Kaum eine moderne Technologie gilt als so energiehungrig wie die Blockchain. Aber das ist nur die eine Wahrheit, denn hinter der Technologie steckt auch Potenzial zum Energiesparen. Zeit für eine faire Betrachtung.
Dem Bitcoin-Netzwerk, lange das bekannteste Kryptowährungsnetzwerk der Welt, wird ein Stromverbrauch nachgesagt, der so hoch ist wie der in den gesamten Niederlanden. Das klingt nach viel und ist auch viel. Aber nur mal zum Vergleich: Der Chemiekonzern BASF verbraucht alleine in seinem Werk in Ludwigshafen so viel Strom wie Dänemark, wie das Handelsblatt ausgerechnet hat. Das macht den Energiehunger des Netzwerks zwar nicht besser, setzt ihn aber in Relation zu anderen auch nur wenig nachhaltigen Industrien.
Der Unterschied zu diesen oft als systemkritisch und daher als unverzichtbar eingestuften Unternehmen: Ihnen ist der Betrieb noch nicht untersagt worden. Der Blockchain geht es dagegen politisch an den Kragen: Im US-Bundesstaat New York hat die zuständige Gouverneurin Kathy Hochul im November des vergangenen Jahres ein Gesetz erlassen, das es Kryptowährungen verbietet, „Abgase“ zu produzieren, wie es etwas ungelenk bei Heise Online heißt: „Das Moratorium betrifft Kryptowährungen, die auf ‚Proof of Work‘ setzen, das besonders viel Energie benötigt und zu Zentralisierung bei den eigentlich dezentral gedachten Kryptowährungen führt. Prominentestes Beispiel ist Bitcoin.“ Der Energiebedarf für PoW sei so groß, dass außer Betrieb gesetzte Kraftwerke wieder in Betrieb genommen werden mussten. Nicht betroffen von dem Gesetz sind übrigens Wasser-, Wind- und Solarkraftwerke, weil sie CO2-neutralen Strom produzieren.
Der hohe Energiebedarf der Kryptowährungen entsteht hauptsächlich durch das sogenannte Consensus-Verfahren „Proof of Work“, das für die Validierung von Transaktionen und Blöcken genutzt wird. Neben diesem gibt es weitere Ansätze wie das Consensus-Verfahren „Proof of Stake“, auf das das Ethereum-Netzwerk im September 2022 gewechselt ist. Damit konnte das Netzwerk seinen Energiebedarf um satte 99,95 Prozent senken, wie das Fachmagazin BTC-Echo noch im Januar dieses Jahres berichtete.
Die andere Seite der Blockchain-Medaille
Sobald der Use Case der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) zum Beispiel auf einen engen und autorisierten Nutzerkreis beschränkt ist, also in einer sogenannten Consortium Blockchain, ist der Energieverbrauch tatsächlich vernachlässigbar gering – wer den Blog verfolgt, kennt diesen Beitrag vom Juli 2021. Wer zudem links und rechts der Blockchain schaut, wird auf eine Reihe weiterer Distributed-Ledger-Technologien stoßen, die oftmals sogar noch leistungsfähiger als die Blockchain und dabei dennoch stromsparend sind. Das Kommunikationsprotokoll IOTA ist dafür ein Beispiel.
Solche und andere Distributed-Ledger-Technologien können sogar den Weg zum Einsparen fossiler Energien und anderer wertvoller Ressourcen ebnen – durch mehr Effizienz und Compliance in der Lieferkette. So könnte zum Beispiel in der Wartung und Instandhaltung von Flugzeugen die Entscheidung, die ungeheuer umfangreichen Dokumentationen über den Verbau oder Austausch einzelner Teile, die Routen und den Treibstoffverbrauch in ein Digital Ledger zu packen, nicht nur für eine drastische Reduktion von Papier sorgen. Das Ablegen dieser oft von Sensoren erzeugten Daten in einer digitalen und fälschungssicheren Form würde auch die Nachweispflichten in der Branche sehr viel besser erfüllen als die raumfüllenden Papierarchive und zudem Möglichkeiten schaffen, den Flottenverbrauch zu optimieren, wie es in einem Beitrag der Funkschau heißt.
In solchen und ähnlichen Szenarien ist es nicht unwahrscheinlich, dass DLT-Anwendungen perspektivisch eher zur Lösung der weltweiten Energieprobleme beitragen und nicht nur ein Teil des Problems bleiben. Denn DLT ist noch immer eine vergleichsweise junge Technologie, die sich mit neuen Use Cases und Anwenderunternehmen weiterentwickeln wird – möglicherweise in Richtung einer grünen Blockchain. Aber das gilt für alle modernen Technologien, die allesamt ihren Nutzen, ihre Benutzerfreundlichkeit und ihr Sicherheitsniveau beweisen müssen – und längst auch schon ihre Nachhaltigkeit.
Die soziale Komponente von DLT
Das vom deutschen Bundestag 2021 beschlossene Lieferkettengesetz (offizieller Name: „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“) verfolgt das Ziel, den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten zu verbessern. Dazu gehört unter anderem die Beachtung der Verbote von Kinder- und Zwangsarbeit. Unternehmen, die in globalen Wirtschaftssystemen mit Dienstleistern und Lieferanten zusammenarbeiten, müssen dafür Sorge tragen, dass in ihren Lieferketten die Menschenrechte gewahrt werden.
Die Distributed-Ledger-Technologie kann dabei helfen: Werden Verträge und Dokumentationen über Lieferungen in einer digitalen und manipulationsfreien Umgebung gespeichert, also zum Beispiel in einer Blockchain, lässt sich das Einhalten von Sozialstandards leicht nachweisen. Das Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen mit dem neuen Jahr 2023, Daten über die Lieferkette fälschungssicher zu speichern, zu analysieren und für Kontrollgremien zugänglich zu machen. Das alles bietet DLT. In einer Blockchain lässt sich jeder einzelne Schritt der Wertschöpfung abbilden – vom Rohstoffabbau über die Verarbeitung, die Veredelung und den Transport bis hin zur Nutzung in Produkten.
Blockchain-Lösungen wie Ethereum bieten aber auch die Möglichkeit, die Einhaltung von Standards mit „Smart Contracts“ zu verknüpfen. Dabei handelt es sich um eine Art von Programmlogik, die bestimmte Aktionen automatisch mit speziellen Voraussetzungen verbindet. So kann zum Beispiel ein Smart Contract die Auszahlung eines Rechnungsbetrages an die Bedingung knüpfen, dass zuerst die Einhaltung sozialer Mindeststandards bei der Herstellung dokumentiert werden muss.
Die manipulationssichere Transparenz entlang der Lieferkette ist für die Unternehmen, die als Auftraggeber und -empfänger am Anfang und Ende einer Lieferkette stehen, selbst ein Asset. So ist es möglich, über DLT die in den ESG-Kriterien geforderte ethische Unternehmensführung lückenlos nachzuweisen – etwa über die Dokumentation der ethisch korrekten Zusammenarbeit mit Lieferanten oder auch des eigenen ethischen Verhaltens.
Spezialfall Green Bonds
Sogenannte Green Bonds investieren ausschließlich in Projekte, die nachhaltig und klimaschonend sind. Solche Anlagen waren eine Zeitlang nur über Regierungen erhältlich, werden aber längst auch schon über Banken und Unternehmen als nachhaltige Wertpapiere für private Investoren emittiert. Green Bonds immanent ist die Gefahr des Green Washings, wenn nicht lückenlos und von einem Single Source of Truth her ausgeschlossen werden kann, dass die Anleihe nicht doch irgendwo versteckt gegen ESG-Kriterien verstößt. Im Leben ohne DLT fehlten diese Nachweise und relevante Daten oft. Deswegen ist es gut, dass die Blockchain-Technologie auch hier als sehr genaue, transparente und vollständige Technologie unterstützen kann, um das Vertrauen der Anleger in die grünen Investitionsmöglichkeiten zu stärken.