Dass Unternehmen die Natur als Vorbild zum Lösen wirtschaftlicher Probleme heranziehen, ist nicht neu. Der Klettverschluss wurde beispielsweise nach dem Vorbild der Klette konstruiert, der Bewegungsablauf der Vögel stand Modell für die Erfindung der Fliegerei. Banken wollen dem nacheifern. Die Erkenntnisse über natürliche Ökosysteme wollen die Institute auf digitale Netzwerke übertragen. Das Ziel sind neue Geschäftsmodelle. Hier zunächst die gar nicht einmal so trockene Theorie.
Die Auslöser, warum Banken Biologie studieren, sind bekannt: veränderte Kundenerwartungen durch neue Technologien, Fintechs sowie disruptive Effekte durch Internetkonzerne. Alle drei Entwicklungen bedrohen die klassischen Geschäftsmodelle der Banken und Sparkassen. Branchenexperten fordern daher Kreditinstitute seit langen auf, sich neu aufzustellen und in vernetzten digitalen Ökosystemen zu denken.
Inspiration durch natürliche Ökosysteme
Wer im Biologieunterricht aufgepasst hat, weiß sicherlich noch, dass es sich bei Ökosystemen um sehr komplexe Beziehungsgefüge zwischen einer Lebensgemeinschaft (Biozönose) und ihrem Lebensraum (Biotop) handelt. Beispiele sind Seen und Wälder. Forscher nennen unter anderem folgende Aspekte, die Ökosysteme auszeichnen:
- Offenheit
- Selbstorganisation und -regulation
- Interaktion
- Gleichgewicht
- Veränderung und Anpassung
- Gliederung in Schichten
Inspiriert durch ihre natürlichen Vorbilder, lassen sich digitale Ökosysteme definieren. Diese sozio-technischen Netzwerke werden durch formale Verträge und gegenseitige Abhängigkeiten zusammengehalten. Zu den sozialen Bestandteilen zählen vernetzte Akteure. Das können Personen sein wie bestimmte Kunden, aber auch ganze Organisationen wie technische Dienstleister, branchenfremde Partner, Entwicklungsplattformen oder Datenlieferanten. Technisch bestehen digitale Ökosysteme aus digital vorliegenden Daten, Online-Plattformen und Schlüsseltechnologien. Zudem zeichnet sie ein kundenzentrierter Fokus aus.
Vorschau: Lessons Learned von branchenfremden etablierten Ökosystemen
Experten und Entscheider von Kreditinstituten sind sich grundsätzlich einig, dass sich in digitalen Ökosystemen große Chancen zur Weiterentwicklung der traditionellen Geschäftsmodelle verbergen. Das ist es dann aber auch schon. Konkrete Ansätze im Finanzsektor stecken noch in den Kinderschuhen und werden vom Kunden kaum wahrgenommen.
Die Tech-Branche ist hier einmal mehr ein Stück weiter: Die digitalen Ökosysteme der US-amerikanischen Technologiekonzerne Apple, Google, Facebook und Amazon gelten bereits als etabliert. Apple hat zum Beispiel ein Ökosystem erschaffen, in dem jede Komponente zur anderen passt. Das digitale Leben eines Apple-Nutzers besteht also zu 100 Prozent aus Apple-Produkten – so zumindest die Grundidee. Dem digitalen Ökosystem fehlt jedoch ein ganz wichtiger Aspekt: Offenheit. Google und Amazon öffnen sich dagegen ganz bewusst für Akteure, die sich schnell und einfach an das Universum andocken können.
Banken stecken noch in der Findungsphase. Sie forschen gerade, welche Rolle sie in einem digitalen Ökosystem spielen können, ob sie selbst Zentrum dieser offenen Gebilde sein wollen oder ob sie sich in anderen Ökosystemen platzieren möchten.
In einem der kommenden Blogposts geht es um die Praxis: konkret darum, was Kreditinstitute von den Pionieren digitaler Ökosysteme lernen können und welche praktischen Ansätze einzelne Institute bereits verfolgen.
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