44 Prozent der Entscheiderinnen und Entscheider in der verarbeitenden Industrie gehen davon aus, dass Unternehmen ohne datenbasierte Angebote nicht überleben werden. Das ergibt der Managementkompass Survey „Daten nutzen“ von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut. Die Autobauer befinden sich hier in einer vermeintlich guten Ausgangslage, denn Daten gibt es genug. 600 Gigabyte Daten produziert ein modernes Auto pro Tag.
Diesen „Driver Seat“ gilt es allerdings nun in Geschäftsideen und Umsätze zu verwandeln. Dafür müssen diese Daten, die bislang nur den fahrzeugeigenen Systemen zur Verfügung standen und beispielsweise die automatische Steuerung des Scheibenwischers bei Regen übernommen haben, das Fahrzeug verlassen. Gelingt das, haben OEM im Umfeld Connected Car die Chance, Kunden abseits von PS, Hubraum und Sicherheit zu begeistern und sich diese Begeisterung auch bezahlen zu lassen.
Diese Form der Datenwertschöpfung wird als Umsatzstandbein dringend gebraucht. Mit der Elektromobilität sinken die Eintrittsbarrieren in den Automobilmarkt. Nachdem jahrzehntelang kaum ein Unternehmen den Versuch unternommen hat, eine eigene neue Car-Company aufzubauen, erhöht sich seit 2003 der Druck auf die Branchen immens. Tesla hat sich seitdem zu einem der umsatzstärksten und profitabelsten Autobauer entwickelt, sagen jüngste Geschäftszahlen. In Asien trumpft China BYD Automobiles groß auf. Marken wie NIO, XPeng, Polestar sind heute ebenfalls keine Exoten mehr im globalen Automotive-Sektor.
Mehrwerte durch Daten sind gefragt
Diese Firmen bedienen gezielt die veränderten Erwartungen der Kunden. Reibungsloser Service, Verbindung zum Internet und personalisierte datenbasierte Dienste sind die neuen Kauf- und Nutzungskriterien. Das lukrative Service-Geschäft der Automobilbranche verliert dagegen durch die teile- und wartungsärmere Elektromobilität an Bedeutung. Es braucht somit neue Ertragsquellen.
Eine lautet Digital Aftersales: Hersteller können beispielsweise Funktionen on-demand freischalten und das Fahrzeug durch zusätzliche Upgrades aufwerten. Nicht jeder Fahrer benötigt sämtliche Funktionen eines Fahrzeugs. Der Bedarf wandelt sich im Laufe der Zeit. Fahrerinnen und Fahrer können, preislich abgestuft, verschiedene Features an und abbestellen. Warum sollten sie beispielsweise die Sitzheizung nicht im Sommer ferngesteuert deaktivieren lassen und für diesen Service Wärme nur dann bezahlen, wenn sie tatsächlich nutzen? Technisch ist das machbar.
Die Wertschöpfungskette der Hersteller wird durch solche bestellbaren Funktionen und Features deutlich verlängert. Zudem erhalten die Fahrzeuge durch Upgrades über ihre Lebensdauer hinweg immer neue Services und Funktionen– beispielsweise neue Fahrassistenten, Medien-Angebote oder erweiterte Navigationslösungen, die noch besser bei der Parkplatzsuche oder dem Auffinden der nächsten Ladesäule unterstützen.
Software als Geschäftsmodell
Das Geschäftsmodell der Automobilhersteller wandelt sich damit grundlegend: Nicht mehr der Verkauf des Fahrzeugs und die Wartung sind die Ertragsbringer. Die Umsätze werden vielmehr mit der Software erzielt und über ein digitales Ökosystem, in dem die Kunden mithilfe von Digital Aftersales ihre eigene Wunschkonfiguration erstellen, anpassen und bei Bedarf auf andere Fahrzeuge übertragen können oder sich zusätzliche Services abrufen.
Was bei den OEM funktioniert, lässt sich dabei durchaus auf Zuliefersparten und weitere Bereiche des verarbeitenden Gewerbes übertragen. Bis 2027 erwarten 41 Prozent der befragten Industrieunternehmen, dass datenbasierte Geschäfte zehn bis 25 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen werden. Zwölf Prozent gehen von einem Anteil von mehr als 25 und bis zu 50 Prozent aus. An einer Kompletttransformation mit mehr als 75 und in der Spitze sogar 100 Prozent Umsatzanteil durch datenbasierte Services arbeiten drei Prozent der Unternehmen. Das alles passiert in einer Branche, die ihr Geld in der Vergangenheit fast ausschließlich mit dem Verkauf der Hardware verdient hat.
Vom B2B- und B2C-Business zum D2C-Geschäft
Speziell bei den Automobilherstellern wandelt sich das Geschäftsmodell noch in anderer Hinsicht: Es entsteht ein D2C-Business – ein Direct-to-Consumer-Geschäft. Bislang dominiert im Automotive-Sektor ein indirektes Vertriebsmodell. Die Händler verkaufen die Fahrzeuge, die von den OEM produziert worden sind. Den direkten Kontakt zwischen Herstellern und Kunden gab und gibt es in der Regel nicht. Viele Daten verbleiben im Fahrzeug und werden allenfalls bei Wartungsterminen abgerufen.
Mit dem Aufbau von Digital-Aftersales-Angeboten und dem Austausch der Daten zwischen Fahrzeug und allen Ökosystempartnern ändert sich das. Die OEM erfahren viel mehr über das Verhalten, Vorlieben und die Wünsche und Bedürfnisse der Endkunden. Mit dieser Datengrundlage können sie exakte Nutzerprofile und personalisierte Services entwickeln. Mithilfe digitaler Plattformen können die Automobilhersteller eine neue Customer Journey errichten und diese steuern – von der Online-Konfiguration des Fahrzeugs und der Bestellung über digitale Kanäle bis hin zur späteren Konfiguration und Steuerung per Smartphone sowie der Bereitstellung zusätzlicher Upgrades und Services.
Auf die IT-Architektur kommt es an
Diese Geschäftsmodelltransformation erfordert IT-Anpassungen sowie digitale Prozesse. 76 Prozent der Befragten im verarbeitenden Gewerbe arbeiten derzeit noch daran und sehen auf diesem Gebiet noch einen großen Handlungsbedarf. Die genannten neuen Car Companies sind hier schon weiter und verfügen über eine integrierte und zentralisierte IT-Architektur – innerhalb des Fahrzeugs und darüber hinaus.
Um es vereinfacht zu sagen: Der Computer zum Sammeln der Daten und Steuern der Funktionen wird nicht in das Fahrzeug hineingebaut. Vielmehr wird das Fahrzeug um den Computer herum konstruiert. Alle Daten werden zentral gesammelt, verarbeitet und per Cloud Computing weiterverarbeitet und mit anderen Datenquellen abgeglichen.
Bei einem klassischen Fahrzeug werden die Daten des Regensensors an den Scheibenwischer übermittelt, damit dieser bei Regen die Sicht freihält. Bei einem Connected Car werden die Daten des Regensensors mit anderen Daten in der Cloud verknüpft, lassen sich mithilfe von Künstlicher Intelligenz auslesen und zur Bereitstellung innovativer Services im Digital Aftersales nutzen.
Lesetipp: Managementkompass „Daten nutzen“:
Sopra Steria und das F.A.Z.-Institut widmen dem komplexen Thema Daten nutzen einen kompletten Managementkompass. In unserem Magazin erhalten Entscheiderinnen und Entscheider weitere Impulse und Beispiele, wie Unternehmen und Behörden Daten in Mehrwerte verwandeln.
Den Managementkompass „Daten nutzen“ finden Sie zum Herunterladen auf unserer Website.