Digitale Exzellenz
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Wie nachhaltig ist eigentlich … Automatisierung?

, 20. Dezember 2022

Fotocredit: Getty Images / RB Stocker

Lesezeit: 6 Minuten

Wie nachhaltig ist eigentlich … Automatisierung?

Robotic Process Automation (RPA) ist eine Form der Automatisierung, bei der menschliche Tätigkeiten und Interaktionen durch IT ersetzt werden. So genannte Software-Roboter füllen zum Beispiel Bildschirmformulare aus oder simulieren Mausklicks. Mitarbeitende werden also von nervigen Cut-and-Paste-Arbeiten entlastet. Das klingt so, als könnte RPA damit auch einen guten Beitrag für die Nachhaltigkeitsstrategien von Unternehmen leisten. Aber wie verhält es sich mit der Ökobilanz der Software-Roboter? Wir haben die Disziplin etwas genauer unter die ESG-Lupe genommen.

RPA ist in dienstleistungsorientierten Branchen wie Banken, Versicherungen und der öffentlichen Verwaltung, aber auch in Serviceeinheiten wie zum Beispiel dem IT-Support oder dem Kundendienst mittlerweile eine erprobte Methode, die ihren Nutzen und ihre Effizienz nicht mehr beweisen muss. Das gilt zumindest für die wirtschaftliche Effizienz. Aber wie steht es um die Energieeffizienz sowie den Mehrwert für eine nachhaltige Unternehmensführung?

An diesen Nachhaltigkeitsfaktoren müssen sich Unternehmen verstärkt messen lassen. Deshalb ist es wichtig, RPA nicht nur nach der operativen Effizienz zu bewerten, sondern auch ihren Beitrag zur Erfüllung von ESG-Kriterien (Environmental Social Governance) unter die Lupe zu nehmen.

Automatisierung hilft, ökologischer zu werden

Die Digitalisierung von Prozessen ist ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Automatisierung, hilft Unternehmen aber auch dabei, ökologisch nachhaltiger zu werden. So kann zum Beispiel das automatische Verarbeiten von Rechnungen die Menge der verbrauchten Materialien – Papier, Druckertinte oder -toner – deutlich reduzieren und dabei helfen, Energie zu sparen, die für den Betrieb einer solchen Infrastruktur nötig ist.

Die Fahrt zu Unternehmenskunden für Wartungsarbeiten, ein zweites Beispiel, ist nachhaltiger, wenn sich diese Arbeiten remote ausführen oder – über vorausschauende Wartung – gleich ganz vermeiden lassen. Wie Automatisierung bei Nachhaltigkeitsprojekten konkret helfen kann, ist eine Sache strategischer Planung.

Andererseits gilt das im Grunde für jeglichen Technologieeinsatz, denn auch Automatisierung verbraucht Strom und produziert CO2-Emissionen. Was allerdings nur bedeutet, dass für die Berechnung des Return on Investment beim Einsatz von Automatisierungstechnologien nicht nur Effizienzkriterien einbezogen werden müssen, sondern auch Kennzahlen für die Nachhaltigkeit, die im besten Fall den (erhöhten) Energieeinsatz ausgleichen.

RPA hilft, Daten für Nachhaltigkeit zu nutzen

Um als Unternehmen ökologisch nachhaltig zu werden, sind Daten wichtig: Was wir nicht messen können, lautet ein oft zitierter Satz des Ökonomen Peter Drucker, das können wir nicht managen. Ich würde das nicht uneingeschränkt so stehen lassen, aber es ist, im großen Maßstab, auch nicht falsch. Um ein Unternehmen ökologisch umzubauen und nachhaltig zu betreiben, ist es natürlich wichtig zu wissen, wo die Verbraucher sitzen, welche Tätigkeiten den größten ökologischen Fußabdruck hinterlassen und wo genau sich aus dieser Analyse Einsparpotenziale ergeben.

Die riesigen Datenmengen aber, die ein digitales Unternehmen tagtäglich produziert, lassen sich nur mit Automatisierung verarbeiten – über digitale Prozesse oder den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, die diese Mengen analysiert, Abweichungen feststellt und daraus Alerts oder – im fortgeschrittenen Fall – Entscheidungsempfehlungen ableitet.

Automatisierung kann Daten entlang der gesamten Wertschöpfungskette analysieren und so helfen, im Unternehmen Potenziale für Optimierungen und Einsparungen zu identifizieren. Auch Maschinen mit Sensoren beispielsweise produzieren im Betrieb Daten, die sich von der IT auswerten lassen.

So weit zum „E“ in ESG („Environmental“).

Automatisierung und soziale Nachhaltigkeit

RPA wirkt sich allerdings auch auf das „S“ („Social“) aus, die soziale Nachhaltigkeit. RPA hat die Fähigkeit, bestimmte Tätigkeiten rund um die Uhr völlig emotionslos und ohne gesundheitliche Risiken auszuführen. Das sorgt für eine große Effizienz in der Wertschöpfung, ist aber auch mit ethischen Fragen verbunden. Den Deep Dive dazu liefert Jan Josef Marwitz in seinem Beitrag „Mensch vs. Maschine“ hier im Blog.

Um Menschen von gefährlichen, schmutzigen oder monotonen Tätigkeiten zu entlasten, sind (Software-)Roboter im Grunde zwingend notwendig. Sie leisten einen wertvollen Beitrag zum „S“ in den ESG-Kriterien für Nachhaltigkeit, also für den sozialverträglichen Einsatz von Technologien. Indem Beschäftigten mehr Zeit für anspruchsvollere Arbeit bleibt, sinkt Befragungen der Krankenkassen zufolge das Risiko psychischer Erkrankungen, die etwa durch monotone Arbeit begünstigt werden können. Das ist nicht nur sozial, sondern auch effizient, weil es Fehlzeiten senkt.

Allerdings müssen Unternehmen auch berücksichtigen, dass bei der RPA-Einführung einzelne Tätigkeiten schlicht verloren gehen. Diese Verluste müssen gemanagt werden – über Sozialpläne oder (besser) über interne Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen. Das so genannte Preskilling, also eine Vorqualifizierung, kann solche Veränderungen bereits auffangen, bevor sie eingeführt werden, und der Wechsel zu neuen Aufgaben ist über Umschulungen („Reskilling“) oder das Erweitern vorhandener Qualifikationen („Upskilling“) möglich.

Die negativen Effekte von Automatisierung sollten somit in jeder Kosten-Nutzen-Rechnung auftauchen und so weit wie möglich vermieden, ausgeglichen und abgemildert werden – nicht nur im Sinne der betroffenen Mitarbeitenden, sondern auch der Automatisierung wegen: Wenn die Belegschaft die neuen Technologien nicht oder nur halbherzig annimmt, werden sich die positiven Effekte auf Produktivität und wirtschaftliche Effizienz nicht einstellen.

Automatisierung und unternehmerische Nachhaltigkeit

Deutlich schwieriger wird es, umfassend zu bewerten, wie unternehmerisch nachhaltig Automatisierung ist. Das „G“ in ESG („Governance“) bedeutet eine ethisch einwandfreie Unternehmensführung und -kultur. Das ist nicht gerade konkret formuliert. Bei Banken lässt sich das beispielsweise an ihrer Risikokultur und ihrem Risikohunger ablesen, umfasst aber auch bei jedem Unternehmen ganz banale Dinge wie die gesellschaftlich-moralische Verpflichtung zur Zahlung der Steuern und Abgaben.

In diesen konkreten Punkten kann RPA einen nützlichen Beitrag leisten. Software-Roboter können bei Risikomanagern Alarm schlagen, wenn ein Anlage- oder Kreditportfolio einen festgelegten Risiko-Score überschreitet. Oder wenn Zahlungen automatisiert und damit pünktlich und immer zuverlässig bei ihrem Empfänger eintreffen und keine manuellen Prozesse sie verzögern, dann zahlt das aufs Konto der unternehmerischen Nachhaltigkeit ein.

Das Blatt wendet sich jedoch, wenn Automatisierung selbst zum Risiko für die Governance eines Unternehmens wird. Das kann z. B. der Fall sein, wenn Automatisierung zu Diskriminierung führt und Entscheidungen intransparent sind. Der Fall Cambridge Analytics ist wahrscheinlich so ein Beispiel, bei dem Daten automatisiert zu einem Zweck eingesetzt wurden, der gegen moralisch-ethische Grundsätze des Datenhändlers verstieß – also von Meta, damals Facebook. Unterstellt man Facebook keine böse Absicht, dann wollte das Unternehmen nicht, dass mit den Daten politisch Einfluss auf Wahlkämpfe genommen wird. Gleichwohl liegt es in der Verantwortung des Unternehmens, dass durch Daten und ihre automatisierte Auswertung Nachhaltigkeitsgrundsätze nicht verletzt werden.

RPA, ESG, olé, olé!

Automatisierung und ihr Teilgebiet Robotic Process Automation führen Unternehmen in einer möglichst durchgängig digitalisierten Prozesslandschaft zu mehr Nachhaltigkeit bei allen drei ESG-Kriterien – sofern sie denn mit ihren Auswirkungen aktiv entwickelt und gemanagt wird. Wenn Automatisierung nicht nur menschliche Fähigkeiten für andere Aufgaben freisetzt, sondern auch finanzielle Mittel, dann kann sie Nachhaltigkeit auch in innovativen Projekten fördern. Das ist mehr als ein Seiteneffekt, weil es der Umwelt hilft, aber auch dem Unternehmen selbst, seine Reputation und seine Attraktivität bei allen Stakeholdergruppen zu verbessern.