Niemand käme wohl auf die Idee, ein Haus ohne sorgfältige und vorausschauende Planung zu bauen. Viele Banken und Sparkassen offenbar schon, und zwar beim Bau ihres IT-Hauses. Hier einige Impulse, warum ein IT-Bebauungsplan so wichtig ist, was Banken vom Planen abhält plus einige Planungstipps aus der Projektpraxis.
Welche Räume sollen wie groß und angeordnet werden? Welches und wie viel Material wird benötigt, um nichts zu verschwenden und gleichzeitig nicht in ein halbfertiges Gebäude einziehen zu müssen? Passen die gewählten Teile zusammen oder sorgt der falsch gewählte Innenputz für ein schimmliges Erwachen in ein paar Jahren? Diese und zig weitere Fragen müssen Häuslebauer beantworten, bevor es richtig losgehen kann und das Zuhause irgendwann steht. Und da sich der normale private Bauherr diese Fragen selten selbst adäquat beantworten kann, ziehen sie oder er Fachleute hinzu. Dieses selbstverständliche Vorgehen ist bei Banken und Sparkassen – übertragen auf die IT-Ausstattung– kaum zu beobachten.
Banken sind zwar nicht gerade IT-Laien, dürfen sie qua Regulierung (z. B MaRisk und BAIT) auch nicht sein. Nicht umsonst forciert die Bankenaufsicht, dass ihre „Kunden“ entsprechendes-Know-how aufbauen, beispielsweise indem sie erweiterte Eignungsnachweise einfordert. Zudem verpflichtet sie ihre Prüflinge, dass in den Aufsichtsgremien auch Menschen mit passendem IT-Wissen sitzen. Sparkassen, wie in Bremen, haben mittlerweile ihren ersten CDO im Vorstand etabliert. Mit diesem Pflicht-Know-how und einem durchaus erkennbarem Bewusstseinswandel in den oberen Managementetagen sind Banken und Sparkassen gut gerüstet für die Bauplanung ihrer IT.
Dies fällt allerdings häufig halbherzig und dürftig aus. So oder so ähnlich liest sich die Verschriftlichung des Wahrnehmungswechsels in den Strategiepapieren von großen und kleinen Finanzinstituten:
„Eine effiziente, performante und aufsichtskonforme IT-Ausstattung, die den Herausforderungen der nächsten Jahre gewachsen ist.“
Pfusch am Bau ist programmiert
Blickt man auf die operationelle Umsetzung der Strategiepapiere, wird klar, wie weit der Weg noch ist. Die IT wurde über Jahrzehnte mit dem Fokus „Kosteneffizienz“ gesteuert, und zwar anhand fester Budgetobergrenzen und Einsparziele. Diese Aufgabe ist für den Bank- oder Sparkassen-CDO heute noch gültig und herausfordernd genug. Besonders aufreibend wird es dann, wenn die Fachbereiche im Tagesgeschäft komplett konträre Anforderungen an die IT-Unterstützung stellen. Da geht es um Kundenzentrierung, Innovation und die Transformation zur Tech-Bank. Analog zum Hausbau: Das Management sagt: „Das schlüsselfertige Musterhaus muss reichen“, und der Vertrieb und die Produktentwickler sagen: „Wenn sich Kunden wohlfühlen sollen, benötigen sie eine vom Architekten maßgeschneiderte Highend-Immobilie.“
Da die CDOs beiden Parteien gerecht werden wollen oder müssen, jagt im Ergebnis ein Softwareeinführungsprojekt das nächste. Zwischendurch werden in Hauruckaktionen die verschärften regulatorischen Anforderungen wie Berechtigungskonzepte umgesetzt. Am Tagesende ist keine Seite mit dem fertigen Bau zufrieden. In den Köpfen grassiert womöglich nicht selten das Urteil: „Pfusch am Bau.“
IT ist immer noch ein Fremdkörper
Das Ganze basiert nicht zuletzt darauf, weil IT häufig als etwas Fremdes verstanden wird, etwas, das nichts mit dem Tagesgeschäft zu tun hat. Mitarbeitende wundern sich über die Diskrepanz zwischen der erlebten User Experience in Hard und Software zu Hause und im Büro. Führungskräfte sehen, dass große Effizienzpotenziale für ihre Ressort nicht umgesetzt sind, und die IT-Abteilung ächzt unter der Belastung und der mangelnden Bereitschaft der Fachabteilungen.
Ein IT-Bebauungsplan ist ein exzellenter Helfer, um alle Seiten zusammenzubringen. Er bildet die Brücke zwischen den rechtlichen Anforderungen, Strategie und täglicher Arbeit. Wie beim Hausbau, lassen sich damit:
- die Planbarkeit verbessern. Zeit und Ressourcen sind in einem auf einem aufeinander abgestimmten Ablaufplan eingetaktet.
- Ausschuss minimieren. Die Auswahl von Software und Hardware erfolgt übergreifend und berücksichtigt auch künftige Anforderungen der Fachbereiche.
- Kosten langfristig senken. Gewählte IT-Komponenten werden mit passenden Schnittstellen besser aufeinander abgestimmt. Manuelle Schnittstellen und Medienbrüche entfallen.
- die Zufriedenheit steigern. Planung schafft Transparenz, wann was, wie, wieso fertig ist.
3 Gründe für die Planlosigkeit
Ein Bebauungsplan ist keine Raketenwissenschaft, Banken könnten somit damit arbeiten. 3 Gründe oder Ausreden verhindern jedoch häufig die Umsetzung:
- Keine Zeit. Der berühmte Schritt zurück, heraus aus dem Tagesgeschäft, rein in den Change, funktioniert nicht. Sowohl der serviceorientierte Kollege aus der IT-Organisation als auch die kundenorientierte Mitarbeiterin fehlt der zeitliche Freiraum. Doch Zeit ist da, ihre Verwendung muss allerdings priorisiert werden. Hier sind die Führungskräfte gefordert. Denn für die Mitarbeitenden wird das Tagesgeschäft und die Lösung der unmittelbaren Probleme immer vorgehen.
- Es gibt kein Template. Der Lösungsraum für einen IT-Bebauungsplan ist, ganz nach Stacey, komplex bis chaotisch, und das schreckt ab. Banken sollten akzeptieren, dass es die One-Size-fits-all-Lösung nicht gibt. Banking ist keine Reihenhaussiedlung. Jedes Institut muss sein eigenes IT-Bauvorhaben aufsetzen. Im Ergebnis bekommen sie aber auch ein uniques IT-Haus, in dem sich Mitarbeitende und Kunden gerne aufhalten und mit der sich Institute im Wettbewerb differenzieren können.
- Diffuse Informationslage. Ein IT-Bebauungsplan speist sich aus vielen Informationen. Diese liegen in der Regel nicht an einem Ort parat und lassen sich ad hoc vergleichen und verarbeiten. Das gilt sowohl für Anforderungen von Management und Fachseite als auch für die Lösungsoptionen.
Hürden lassen sich überwinden
Für Banken, die den Mehrwert eines IT-Bebauungsplans erkannt haben und starten möchten: hier einige Tipps aus der Praxis:
- Planung lässt sich nicht skalieren. Jedes Institut ist für sich gefordert. Es sollte vorhandene Anwendungsstandards, wie Salesforce für CRM kennen und in einem IT-Bebauungsplan einfließen lassen. Ein fertiges und zugleich individuelles Zielbild existiert nicht.
- Anforderungsanalyse ist Kommunikation. Ein regelmäßiger und strukturierter Austausch mit allen Stakeholdern im Unternehmen hat einige Vorteile gegenüber dem Abarbeiten von Einzelanforderungen auf Zuruf nach dem Windhundprinzip.
- Es bedarf Zeit, um die Anforderung des Business zu verstehen. Gespräche mit den „Betroffenen“ zeigen einem die Nutzer-Journey und wo sie hingehen soll. Wer Gespräche auf Führungskräfte oder Fachkräfte beschränkt, erhält ein einseitiges Zielbild, und das stimmt selten den realen Anforderungen überein. Die Mischung macht’s.
- Planung nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ein Bebauungsplan ist nicht in einem Zweitage-Workshop erstellt. Zunächst müssen alle Informationen aus den Fachbereichen vorliegen, ebenso ein Zielbild in der notwendigen Tiefe. Nur so entsteht eine echte Arbeits- und Entscheidungshilfe, mit der Management, IT und Business arbeiten können.
- Unsicherheit nimmt bei langfristiger Planung zu. Je länger die Bauphase dauert, desto wahrscheinlicher sind Veränderungen in dieser Zeit, in Bezug auf Kundenerwartungen, aber auch technologische Plattformen und Datenaustauschformate. Ein Bebauungsplan sollte somit als lebendes Ergebnis konzipiert sein, das gepflegt werden muss. So erhalten im Ergebnis ein solides wie agiles IT-Haus gebaut, in dem sich Management, Fachbereich, IT und Kunden wohl fühlen.