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5 Mythen und Wahrheiten rund um die Blockchain

, 8. November 2017

Lesezeit: 5 Minuten

5 Mythen und Wahrheiten rund um die Blockchain

Ein Mythos entsteht fast immer dann, wenn Menschen etwas nicht begreifen oder missdeuten. So gesehen, bietet die Blockchain reichlich Stoff für Mythen, denn die Technologie ist tatsächlich nicht leicht zu verstehen. Zeit, mal aufzuräumen.

Einige wahre Blockchain-Geschichten haben wir vor kurzem in einer Art Fun-Fact-Sammlung zusammengestellt. Um das Potenzial vernünftig ausloten zu können, bietet es sich an, auch den wahren Kern folgender fünf Blockchain-Mythen zu kennen:

Mythos 1: Die Blockchain ist eine Datenbank und ein riesiger dezentraler Rechner

Das ist nicht richtig: Vom Ergebnis her betrachtet, ist die Blockchain eine (lange) Liste mit Transaktionen. Die Blockchain der Kryptowährung Bitcoin war zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags (06. November 2017) rund 140 GB groß. Im Vergleich zur Datenbank zeichnet sich die Blockchain durch ihre Nachvollziehbarkeit der Aktionen aus. Eine Datenbank besticht dagegen durch ihre Verfügbarkeit und Performance, was wiederum keine signifikante Stärke der Blockchain ist.

Blockchain Bitcoin

Die Blockchain ist auch kein riesiger, in der ganzen Welt verteilter Rechner. Es ist ein Verbund von Rechnern, die im Prinzip alle das Gleiche machen: Sie prüfen die gleichen Transaktionen in der Blockchain und speichern den Verlauf in der Liste. Es kommt somit nicht auf die geteilte Rechenleistung an, sondern auf die dezentrale Organisation. Genau das ist übrigens eine der größten Stärken der Blockchain, denn wenn jeder Rechner das Gleiche macht, die Blockchain-Liste also immer in Hunderten oder Tausenden identischen Kopien vorliegt, kann sie systembedingt kaum noch gehackt oder manipuliert werden.

Mythos 2: Die Blockchain ist energiehungrig

„Wenn die Hälfte der Weltbevölkerung, die derzeit nicht über ein eigenes Konto verfügt, eines Tages die Blockchain-Technologie nutzte, dann würde dafür mehr Strom verbraucht als heute insgesamt produziert wird“, rechnet die Computerwoche vor. Und auf Coinhero legt die Firma Firma Power Compare nach: „Der Stromverbrauch für das Mining von Bitcoin ist im Jahresvergleich teurer als in 159 einzelnen Ländern auf der Welt.“

Dieser Mythos stimmt so nicht: Die Technologie selbst ist nicht energiehungrig. Der Energieverbrauch hängt zum einem davon ab, ob eine verteilte öffentliche Blockchain genutzt wird oder eine private. Eine private Blockchain kann sehr viel energieeffizienter betrieben werden als die verteilte öffentliche. Zum anderen spielt das verwendete Konsensverfahren eine Rolle. Der Energiefresser ist das so genannte Proof-of-Work-Prinzip, das viel Rechenleistung erfordert und das auch bei der Kryptowährung Bitcoin zum Einsatz kommt. Einige Anbieter wie Etherium wollen allerdings künftig auf das energieeffizientere Proof-of-Stake-Verfahren umschalten.

Mythos 3: Die Blockchain ist sicher und vertrauenswürdig

Dieser Mythos ist weder einfach zu be-, noch zu widerlegen: In der Blockchain gespeicherte Transaktionen sind, nach allem was bisher bekannt ist, sicher, weil niemand Einträge im Nachhinein verändern, also fälschen oder löschen kann. Über die Blockchain durchgeführte Transaktionen und durch Business-Regeln, so genannte Smart Contracts, ausgelöste Aktionen gelten demnach also als sicher.

Allerdings gilt dieses Versprechen offensichtlich (noch) nicht für Anwendungen, die Blockchain-Technologie nutzen. Hier stimmt das Paradigma aus der Unternehmens-IT, nach dem es keine 100prozentige IT-Sicherheit geben kann. So berichtete die Wochenzeitung „Die Zeit“ schon 2016 von einem modernen Bankraub in der Blockchain, beim dem der „Decentralized Autonomous Organization“ (DAO) 50 Millionen US-Dollar geraubt wurden. Die Räuber nutzten – kurz gesagt – eine Schwachstelle im Programmcode der Anwendung, die Blockchain-Transaktionen durchführte.

Mythos 4: Blockchain wird ganze Branchen und Berufe abschaffen

Richtig ist: Für Verträge in der Blockchain brauche ich streng genommen keine Intermediäre mehr, also zum Beispiel Notare, die solche Verträge beglaubigen. Auch andere Beurkundungen, zum Beispiel von Standesbeamten, könnten durch die Technologie ersetzt werden. Allerdings ist sie davon noch weit entfernt, weil gesetzliche Bestimmungen für eine Vielzahl von Fällen Notare oder Beamte verlangen. Bis sich das ändert, dürfte noch eine lange Zeit ins Land gehen. Zudem haben die genannten Berufsgruppen mehr Aufgaben als nur die Beurkundung von Verträgen. Wahrscheinlicher ist es also, dass sich solche Berufe verändern werden, ohne komplett der Blockchain zum Opfer zu fallen. Und sie wird wohl auch neue Intermediäre schaffen, Menschen, die zum Beispiel Unternehmen bei der Nutzung der komplexen Technologie beraten.

So ähnlich ist das auch in der Finanzbranche, die als erste genannt wird, wenn es um Abgesänge geht. „Für die Deutsche Bank ist Blockchain‚ eine der ersten wirklich disruptiven Ideen aus dem Fintech-Bereich. Die spanische Großbank Santander rechnet mit einem Sparpotenzial von bis zu 20 Milliarden Dollar pro Jahr und hat in ihrem Innovationslabor angeblich schon 20 bis 25 Anwendungsfälle gesammelt, wie sie die neue Technik nutzen könnte“, schrieb das Manager Magazin im März 2017. Angst vor dem Untergang sieht anders aus. Tatsächlich gehören Banken zu den aktivsten Protagonisten und tun viel dafür, die eigene Digitalisierung mit Blockchain-Technologien voranzutreiben. Ein Abgesang auf die Banken ist damit nicht angebracht.

Doppelmythos 5: „Die Blockchain wird die Welt revolutionieren“ versus „Die Technologie ist doch nur ein kurzlebiger Hype“

Tatsache ist, dass die Blockchain an Fahrt aufnimmt, sofern eine Kette das kann ;-). Fast jedes zweite für unsere Potenzialanalyse befragte Unternehmen (47 Prozent), das die Technologie schon kennt, prüft bereits den Einsatz im eigenen Haus, 21 Prozent arbeiten sogar an Prototypen. Allerdings halten nur sieben Prozent der Fach- und Führungskräfte die Technologie aktuell für marktreif.

Viele Experten betonen das Potenzial der Blockchain, unter anderem nachzulesen im gerade erschienenen Managementkompass von Sopra Steria Consulting. Aber um es wirklich zu heben, braucht es zum Beispiel einen verbindlichen Rechtsrahmen und Standards. Es braucht mehr Know-how zum Thema, es braucht Geschäftsmodelle und vielleicht braucht es auch noch eine Killer-Anwendung, die dem ganzen Hype einen deutlichen Schub nach vorne geben würde. Dann, jedenfalls ist das meine Überzeugung, hat die Blockchain tatsächlich revolutionäres Potenzial. Ein kurzlebiger Hype jedenfalls ist sie auf keinen Fall.

Foto: Getty Images / krung99