auf Quantencomputing basieren, könnten – so das Kalkül der Wolfsburger – dazu beitragen, die Effizienz zu steigern.

Quantencomputing könnte zudem dabei helfen, Beschäftigten und Industrierobotern optimale Wege durch Lager und Produktionsstätten aufzuzeigen. Gerade mit einer zunehmenden Automatisierung und dem Ende der Käfighaltung für Roboter in der Industrieproduktion werden solche Möglichkeiten gefragt sein. Einen Industrieroboter mittels IoT-Sensorik frei durch Werkshallen wandeln zu lassen, mag leicht erscheinen. Doch mit hunderten oder tausenden solcher Einheiten sieht es anders aus.

Logistik für die Just-in-Time-Produktion

Die Produktionsprozesse sind eng verwoben mit der Logistik und Warenwirtschaft der Unternehmen. Tatsächlich zählt jeder zweite Entscheider (48 Prozent) aus der Industrie die Optimierung in diesem Bereich zu den besonders relevanten Einsatzfeldern für Quantencomputer.

Gerade infolge geringerer Lagerhaltung und komplexer Lieferketten entsteht der Wettbewerbsvorteil durch Optimierung und die Minimierung teurer Sicherheitspuffer. Quantencomputer können hierauf die Antwort liefern und die Warenströme so berechnen, dass die geringsten Kosten und schnellsten Lieferzeiten herauskommen.

Quantencomputer: Der neue Freund der Perfektionisten

Die Corona- und Chip-Krise schaffen derzeit die Jobs von morgen für Quantencomputer. Zu Zeiten von Henry Ford dachte noch niemand an Computerchips. Auch von internationaler Arbeitsteilung im heutigen Maßstab konnte damals in der Industrie kaum die Rede sein. Geliebt hätte der Unternehmer auf der Suche nach absoluter Effizienz und Perfektion in der Produktion den Quantencomputer wohl dennoch.


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Bild: Getty Images / Andriy Onufriyenko