Digitale Exzellenz
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Wie Quantencomputer das Geschäftsmodell der Versicherer auf den Kopf stellen

, 7. März 2022

Fotocredit: Getty Images / Westend61

Lesezeit: 5 Minuten

Wie Quantencomputer das Geschäftsmodell der Versicherer auf den Kopf stellen

Von leistungsstarker Risikomodellierung bis hin zur Neuausrichtung des eigenen Geschäftsmodells: Der Einsatz von Quantencomputern dürfte die Arbeit vieler Versicherer verändern. Doch während die innovative Technologie eine Vielzahl von Vorteilen mit sich bringt, so stellt sie die Unternehmen der Branche zugleich auch vor völlig neue Herausforderungen.

Mit jedem Grad, den sich die Luft erwärmt, kann sie auch rund 7 Prozent mehr Wasser aufnehmen. Was manch einer noch als Clausius-Clapeyron-Gleichung aus dem Physik-Unterricht in der Schulzeit erinnern mag, ist für die Versicherer heutzutage eine sehr wesentliche Formel geworden, wenn es um die künftige Entwicklung des eigenen Geschäftsmodells geht.  Denn mit der Erderwärmung und der damit einhergehenden weltweiten Veränderung des Klimas könnte es in Zukunft sehr viel mehr Starkregenereignisse geben – und damit neue Risiken für Versicherer. Swiss Re schätzt beispielsweise, dass die wetterbedingten Versicherungsschäden allein in den Industriestaaten bis 2040 um bis zu 64 Prozent zulegen könnten. Für Deutschland sagt das Unternehmen einem tagesschau-Bericht zufolge sogar ein Plus von 90 Prozent voraus.

Extreme Natur- und Wetterphänomene stellen die Branche dabei gleich in zweierlei Hinsicht vor Herausforderungen. Um Versicherungsprämien optimal zu bestimmen, müssen die Versicherer lernen, die sich dynamisch veränderte Risikolandschaft bestmöglich zu bewerten. Gleichzeitig ist es für die Versicherer jedoch auch unerlässlich, die eigene Investmentstrategie neu zu durchdenken und Klimarisiken für das eigene Portfolio zu ermitteln. Sie stehen also vor der Frage, wie sich Risiken an den Finanzmärkten besser einpreisen lassen, wenn Wirbelstürme, Brände und Hochwasser im zunehmende Maße physische Anlagegüter bedrohen.

Die Technologie, die den Versicherern in beiden Fällen helfen könnte, ist das Quantencomputing. In unserer Potenzialanalyse Quantencomputing gaben 62 Prozent der befragten Unternehmen aus dem Bereich der Finanzdienstleistungen denn auch an, dass die Technologie Wirtschaft und Gesellschaft auf lange Sicht verändern werde. 65 Prozent der Finanzdienstleister versprechen sich von ihr sogar Chancen für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Fest steht: Das Quantencomputing verspricht eine Zeitenwende für die Versicherer – und könnte ihr Geschäftsmodell sogar grundsätzlich auf den Kopf stellen.

Potenzialanalyse-Quantencomputing

Sopra Steria hat mit dem F.A.Z.-Institut für die Potenzialanalyse Quantencomputing 158 Fach- und Führungskräfte befragt. Die Teilnehmenden gaben Auskunft zu ihren Vorbereitungen für die Nutzung von Quantencomputing und ihrer Erwartungshaltung im Hinblick auf diese Technologie.

Vom Schadensabwickler zum vorsorgenden Berater

Während herkömmliche Computer mit einer Abfolge von Bits arbeiten, die entweder 1 und 0 sein können, machen sich Entwickler bei Quantencomputern die sogenannten Quantenzustände zunutze. Bei ihnen handelt es sich um die mathematische Einheit einer Wahrscheinlichkeitsverteilung, die das Ergebnis einer jeden möglichen Messung in einem System haben kann. Das macht auch die Besonderheit von Quantencomputern aus und macht ihren Einsatz besonders dort sinnvoll, wo komplexe Optimierungsfragen zu lösen sind.

Risikomodelle von Versicherern (oder auch von Banken) umfassen eine Vielzahl von Variablen. Mit jeder von ihnen steigt einerseits die Prognoseleistung, andererseits nimmt jedoch auch die Dauer zu, die es braucht, derartig komplexe Modelle durchzurechnen. Quantencomputer könnten diese Rechendauer zum einen deutlich verkürzen und zum anderen noch mehr Variablen berücksichtigen.

Das Ergebnis wären schnellere Vorhersagemodelle, die gleichzeitig eine sehr viel größere Detailtiefe bereithielten. In der Folge könnten Versicherer das Risiko sehr viel genauer abschätzen und so durch günstigere Prämien am Markt einen echten Wettbewerbsvorteil erhalten. Mehr noch: Risiken ließen sich sogar so genau vorhersagen, dass sich mögliche Schäden von vornherein vermeiden lassen. Das Geschäftsmodell der Versicherer würde sich spätestens an dieser Stelle deutlich wandeln – weg vom passiven Dienstleister, der für entstandene Schäden eintritt, hin zu einem aktiven Berater, der vor Eintritt der Schäden seinen Kunden mit Hinweisen zur Seite steht, ihnen im Zuge dessen auch neue Dienstleistungen anbieten kann. Besonders anschaulich werden solche Anwendungsszenarien, wenn man sich beispielsweise den Agrarsektor vorstellt. Die Folgen des Klimawandels stellen nur wenige Bereiche vor so große Herausforderungen wie die Landwirtschaft. Auch die Industrie wäre gerade durch die Hinzunahme vom Internet der Dinge ein möglicher Anwendungsbereich für Versicherungslösungen, die mehr auf verlässliche Vorsorge als auf Schadensregulierung ausgerichtet sind.

Neue Möglichkeiten bei der Preisgestaltung

Die Risikoberechnung ist jedoch nur ein Aspekt. Tatsächlich kann das Quantencomputing für Versicherer auch in anderer Hinsicht äußerst hilfreich sein. So steigt mit der Digitalisierung doch auch der Bedarf an maßgeschneiderten Produkten. Die einstige Standardisierung und der One-size-fits-it-all-Ansatz vieler Versicherer entspricht oftmals nicht mehr der Erwartungshaltung der Kunden. Die Alternative dazu sind Versicherungsprodukte, die sich in verschiedenster Weise kombinieren und modifizieren lassen – also eine extreme Modularisierung von Versicherungsprodukten.

Welches Produkt in welcher Weise jedoch zu welchem Kundentyp passt, ist eine jener Optimierungsaufgaben, die als Paradedisziplin des Quantencomputings gelten und klassische Computer heillos überfordern würden. Versicherer bekämen also die Möglichkeit, Produkte in sehr viel kleinere Bestandteile als bislang zu zerlegen und in immer wieder neuen Formen zu kombinieren. Das Ergebnis: Mehr Kundenzufriedenheit, mehr Wettbewerbsfähigkeit – und idealerweise auch höhere Margen.  Die Technologie kann ebenso im Bereich der Betrugserkennung unterstützen, indem sie die gleichzeitige Auswertung von gewaltigen Datenmengen ermöglicht.

Managementkompass Quantencomputer

Weitere nützliche Informationen für Manager über das Thema Quantencomputer, Insight zur Entwicklung und zur kommerziellen Nutzung lesen Sie im Managementkompass Quantencomputing von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut.