Von dieser Frage bin ich persönlich betroffen, denn ich leite die Geschäfte einer Management- und Technologieberatung mit mehr als 2.000 Mitarbeitern. Wir unterstützen Unternehmen dabei, ihre Prozesse und Geschäftsmodelle mit den Möglichkeiten der Digitalisierung in Einklang zu bringen. Erst dann wird ihre Transformation erfolgreich sein. Wandel im Allgemeinen und digitaler Wandel im Speziellen ist also unser tägliches Geschäft.
Dieser Transformation unterliegt auch, was wir unter „Chef“ verstehen. Als mein Berufsleben begann, gab es davon ein anderes Verständnis als heute: mehr Hierarchie, mehr Status, weniger Kommunikation, weniger Zusammenarbeit.
Moderne Chefs entscheiden und verantworten – das hat sich seitdem nicht geändert. Aber der Weg, wie sie zu ihren Entscheidungen kommen, ist ein anderer: Hier spielt Technologie eine große Rolle, aber vor allem gehören Teamgeist und Transparenz dazu – und deutlich weniger Top-down. Ich treffe keine einsamen Entscheidungen im Eckbüro, sondern nach intensivem Austausch mit den vielen Experten, mit denen ich das Glück habe zusammenarbeiten zu dürfen.
Zweifel sind nicht nur erlaubt, sie sind wichtig
Und ich zweifle, denn auch das ist Teil meines Jobs. In dem dynamischen und komplexen Umfeld, in dem wir uns und in dem unsere Kunden sich bewegen, ist es schlicht unmöglich, alles im Voraus zu wissen. Unternehmen müssen daher in der Lage sein, existierende Annahmen anzuzweifeln, schreibt Karl Weick, Professor für Organisationspsychologie an der University of Michigan, in seinem Buch Das Unerwartete managen. Wenn sich immer alles ändert, kann auch die tägliche Arbeit nicht bleiben, wie sie ist.
Tatsächlich verhindern starre Verhaltensmuster und tradiertes Denken häufig, dass Unternehmen schnell und flexibel genug auf veränderte Marktbedingungen reagieren. Deshalb ist aus meiner Sicht die Fähigkeit, zu zweifeln und Bestehendes infrage zu stellen, eine der wichtigsten Tugenden eines Digital Leaders.
Am Ende braucht es Menschen, die entscheiden und die die Verantwortung für diese Entscheidungen übernehmen – gegenüber den eigenen Mitarbeitern, den Kunden eines Unternehmens und nicht zuletzt auch gegenüber den Eigentümern. Das ist mitunter hart, lässt sich aber nicht auf andere Schultern abwälzen.
Worauf wir gerne verzichten können, sind Chefs, die befehlen, anweisen, durchziehen. Diese „Tugenden“ ersetzen wir bei Sopra Steria Consulting durch transparente Teams, die sich selbst führen – über die Kompetenz ihrer Mitglieder. Mein Job als Chef ist es, die notwendigen Bedingungen zu schaffen, damit meine Mitarbeiter ihren Job richtig machen können.
Wir verzichten bei Sopra Steria Consulting nicht komplett auf Hierarchien, denn das würde bedeuten, dass wir auch auf Verantwortung verzichten. Führen heißt bei uns, Verantwortung zu übernehmen. In einer digitalen Welt, in der Wissen jederzeit zugänglich ist, brauchen wir Teamleads, die ihre Mitarbeiter befähigen, das Richtige zu tun, keine Selbstdarsteller und Karrieristen.
Zu meinen Aufgaben gehört es, im Rahmen unserer bestehenden Organisation nach Potenzialen für Digitalisierung zu suchen und diese Möglichkeiten zu nutzen. Wir lösen zum Beispiel Wissensilos auf und fördern den internen Transfer von Wissen. Wir testen agile Formen der Arbeitsorganisation und motivieren unsere Mitarbeiter, bewährte, aber alte Werkzeuge aus der Hand zu legen und neue auszuprobieren.
DAS alles verstehe ich unter Führung. Es ist ein sehr anspruchsvoller, verantwortungsvoller und für mich auch ein sehr erfüllender Job, der für die ambitionierten Aufgaben, die vor uns liegen, unverzichtbar ist.
Dieser Artikel ist ein Beitrag im Rahmen der Blogparade „Was wäre wenn…?“ von CompanyPirate.
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