Eine junge US-Amerikanerin startet auf TikTok und Instagram durch – ausgerechnet mit Videos über eine Tabellenkalkulation. Mit ihren Clips erreicht Kat Norton, die sich in den sozialen Netzwerken „Miss Excel“ und „Chief Excel Officer“ nennt, Hunderttausende von Followern und Millionen von Views. Wir wollten mehr wissen und finden, dass Arbeitgeber in puncto HR und Employee Experience von ihr lernen können.
Was mit der privaten Präsentation von Hobbys und anderen Vorlieben in den sozialen Medien begann, hat sich längst zu einem lukrativen Geschäftsmodell entwickelt. Selbsternannte Stilikonen erklären naheliegenderweise Consumer-Produkte aus Kosmetik, Mode oder Lifestyle, denn damit lassen sich leicht Reichweite und Einfluss generieren. Aber Excel?
Demnächst reich und berühmt: Miss Excel
Die 27-jährige Kat Norton, die eigentlich aus New York City stammt, jetzt aber mehr oder weniger in den sozialen Netzwerken des Internets zuhause ist, produziert mit ihrem „Kat Content“ tatsächlich Videos zu Microsoft-Tabellenkalkulationssoftware – auch heute noch, um Marketing für ihre Kurse auf der Lernplattform Thinkific zu machen.
Ursprünglich hat Kat Norton bei einer Beratungsfirma gearbeitet, die auch Schulungen anbietet, und hätte diesen Job sicher auch noch einige Zeit weitergemacht. Dann kam Corona, und die Schulungen wurden eingestellt. Also nutzte die spätere Miss Excel ihre freie Zeit dafür, sich mit der Befreiung von negativen Glaubenssätzen zu beschäftigen. Nach eigenem Bekunden manifestierte sich dabei der Gedanke, dass sie bald reich und berühmt sein würde.
Erfolgsgarant Tabellenkalkulation
Mit diesem Gedanken und ausgerüstet mit ihren Qualifikationen auf dem Gebiet der Tabellenkalkulation startete sie im Juni 2020 ihre TikTok-Karriere – entgegen allen eigentlich vernünftigen Argumenten gegen einen solch kühnen Plan und ungeachtet ihres für Influencer schon recht fortgeschrittenen Alters.
Ihr bisher erfolgreichster Clip wurde mehr als 5,4 Millionen Mal angeschaut und kassierte über 500.000 Likes – zwei der wichtigsten Währungen des Influencer-Zeitalters. In dem 14-Sekunden-Video zeigt sie, wie man in noch kürzerer Zeit Spalten und Zeilen in Excel so formatiert, dass die Werte in ihnen sichtbar sind und nicht mit #### nur angedeutet werden.
Das klingt so langweilig, wie es ist, aber mit dem richtigen Outfit und dem passenden Beat ist das bei Miss Excel tatsächlich kurzweilig – und informativ. Mittlerweile hat die selbsternannte CEO („Chief Excel Officer“) rund 585.000 Follower auf ihrem Instagram-Kanal und mehr als 750.000 Anhänger bei TikTok. Nicht nur für angehende Influencer ist der Erfolg von Interesse. Auch Unternehmen und andere Organisationen können manches daraus lernen. Schließlich ist es gerade in einer zunehmend digitalisierten Welt wichtig, die eigenen Beschäftigten klug anzusprechen – damit sie nicht die Lust am Unternehmen verlieren.
Mit der Reichweite sprudeln auch die Werbeumsätze: Mit ihren Excel-Clips verdient Kat heute mitunter sechsstellige Beträge – pro Tag. Und als ob das noch nicht genug wäre, reist sie heute mit ihrem Partner um die Welt und arbeitet als Digital Nomad nur noch rund 15 Stunden die Woche.
Gelüftete Geschäftsgeheimnisse
Das Rezept dahinter ist im Grunde recht simpel: Kat profitiert davon, dass mehr oder weniger fast jeder Mensch früher oder später in seinem Leben mit einer Tabellenkalkulation konfrontiert ist – in der Schule, der Ausbildung oder dem Studium und natürlich im Berufsleben. Und weil Lifehacks sowieso gerade gut funktionieren, erfreuen sich diese vielen Menschen auch an den hilfreichen Inhalten.
Aber es ist nicht nur der Inhalt, sondern auch die Art der Darbietung: Die junge US-Amerikanerin präsentiert ihr Wissen in kurzen Videos, die die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne von wenigen Sekunden nicht überstrapazieren, und vermittelt überdies Shortcuts, neue Funktionen und das normalerweise eher dröge Erstellen von Formeln oft singend und tanzend. Ihr USP dabei ist, dass sie damit tatsächlich sehr informative Videos produziert, mit echtem praktischem Nutzen. Offensichtlich und zur Überraschung aller trifft sie damit exakt den Nerv ihrer Follower, die sich gerne von kurzen, einfachen, unerwarteten, konkreten und emotionalen Informationen fesseln lassen, für die die Fachsprache auch schon einen Begriff hat: „Sticky Content“, Inhalte, an denen man kleben bleibt.
Ein neues Verständnis der Erwartungshaltung
Was können Unternehmen nun davon lernen? Einiges. Gar nicht einmal operativ, sondern strategisch. Im Recruiting geht es darum, den Erwartungshaltungen von Kandidatinnen und Kandidaten sowie Mitarbeitenden immer wieder neu entgegenzukommen. Arbeitgeber sind somit ebenfalls gefordert, „Sticky Content“ zu produzieren – oder vielmehr „Sticky Tasks“ und „Sticky Processes“. Es geht um Aufgaben und Abläufe, an denen die Beschäftigten buchstäblich hängen bleiben wie an den Videos von Miss Excel – weil sie Spaß machen, für Abwechslung sorgen oder einen einfach das machen lassen, was einem wichtig ist und nicht aufhält.
Dafür müssen Unternehmen bereit sein, sich zu wandeln, neue Arbeitsweisen einzuführen. Den HR-Abteilungen kommt bei alledem eine Schlüsselrolle zu, indem sie durch den Einsatz neuer Technologien und das smarte Nutzen von Daten lernen zu verstehen, welche Bedürfnisse die Beschäftigten wirklich haben und welche Prozesse der Employee Experience eher abträglich sind. Human Experience Management (HXM) setzt genau da an. Gemeinsam mit weiteren internen Stabs- oder Corporate-Funktionen wie der IT und der Kommunikation sowie dem Office Management arbeitet die Personalabteilung dabei tagtäglich an der positiven Arbeitserfahrung. Das reicht vom Onboarding-Prozess über den täglichen Workflow bis hin zum Skilling.
Zu oft ziehen sich Organisationen auf den Standpunkt zurück, dass dies oder jenes eben gemacht werden müsse – ganz so, als sei die schlechte Erfahrung fest verknüpft mit der Aufgabe oder Tätigkeit, um die es geht. Miss Excel zeigt, dass dem in Zeiten der Digitalisierung nicht so ist, wenn sich Menschen sogar für ein Thema wie die Tabellenkalkulation begeistern lassen. Bleibt zum Schluss also nur noch zu fragen: Welcher Job, welche Aufgabe, welcher Prozess soll in Ihrem Unternehmen zum „Sticky Content“ werden? Es muss ja nicht eine TikTok-Influencerin sein, die per Video erklärt, wie man das Passwort zurücksetzt. Vielleicht reicht hierfür als Anfang ein Bot in Kombination mit einer RPA-Lösung.