Die Blockchain-Technologie ist mittlerweile ein Milliarden-Markt. Erste Unternehmen erleben allerdings gerade eine kleine Ernüchterung. Sie erkennen, dass eine Unternehmensblockchain am Ende doch zentral gemanagt wird, sie weiterhin das Monitoring übernehmen müssen, und die Daten sind weiterhin anfällig für Manipulationen. Diese Katerstimmung lässt sich allerdings vermeiden.
Wer erfolgreich eine „Blockchain“ – die zugangsbeschränkte Private Blockchain oder die frei zugängliche Variante (Public Blockchain) entwickeln und im Unternehmen implementieren will, sollte sich auf die Gründe seiner Entstehungsgeschichte besinnen und die folgenden Punkte berücksichtigen.
Vertrauen, wo früher keines war
Unternehmen sollten wissen, wofür die Distributed Ledger Technology (DLT) geschaffen wurde, welche Probleme die Technologie löst und dann prüfen, ob der eigene Fall zur selben Problemsorte zählt. Der große Mehrwert einer Blockchain ist, dass Personen und Organisationen Geschäfte abwickeln und Werte austauschen, ohne dass die Beteiligten sich kennen und ein gewisses Vertrauen vorhanden ist. Das Vertrauen ist ausschlaggebend. Die Transaktionen werden mit sämtlichen Teilnehmern im Netzwerk geteilt und sind unter gewissen Konditionen einsehbar und irreversibel. Bei Blockchain geht es somit um Transaktionen oder Statusveränderungen von Assets, die sicher und nachvollziehbar in einer Blockchain abgelegt werden.
Blockchain ist nur so sicher wie das Netzwerk selbst
Unabhängig davon ob es sich um eine öffentliche oder private Blockchain handelt, ist es ein Irrtum zu glauben, dass dezentrale Netzwerke nicht von einer Einheit kontrolliert und verfälscht werden können. Wichtig für die praktische Anwendung der DLT-Technologie ist eine homogene Verteilung und kritische Masse an Teilnehmern.
Denn die Sicherheit eines DLT-Netzwerkes ist abhängig von der Anzahl und Verteilung der Teilnehmer (Nodes). Besitzt ein Teilnehmer oder ein Konsortium aus mehreren Teilnehmern mehr als 51 Prozent eines DLT-Netzwerkes, besteht die Möglichkeit, historische Einträge zu ändern, neue falsche Transaktionen zu bestätigen und die Transaktionen anderer Teilnehmer zu verhindern.
Diese Problematik zeigt, dass DLT-Netzwerke bei wenigen Teilnehmern nicht oder nur bedingt das Vertrauensproblem lösen können. Deutlich wird dies am öffentlichen EOS Netzwerk, das im Juni 2018 das Netzwerk für sechs Stunden pausierte, um 27 Benutzerkonten einzufrieren. Für den Fall von privater Business-Blockchain-Anwendungen entschärft sich die 51-Prozent-Attacke durch das bestehende Vertrauen in die Geschäftspartner. Das heißt, bei drei Teilnehmern reicht es, dass ein Teilnehmer den Betrug mit unterstützt. Bei zehn Teilnehmern müssten vier weitere Teilnehmer den Betrug mit unterstützen.
Das leidige Problem der Skalierung
Eine wichtige Entscheidung ist die Wahl des Konsensusverfahrens. Denn mit steigender Nutzerzahl eines P2P-Netzwerkes tritt das Skalierungsproblem auf. Das gilt ebenso für eine Blockchain mit dem Konsensusverfahren als größten Einflussfaktor auf Schnelligkeit und Genauigkeit eines Netzwerkes. Letztere stehen in konträrer Beziehung zueinander. Beispielsweise werden im klassischen Proof-of-Work-(PoW-)Verfahren von Bitcoin Informationen zur gleichen Zeit an sämtliche Teilnehmer versendet. Hierbei erreichen aktuelle Blockchains mit hybriden-PoW Verfahren durchaus 1.000 Transkationen pro Sekunde bei relativ hoher Genauigkeit. Für den Kreditkartenanbieter Visa mit 60.000 Finanztransaktionen pro Sekunde wäre das PoW-Verfahren allerdings nicht geeignet.
Mit Infragestellung des Paradigmas, dass alle Teilnehmer zur gleichen Zeit die gleichen Informationen besitzen müssen, entwickeln sich neue Architekturmöglichkeiten und laufend effizientere Konsensusverfahren. Eine Möglichkeit zur Entlastung der „Mainchain“ ist die Nutzung von sogenannten validierten Transaktionskanälen (Sidechannels) zwischen zwei Teilnehmern, sobald diese mehrere Transaktionen durchführen wollen.
Eine weitere Option bietet das Sharding, bei dem mehrere Transaktionen durch verteilte Rechenkapazitäten verarbeitet werden. Ein aufkommender Trend ist die Verwendung von Directed Acyclic Graphs (DAG) zur Lösung des Skalierungsproblems. Bei diesen werden Informationen exponentiell im Netzwerk verteilt und nachträglich durch die Teilnehmer validiert, mit der Zeit als Dimension. Auf diese Weise sind mehrere Millionen Transaktionen pro Sekunde möglich. Deren Genauigkeit wächst innerhalb kürzester Zeit – eine Eigenschaft, die selbst hochfrequentierte Plattformen in den Schatten stellt.
Nicht zu klein denken: Blockchain zum World Wide Ledger ausbauen
Erfolgreich sind diejenigen, die groß denken. Dies gilt umso mehr für Unternehmen auf der Suche nach einem passenden Geschäftsmodells für die Blockchain. Wenn einzelne Abteilungen an ihrem eigenen kleinen Use Case basteln, wird das nicht funktionieren. Da die Masse der Teilnehmer eine Notwendigkeit eines Netzwerkes darstellt, eignen sich Konsortien, wie beispielsweise das R3CEV aus den 70 größten Finanzinstituten. Zusätzlich sollte der Kunde den größten Nutzen im Netzwerk verspüren und nicht nur ein weiterer Teilnehmer sein.
Oder am besten noch größer denken. Die Bedeutung von DLT ist klar zu verstehen, wenn Unternehmen sie als ein neues Internet Protokoll sehen: Dann wird DLT zu einem World Wide Ledger mit einer eindeutigen und wahren Historie für jegliche Assets. Das Startup Holochain macht sich diesen Vorteil zu Nutze, indem es bereits DAG-Netzwerke in die Wohnungen von Privatpersonen bringt und jedem die Möglichkeit bietet, eigene dezentrale Applikationen zu entwickeln, die heutige Plattformen ersetzen können. Wer somit die Technologie versteht und willkommen heißt, bekommt die Chance menschliche Beziehungen und Geschäftsmodelle zu verändern.
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