Der Mobilfunkstandard 5G wird nicht zu 100 Prozent flächendeckend in Deutschland zur Verfügung stehen. Dafür haben die Art der Versteigerung der Frequenzen und der Zuschnitt der Pflichten zum Netzausbau gesorgt. Diese zielen mehr auf eine Haushalts- statt auf eine Flächenabdeckung. Dabei gibt es auf dem Land diverse Anwendungsgebiete für 5G, die genauso wichtig sind wie vollvernetzte Fabriken und Smart Cities.
Wirtschaftsverbände hätten sich nach den Erfahrungen mit 3G und LTE womöglich ein anderes Verfahren zur Vergabe der 5G-Frequenzen gewünscht – eines, bei dem die Regierung die Verantwortung für den Netzausbau und den Betrieb nicht einfach auf die Telekommunikationsbranche abwälzt, sondern die speziellen digitalen Fortschrittsbedürfnisse sämtlicher Wirtschaftsbereiche und der öffentlichen Interessen stärker berücksichtigt. Ob mit dem gewählten Vorgehen Alle von 5G im gleichen Maße profitieren werden, ist fraglich: Denn Wirtschaftsunternehmen wie Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica agieren nun mal anders als der Staat. So müssen Netzbetreiber erst die Gelder für den Ausbau erwirtschaften oder bei Investoren einsammeln. Je höher aber Frequenzausgaben sind, desto schwieriger wird es, den Ausbau zu finanzieren. Je geringer der Spielraum, desto größer der Margendruck.
Dazu kommt: In 5G-Netzarchitekturen sind unterschiedliche Zuschnitte möglich, individuell angepasst an die Anforderungen der Anwender und an das verfügbare Budget vor Ort. Industriegebiete verlangen sicherlich sehr engmaschige Netze mit hohen Bandbreiten, wichtige Verkehrswege benötigen hingegen schnellere Netze (der Fokus liegt dann auf kürzeren Antwortzeiten bei hoher Zuverlässigkeit) oder für Produktionsstätten werden individuelle Netz errichtet, bei dem eine Vielzahl von Geräten und Menschen gleichzeitig miteinander arbeiten und kommunizieren. Eine Aufrüstung der bestehenden Funkmasten genügt daher nicht. Kurz: Es sind größere Investitionen notwendig.
Man braucht also kein großer Prophet sein, um zu erraten, dass vorzugsweise erstmal wieder in den Ballungsräumen und Industrieregionen investiert wird. Dies liegt nicht nur an der Art der Versteigerung, sondern eben auch an den kurzfristig verfügbaren Frequenzen, die im ersten Schritt keine Flächendeckung zulassen. Ländliche Gegenden müssen daher noch warten oder gehen vielleicht sogar leer aus.
Mehr 5G braucht das „Land“
Doch warum sollten nicht auch die zitierten „Milchkannen“ smarter werden? In der Landwirtschaft bieten sich vielerlei Einsatzmöglichkeiten für 5G-Netze. Eine autonome Bewirtschaftung von Feldern ist schon heute möglich: Mähdrescher, die in Echtzeit mit dem Traktor kommunizieren und ihm Standort und Füllstand mitteilen, oder Sensoren, die den Fütterungsstand von Nutztieren überwachen und einem Futterroboter sagen, wann er zum nächsten Silo fahren, um so die passende Ration für Kühe oder Schweine zusammenzustellen. Alles natürlich zugeschnitten auf das Alter und Gewicht der Tiere. Der Landwirt bekommt nur noch eine die Meldung und kann eingreifen, wenn Handlungsbedarf entsteht.
Das Ganze hat einen enormen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen: Es kann nachhaltiger und präziser gewirtschaftet werden. Viele dieser Anwendungen lassen sich bereits mit der 4G-Technologie umsetzen. Allerdings ist selbst LTE nicht flächendeckend verfügbar. Mit dem 5G-Netzwerk der kommenden Generation lassen sich zudem 100-mal schnellere Bandbreiten realisieren. Damit lässt sich die Automatisierung landwirtschaftlicher Standardprozesse weiter vorantreiben – von der Feldpflege, Anbau und Ernte über die Tierhaltung bis zum Thema Gewässerüberwachung.
In der medizinischen Versorgung auf dem Land, einem der großen gesellschaftlichen Themen, spielt der flächendeckende Ausbau von 4G- und 5G-Netzen ebenfalls eine tragende Rolle. Durch den stärkeren Einsatz von Telemedizin bieten sich enorme Chancen, Gesundheitsversorgung über große Entfernungen zu unterstützen und sicherzustellen. Möglich sind Diagnosen, Monitoring von Vitaldaten und Online-Sprechstunden. Selbst Operationen via Computer und Roboter, bei denen sich Ärzte und Patienten an unterschiedlichen Orten befinden, sind in Zukunft durchaus denkbar. All das krankt noch an analogen Strukturen. Klar, vieles davon braucht nicht zwingend 5G, dafür aber die Flächenabdeckung, die keinesfalls gesichert ist. Die großen Bandbreiten und kurzen Latenzzeiten sind wichtig und notwendig, um künftig Präzisionsmedizin auch aufs Land zu bringen.
Gleiches gilt für den Erhalt der regionalen oder kommunalen Infrastruktur. Getragen durch den demografischen Wandel, dünnen viele Kommunen ihr Angebot aus, um Kosten zu sparen. Mit der entsprechenden Technologie und Flächenversorgung mit 5G-Technik könnte der öffentliche Nahverkehr mit führerlosen Schienenfahrzeugen oder Bussen sinnvoll ergänzt und nachhaltig profitabler werden. Der öffentliche Nahverkehr fährt dann sozusagen nur nach Bedarf und App-Bestellung: Ride on-demand. Denn langsames Internet gilt nach wie vor als Turbo der Urbanisierung und Landflucht, wohingegen neue Technologien im 5G-Kontext gerade auch auf dem Land als Wirtschaftsmotor dienen.
Lösung: National Roaming oder Frequenz-Sharing?
Welche Lösung die Zukunft bringt, um dem Problem Herr zu werden, muss sich nun zeigen. Derzeit gibt es verschiedene Ansätze, die diskutiert werden. Um beispielsweise den Netzausbau zu finanzieren beziehungsweise den Ausbauprozess zu beschleunigen, bietet sich für bislang nicht versorgte Gebiete ein nationales Roaming an. So baut nur ein Netzbetreiber in einer (unterversorgten) Region die Infrastruktur auf, die von anderen Telekommunikationsanbietern gegen eine entsprechende Gebühr genutzt werden kann. Einer baut, mehrere nutzen: Sharing Economy lässt grüßen! So gesehen, hat bereits Telefónica im Zuge der Fusion mit E-Plus und der damit verbundenen Zusammenführung ihrer LTE-, UMTS- und GSM-Netze ab Januar 2016 schrittweise ein nationales Roaming aktiviert.
Ein nationales oder lokales Roaming-Konzept bringt allerdings auch einen wesentlichen Nachteil mit sich: Denn beim Roaming kommt es wiederkehrend zum Netzwechsel, dass die Nutzung von Internetdiensten teilweise unterbricht. Dies erhöht die Latenzzeiten und läuft den Vorteilen von 5G zuwider. Folglich bietet es sich an, dass Mobilfunkbetreiber ihre Sendeanlagen oder Frequenzen ebenso untereinander teilen. Der Vorteil eines „Infrastructure Sharing mit Frequenz-Spooling“ ist in der flexibleren Aufteilung von bestehenden Ressourcen zu sehen. Unabhängig des Mobilfunkbetreibers könnten die bestehende, aber auch zukünftigen Basisstationen so gebündelt werden, dass zu jeder Nutzerkennung eine getunnelte Verbindung geschaffen wird, die nach außen hin wahrnimmt, als ob wir im Netz des eigenen Providers surfen – egal, ob wir nun Kunde bei Vodafone, Telekom oder Telefónica sind. Man darf gespannt sein, welche Lösung sich durchsetzt und wie sich 5G in der Fläche ausbreiten wird.
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