Digitale Exzellenz
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Vom Drahtesel zum Smartrad: Das wurde aus dem Connected Bike

, 14. Oktober 2020

Lesezeit: 5 Minuten

Vom Drahtesel zum Smartrad: Das wurde aus dem Connected Bike

Ein Betriebssystem nicht auf Rädern? Nein: für Räder: Vor vier Jahren klang das Connected Bike hier im Digitale Exzellenz nach einem vielversprechenden Konzept. Wir checken in einer Rückschau anlässlich unseres fünfjährigen Blogjubiläums, ob damit das Rad tatsächlich neu erfunden wurde.

„Schon heute“, aber das heißt angesichts einer Bosch-Studie von 2019 auch schon wieder „gestern“, sind auf deutschen Straßen rund 4,5 Millionen E-Bikes unterwegs. Der Marktanteil am Gesamtfahrradmarkt beträgt demnach 23,5 Prozent, knapp jedes vierte in Deutschland verkaufte Zweirad hatte also vor einem Jahr schon einen E-Antrieb. Einer aktuellen Statistik des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) zufolge ist sogar schon jedes dritte Rad elektrifiziert.

Ein E-Bike ist allerdings nicht gleichzusetzen mit einem Connected Bike. Doch genau über diesen vernetzten Fahrräder schrieb Andreas Schmidt, Alumnus von Sopra Steria und heute Geschäftsführer Informationstechnologie des in der offenen Kinder- und Jugendarbeit tätigen „Internationalen Bundes“ (IB), im Blog Digitale Exzellenz im Juni 2016. Es ging weniger um Strom für den Antrieb der Räder als um das (damals erste) Betriebssystem für einen Drahtesel: OpenBike. Das befand sich zu der Zeit noch in der Entwicklung, ab 2017 wollten die Macher aus San Francisco dafür in die Pedale treten.

Vier Jahre später fährt das Projekt allerdings nur noch im Leerlauf. „Die etwa 6.000 Jahre alte Urform des Rades“, heißt es in einem Blogbeitrag, wenn auch in etwas anderem Zusammenhang, „wird durch die Digitalisierung vorerst nicht neu erfunden.“

OpenBike fährt nur noch im Leerlauf

Dabei ist die Idee nicht einmal schlecht, die sich unter der Bezeichnung „Connected Bike“ in die Welt verbreitete. „Es setzt im Vergleich zu separat verbauter Digitaltechnik wie elektronische Federdämpfer auf Vernetzung“, hieß es damals. „OpenBike ist wie Windows und OSX eine zentrale Kommunikationsoberfläche sowie Strom- und Datenverteiler für weitere Bauteile und Anwendungen (Apps), die das Radfahren digitaler machen sollen. Praktische Dinge für mehr Sicherheit, wie Bremslichter für Fahrräder, lassen sich über OpenBike umsetzen. Eine Cloud-Verbindung soll für den Zugang zu Internet sorgen.“

Heute spricht man allerdings weniger über eine Cloud-Verbindung des Rades ins Internet, obwohl das sicher mehr Sinn ergeben würde als noch vor vier Jahren. Immerhin steht heute mit 5G eine superschnelle Kommunikationstechnologie in den Startlöchern, die für die notwendige Konnektivität und Performance sorgen könnte. Aber heute konzentriert sich das vernetzte Rad eher auf den Edge, jene Technologie, die am Gerät selbst, am Rad also, verbaut ist und sinnvolle Dienste leistet – ohne Cloud oder zumindest ohne permanente Cloud-Verbindung.

Die Revolution findet statt – in der Nische

Die Revolution findet heute dann doch eher in der Nische statt. Zum Beispiel in der „Fahrradhelmindustrie“, die uns über vernetzte Kopfbedeckungen in „S-M (54-58 cm)“ bzw. „M-L (58-61 cm)“ plus Smartphone-App mit diversen Vitaldaten des Rades, mit GPS-Daten über die nächste Route oder mit einem Crash-Sensor über den demnächst möglicherweise bevorstehenden Unfall versorgen möchte.

Und auch andere moderne Technologien setzen eher auf die Nahfeldkommunikation mit dem Individualrad seines Besitzers als auf flächendeckende Vernetzung: Das von der mutmaßlich „Fahrradschlossindustrie“ genannten Branche angebotene intelligente Fahrradschloss jedenfalls schützt vor Ort mit Warntönen und ebenfalls über eine Smartphone-App vor Diebstahl.

Zukünftig soll es dann noch vernetzter zugehen: Ein am Rahmen verbautes Gerät funkt mobil Mobilfunknetz Informationen direkt in die Cloud. Wird ein Rad gestohlen, wird die Cloud permanent mit GPS-Daten gefüttert. Die Polizei kann die Daten abrufen, was der Aufklärungsrate extrem zu Gute kommen soll, schreiben die Autoren dieses Fahrrad-Blogs.

Andere Anwendungsfälle, die sich ebenfalls noch durchsetzen müssen, sind Assistenzsysteme wie beim Auto sowie Predictive Maintenance. Sensoren melden sich zum Beispiel bei extremen Lenkbewegungen oder Schräglagen oder bevor Bauteile verschlissen sind.

Das Connected Bike könnte sich dennoch durchsetzen

Das Thema Connected Bike sollte man also nicht beerdigen. Mag es 2016 noch mit großen Versprechungen und entsprechend großen Erwartungen gestartet und zwischendrin etwas in der Versenkung verschwunden sein: Egal, dieses Schicksal teilt es im Sinne des Gartner Hype Cycles mit vielen anderen, um nicht zu sagen, mit jeder anderen Technologie(n).

Diese Phasen gehören zum Lebenszyklus eines Produkts, und erst danach wird sich entscheiden, ob es aus dem Tal der Tränen entkommen kann und für die Zukunft taugt. Die technischen Rahmenbedingungen dafür, die Cloud, Edge-Technologien und mit 5G eine auf jeden Fall leistungsfähige Netztechnologie, sind erfüllt.

Jetzt muss es darum gehen, den leicht überholten Konzepten eines Connected Bikes neues Leben einzuhauchen und Anwendungsfälle zu entwickeln, die den Fahrern oder der Verkehrsverwaltung nutzen. Wie wäre es damit: Radfahrer könnten live über verkehrs-, vor allem über Auto-arme Strecken informiert werden. Das wäre sicherer, gesünder und schöner. Sie könnten über ihre Drahtesel neuen Typs Sensordaten an den schneller fließenden Verkehr mit dem Ziel aussenden, auch dort besser geschützt zu sein. Radler könnten im Vorbeifahren selbst zu Datensammlern werden – etwa von Klima- und Wetterdaten in landschaftlich reizvollen, weil wenig autobefahrenen Gegenden. Städte könnten solche Daten für eine effizientere Infrastrukturplanung nutzen, Öko-Institute für nämliches außerhalb der Städte.

Technologie hat nie einen Wert an sich, sondern wird erst zusammen mit menschlicher Kreativität zu einem sinnvollen Angebot für unseren Alltag. Das ist beim Connected Bike nicht anders, aber jetzt sollten aus den Konzepten solche konkreten Angebote dann auch mal folgen!

Bild: Getty Images / yacobchuk