Digitale Exzellenz
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Open Government – Nimmt Deutschland endlich Fahrt auf?

, 17. September 2018

Lesezeit: 5 Minuten

Open Government – Nimmt Deutschland endlich Fahrt auf?

Mehr als jeder dritte Entscheider in der öffentlichen Verwaltung plant erstmals Investitionen in Open Government. Das ergibt der Branchenkompass Public Services 2018 und ist gegenüber des bisherigen Engagements eine deutliche Steigerung. Warum dies erfreulich und dringend nötig ist, versucht dieser Artikel aufzuzeigen.

Open Government steht für offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln und umfasst drei Handlungsfelder:

  • Förderung von Transparenz
  • Stärkung der Bürgerbeteiligung
  • Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft

Transparenz und Vertrauen, Bereitschaft und Möglichkeit zur Partizipation und Kollaboration sind wesentliche Voraussetzungen für eine werteorientierte und nutzerzentrierte Gestaltung der digitalen Gesellschaft. Open Government schafft diese Voraussetzungen.

Deutschland macht sich auf den Weg

Mittlerweile wird das von vielen Entscheidern in der Verwaltung verstanden. Der Branchenkompass 2018 zeigt: Open Government steht auf der „digitalen Prioritätenliste“. 37 Prozent der Befragten planen erste Investitionen. Im Vergleich zum bisherigen Engagement (15 Prozent) eine signifikante Steigerung. Deutschland macht sich auf den Weg der Umsetzung von Open Government.

Und das ist dringend nötig

Nicht nur die grundsätzliche Relevanz von Open Government ist erkannt, sondern gleichermaßen der große Aufholbedarf Deutschlands auch bei diesem Digitalthema. Investitionen auf drei Gebieten sind dringend nötig:

  • Open Data
    für mehr Transparenz
  • E-Partizipation
    zur Stärkung der Bürgerbeteiligung
  • Neue Formen der Zusammenarbeit
    mit der Zivilgesellschaft

Open Data

Offene Verwaltungsdaten sind fundamental für Open Government, und es ist zwingend erforderlich, dass der öffentliche Sektor seine Daten als Open Data bereitstellt. Wer keine Daten hat, kann keine Informationen ableiten. Wer über keine Informationen verfügt, kann sich keine Meinung bilden, kein Wissen erlangen und keine Innovation entwickeln.

Die freie Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von Daten ist damit Voraussetzung für Transparenz, Beteiligung und Zusammenarbeit. Hier wurde in der jüngeren Vergangenheit einiges auf den Weg gebracht: 2017 verabschiedete der Bundestag eine Änderung des E-Government-Gesetzes und verpflichtete die unmittelbare Bundesverwaltung, spätestens ab 13. Juli 2018 elektronisch erhobene Daten standardmäßig als Open Data („Open by Default“) bereitzustellen: entgeltfrei, frei zugänglich, maschinenlesbar. In einigen Bundesländern gibt es ähnliche Gesetze, in anderen sind sie in Vorbereitung. Zudem gibt es diverse Projekte und Initiativen zu Open Data in allen Ländern und vielen Kommunen. Die Portale GovData und mCLOUD bieten Kataloge von bereits öffentlich verfügbaren Datensätzen an – vom Fahrzeugbestand im Kreis Kleve, über die Flächenentwicklungsplanung zu Offshore-Windparks und Stromleitungen bis zu digitalen Basis-Landschaftsmodellen.

Bevor Deutschland ein wirkliches Open-Data-Land sein wird, dauert es allerdings. Die Umsetzung von „Open by Default“ in tradierten, eher geschlossenen Strukturen und Arbeitsprozessen stellt einen Paradigmenwechsel dar und damit besondere Anforderungen an die Verwaltung. Diesen gerecht zu werden erfordert Investitionen in die Schaffung von Strukturen für die Datenbereitstellung, ein initiales Datenscreening, die Erstellung und Etablierung eines Publikations- und Pflegekonzepts oder die Einführung von Daten-Monitoring. Für die Bundesverwaltung schätzt die Bundesregierung den einmaligen Erfüllungsaufwand auf 16,7 Mio., den laufenden auf jährlich 787.000 Euro.

E-Partizipation

Den Alltag der Menschen prägen heute digitale Plattformen, Vernetzung und nutzerzentrierte Dienstleistungen. Diese Erfahrung übertragen sie auf ihre Erwartungen an Politik und Verwaltung. Sie wollen mitreden und sich wirksam in Entscheidungs- und Meinungsbildungsprozesse (z.B. Bürgerdialoge der Bundesregierung) oder die Planung von Vorhaben (z.B. zur Stadtentwicklung) einbringen.

Auch die Verwaltung profitiert von mehr Partizipation: Sie kann Wissen, Ideen und Erfahrung der Bürgerinnen und Bürger nutzen, um u.a. die Qualität von Arbeitsergebnissen und die Akzeptanz von Entscheiden zu steigern, Vertrauen zu stärken und Konflikten vorzubeugen.

E-Partizipationsverfahren sind das Mittel zur technischen Umsetzung der Beteiligung z.B. von Anwohnern, der von einer Planung Betroffenen, von NGOs und Interessenvertretern.

Wie E-Partizipation innovativ gestaltet werden kann und dass sich die Investitionen lohnen, zeigen Beispiele wie „Finding Places“. In diesem Kooperationsprojekt der Stadt Hamburg mit der HafenCity Universität Hamburg wurde in Workshops mit Bürgerinnen und Bürgern anhand interaktiver Stadtmodelle („City Scopes“) nach Flächen für Flüchtlingsunterkünfte gesucht. Das Werkzeug wird nun zum digitalen Partizipationssystem DiPas für den Einsatz in der Stadtentwicklung weiterentwickelt.

Neue Formen der Zusammenarbeit

Open Government schafft neue Formen der Zusammenarbeit der Verwaltung mit der Zivilgesellschaft. Durch Online-Zusammenarbeit (E-Kollaboration) und Veranstaltungen wie „Hackathons“ werden vielfältige Kompetenzen zur Erarbeitung innovativer Lösungen gebündelt.

Die Stadt Köln erprobte z.B. „Civic Tech als neues Kollaborationsmodell“ im Projekt „OpenAir Cologne“. Gemeinsam mit dem OK Lab Köln, der TH Köln und Einwohnern wurde eine Infrastruktur zur Messung von Luftschadstoffen aufgebaut.

Ein zweites Beispiel ist die Kooperation der Stadt Münster mit „Code for Münster“, aus der schon einige Anwendungen auf Basis von Open Data der Stadt entstanden sind: u.a. zur Visualisierung und Analyse automatischer Verkehrszählungen im Stadtgebiet oder ein „Familien Dashboard“ mit relevanten Informationen zur Umgebung.

Solche Beispiele zeigen das Potenzial offener Formen der Zusammenarbeit und dass es keiner großen Investition bedarf, um diese zu üben und Quick Wins zu erzeugen.

Jetzt heißt es: Fahrt aufnehmen – und aufholen!

Die Öffnung von Staat und Verwaltung im Sinne der drei Handlungsfelder von Open Government ist eine der wesentlichen Aufgaben, denen sich der öffentliche Sektor aktuell stellen und in die er investieren muss. Viele Entscheider im Bund, in den Ländern und Kommunen haben dies verstanden. Die Verwaltung hat sich auf den Weg gemacht. Nun heißt es: Fahrt aufnehmen – und aufholen!

Foto: Getty Images / DigiPub