Digitale Exzellenz
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Nachhaltigkeit, Souveränität, Cloud und wie alle drei zusammenhängen

, 8. August 2022

Fotocredit: Getty Images / Andriy Onufriyenko

Lesezeit: 8 Minuten

Nachhaltigkeit, Souveränität, Cloud und wie alle drei zusammenhängen

Cloud Computing gilt als Rückgrat der Digitalisierung. Bei der Wahl der richtigen Anbieter spielen Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit für Unternehmen eine wichtige Rolle. Christian Wrage, Vorstandsprecher von Sopra Steria, und Falk Weinreich, Geschäftsführer von OVHcloud, sprechen darüber, was Cloud-Technologien mit ökologischer Nachhaltigkeit sowie digitaler Souveränität verbindet.

Cloud Computing ist mittlerweile Technologiestandard. Gleichzeitig wird die Cloud immer häufiger in einem Atemzug mit Nachhaltigkeit genannt. Für 29 Prozent der Entscheiderinnen und Entscheider in Deutschland ist Cloud Computing die wichtigste Technologie, um das eigene Geschäft und die eigenen Leistungen auf Nachhaltigkeit zu trimmen. Darüber hinaus wird um die Cloud herum eine Debatte über Souveränität und selbstbestimmtes Handeln geführt. Mithilfe von Cloud-Lösungen sind Unternehmen beispielsweise deutlich beweglicher und schneller, was den Wechsel ihrer Kunden, ihrer Marktgebiete und ihrer Lieferanten angeht.

Anlässlich der Aktion Race to Net Zero sprach Christian Wrage mit Falk Weinreich, Geschäftsführer von OVHcloud, vor allem über die Rolle der Technologie beim Klimaschutz. Es ging aber auch um die Bedeutung von Open Source für das Innovationstempo eines Unternehmens und Souveränität als Teil unternehmerischer Nachhaltigkeit.

Christian Wrage: Die Cloud-Technologie gilt inzwischen als das Rückgrat der Digitalisierung. Kaum eine neue App auf unseren Handys, die keine Cloud nutzt. Kaum ein Unternehmen, das nicht spätestens in der Pandemie angefangen hat, auch Cloud-basierte Lösungen zu nutzen. Wann immer wir bei Zukunftsthemen über „vernetzt“ reden – sei es vernetztes Arbeiten, vernetzte Produktion, vernetzte Mobilität –, sind damit in erster Linie die Cloud und nachgelagerte Rechenzentren gemeint. Cloud-Dienste boomen, weil sie viele Vorteile bieten – meist sind sie günstiger, effizienter, leistungsstärker, innovativer. Richtig ist aber auch, dass Rechenzentren enorme Mengen an Energie verbrauchen. Wie erklärt ihr Kunden und Partnern, dass die Cloud – die ihr in eurem Falle über 33 Data Center bereitstellt – nachhaltiger als eine klassische On-Premises-Lösung ist?

Falk Weinreich: Ich verweise dabei vor allem auf drei Aspekte: Innovationen, Investitionen und die bestmögliche Nutzung vorhandener Ressourcen. Kaum ein Unternehmen kann es sich leisten, fortlaufend so in seine Rechenzentren zu investieren wie die Cloud-Betreiber.

Falk Weinreich OVHcloudTechnologische Innovationen, die die Effizienz steigern und zu mehr Nachhaltigkeit beitragen, finden daher erst sehr viel später – wenn überhaupt – ihren Weg in eine On-Premises-Umgebung.

 

Hinsichtlich der Ressourcen wiederum lohnt der Blick auf andere Lebensbereiche: Wenn wir alle allein mit unseren privaten PKW unterwegs sind, nutzen wir die Ressource Öl ineffizient im Vergleich zu Fahrgemeinschaften oder gar einem Bus im ÖPNV. Das Verhältnis der On-Premises-Lösungen zur Cloud ist ähnlich.

Christian Wrage: Schönes Bild. Ein Autofahrer würde entgegnen, dass er bei Fahrgemeinschaften oder Busfahrten immer auch Kontrolle abgeben muss. Worauf ich hinaus möchte: Ergibt sich nicht durch die Cloud-Lösungen eine große Abhängigkeit? Sascha Lobo hat vor einiger Zeit in seiner Kolumne auf Spiegel Online geschrieben, dass Digitalkonzerne einen „Kill Switch“ haben. Also die Möglichkeit, dass sie ganzen Ländern und deren Wirtschaft erheblich schaden können, indem sie ihre Dienste dort einstellen, da im Zeitalter der Cloud und der Abonnement-Geschäftsmodelle zahlreiche Programme und Geräte nur noch dann funktionieren, wenn sie Verbindung zum Unternehmensserver haben. Das klingt dann nicht sonderlich nachhaltig.

Falk Weinreich: Genau deshalb arbeiten wir von Beginn an sehr viel mit Open-Source-Lösungen. Auf diese Weise lassen sich solche Vendor-Lock-in-Effekte verhindern. Uns war und ist es sehr wichtig, dass unsere Kunden und Partner die freie Wahl haben, wo sie ihre Daten speichern, übertragen und verwalten. Jeder sollte wissen, wo die eigenen Daten liegen und wer alles darauf Zugriff hat. Im besten Falle nur der Eigentümer selbst. Das setzt ein einheitliches Regelwerk voraus, sozusagen gemeinsame Spielregeln, an die sich alle (!) halten müssen.

Deshalb sind wir Gründungsmitglied von Gaia-X und setzen uns für diese Initiative ein. Mit Bezug auf Multi- und Hybridcloud-Strategien: Jeder muss die Möglichkeit haben, den Cloud-Anbieter ohne große finanzielle oder technische Hürden wechseln zu können. Nur so kann ein fairer Cloud-Markt existieren, in dem der gesunde Wettbewerb neue Innovationen hervorbringt, von denen vor allem die Kunden profitieren.

Christian Wrage: Die EU-Kommission hat Anfang des Jahres ihren Entwurf einer neuen Verordnung zur Regelung des gerechten Zugangs zu und der Nutzung von Daten („Data Act“) vorgestellt. Der Data Act soll ja neben dem Data Governance Act die zweite Säule einer neuen europäischen Datenstrategie sein und unter anderem den Wechsel von Cloud-Anbietern vereinfachen. Wie beurteilt ihr diese Entwicklung?

Falk Weinreich: Diese Verordnung auf europäischer Ebene war längst überfällig und bildet einen wichtigen Baustein für einen Cloud-Markt, der von Transparenz, Wettbewerb und Innovationen lebt.

Christian Wrage: Woher kommt diese Bereitschaft, dabei so stark auf Open-Source-Lösungen zu setzen?

Falk Weinreich: Der Cloud-Markt ist einer der schnelllebigsten Märkte, die es gibt. Mit einem rasanten Tempo entstehen neue Lösungen. Wer könnte da besser am Puls der Zeit sein als die Open Source Community? Hier liegt ein unfassbar umfangreiches Wissen nicht nur von Entwicklern, sondern auch von den Nutzern selbst. Die könnten sie in Gehältern gar nicht bezahlen. Es wäre töricht, hier nicht hinzuhören, oder besser gesagt: nicht ordentlich mitzumischen.

Christian Wrage: Um auf die Weise von Innovationen zu profitieren, die dann wiederum im Idealfall der Treibstoff für den Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit sind. Wie zeigt sich das konkret in euren Rechenzentren? Wie verhält es sich zum Beispiel bei der Abwärme?

Falk Weinreich: Wir bauen gerade von Grund auf ein Rechenzentrum in Limburg an der Lahn. Die Server in unserem neuen Data Center werden wie alle anderen auch durch unser patentiertes Wasserkühlsystem gekühlt. Und weil sie als Energielieferant so wertvoll ist, nutzen wir die Abwärme unserer Server und betreiben damit unsere eigene Fußbodenheizung. Darüber hinaus wird diese Abwärme auch unseren direkten Nachbarn zur Verfügung gestellt. Da spielt also der Gedanke der Kreislaufwirtschaft mit hinein. Einen ähnlichen Ansatz verfolgen wir beim Thema der CO2-Emissionen: Unser begrüntes Dach und die begrünte Fassade filtern jährlich 830 Kilogramm CO2 aus der Luft, zudem bieten wir den Bienen ein großes Nahrungsangebot, damit stärken wir die Biodiversität. Unser langfristiges Ziel ist es, dass wir klimaneutral wirtschaften können.

Christian Wrage: Und bezogen auf die Technologie selbst, die in den Rechenzentren zum Einsatz kommt? Inwieweit besteht hier die Chance für einen Cloud-Anbieter, sich nachhaltig aufzustellen?

Falk Weinreich: Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten. Das alles steht und fällt mit der Wertschöpfungstiefe der jeweiligen Cloud-Anbieter. Ich kann da nur für uns sprechen. Wenn wir einen neuen Server bauen, sind von 100 Komponenten 34 bereits recycelt. Ein Server hat dabei eine durchschnittliche Lebensdauer von sieben Jahren, sehr bald erhöhen wir aber auch diese. Abgesehen von dem ökologischen Aspekt können wir durch nachhaltiges Engagement auch hervorragend ökonomische Vorteile ausschöpfen. Die Standortwahl spielt in dem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Über sie hat jeder Anbieter einen großen Einfluss auf die Gesamtrechnung. Welcher Ort ist beispielsweise gut an nachhaltige Energiequellen angeschlossen? Gibt es Umgebungsrisiken wie Hochwasser- oder Sturmgebiete? Nachhaltigkeit ist in Zeiten steigender Meeresspiegel und zunehmender Extremwetterereignisse auch immer eine Frage des Risikomanagements.

Christian Wrage: Das ist ein sehr spannender Aspekt. Heute kann sich keiner mehr erlauben, keine Haltung zu zeigen – allein aus Reputationsgründen.

Christian Wrage - Sopra SteriaDoch Nachhaltigkeit ist für die Unternehmen eben auch ein Business Case. Letztlich geht es immer noch um den Return on Investment. Und nachhaltiges Wirtschaften schlägt sich positiv in den Finanzkennzahlen nieder – weil die Unternehmen eben beispielsweise weniger anfällig sind für Umweltrisiken.

In einer Erhebung geht der Indexanbieter S&P Global davon aus, dass zwei Drittel der Unternehmen des S&P 500 über Anlagegüter verfügen, die in den kommenden Jahren durch die Folgen des Klimawandels bedroht sind. Lieber Falk, ich danke dir vielmals für den interessanten Austausch! Gibt es noch etwas, was du unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtest?

Falk Weinreich: Ebenfalls vielen Dank! An die Leserinnen und Leser kann ich nur appellieren: Macht keine faulen Kompromisse bei euren Daten, denn die gehören nur euch!

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Zusätzliche Informationen der Redaktion Digitale Exzellenz

Im Rahmen einer strategischen Partnerschaft haben Sopra Steria und OVHcloud ein gemeinsames Service-Angebot entwickelt, um die digitale Souveränität von Unternehmen und öffentlicher Verwaltung in Europa zu stärken.

Das Race-to-Net-Zero-Team ist in zwei Elektrofahrzeugen von Hamburg nach Paris gefahren. Alle Informationen zur Aktion gibt es auf unserer Website. Mehr zu den ehrgeizigen Nachhaltigkeitszielen von Sopra Steria gibt es hier zum Nachlesen.

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