Digitale Exzellenz
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Kettenreaktion: Wie die Blockchain die Musikindustrie transformieren wird (Teil 1)

, 26. Oktober 2016

Lesezeit: 5 Minuten

Kettenreaktion: Wie die Blockchain die Musikindustrie transformieren wird (Teil 1)

Die Möglichkeiten der Technologie Blockchain dringt in die unterschiedlichsten Branchen vor. Sie weckt sogar die Phantasie der gebeutelten Platten-, Streaming- und Download-Industrie. Gideon Gottfried zeigt in einem zweiteiligen Gastartikel für die Blogparade Blockchain, dass in dem Konzept jede Menge Musik steckt.

Teil 1: Das technologische Fundament für die Musikrevolution

Die Musikbranche ist aktuell mit zwei Problemen konfrontiert, eines technischer, eines menschlicher Natur. Die Rede ist von einer desolaten Rechtsdatenbank auf der einen Seite und kontrollwütigen Egos auf der anderen. Im digitalen Zeitalter ist beides tödlich. Zum Glück gibt es die Blockchain.

Beginnen wir mit den Musikrechten, wovon es zwei Arten gibt: die Rechte an der Komposition sowie die Rechte an der Aufnahme. Meist sind an der Komposition sowie auch an der Aufnahme mehrere Autoren, Komponisten, Studiomusiker und die aufnehmenden Künstler beteiligt, oft werden sie von unterschiedlichen Verlagen oder Labels repräsentiert. Weil jahrzehntelang kein Wert darauf gelegt wurde, diese Daten einheitlich zu pflegen und zu archivieren, herrscht heute Chaos.

Oft ist nicht klar, wem wieviel zusteht

Dies führt dazu, dass in vielen Fällen nicht klar ist, wem die Tantiemen aus der Nutzung eines Songs zustehen. Je mehr Musiker beteiligt sind, desto komplizierter wird die Aufteilung der Tantiemen, gerade im Streaming-Zeitalter, wo wir es mit Mikrobeträgen zu tun haben (etwa 0,6 – 0,8 Cent pro Stream, je nach Quelle). Aktuell kämpfen Verwertungsgesellschaften, die im Auftrag der Künstler die Tantiemen für die Musiknutzung einsammeln, mit hunderten Milliarden Nutzungen pro Jahr.

Und für jede Nutzung gilt es herauszufinden, wer an dem Song beteiligt war, damit auch jeder sein Geld bekommt. Die Tatsache, dass oft verschiedene Versionen eines Songs existieren, verstärkt das Problem. So kommt es, das die Berechtigten manchmal Jahre auf ihre Tantiemen warten müssen.

Lizenzeinnahmen werden immer wichtiger

Die komplexe Urheber-Landschaft erschwert auch das Lizenzieren von Musik ungemein. Lizenzeinnahmen sind jedoch gerade in Zeiten schrumpfender CD-Verkäufe enorm wichtig für Musiker. Lizenzdeals mit prominenten Videospielen oder TV-Serien – sogenannte Synch-Deals – können lukrativ sein. Man kann sich jedoch vorstellen, wie müßig sich das Beschaffen der Lizenzen gestaltet, wenn niemand weiß, wer eigentlich am Song beteiligt ist. Gleichzeitig ist es für den Lizenznehmer jedoch essentiell, sämtliche Nutzungsrechte einzuholen, sonst kann es teuer werden. So schwer Rechteinhaber nämlich oftmals aufzufinden sind, wenn man Lizenzen einholen will, so schnell kommen sie aus ihren Verstecken gekrochen, wenn für unrechtmäßige Nutzung abgemahnt werden kann.

Wir haben es also mit einer komplizierten Situation bei den Urhebern zu tun. Dazu kommt ein veraltetes Abrechnungssystem, in dem Verwertungsgesellschaften sämtliche Musiknutzungen erfassen, auflisten und anhand der Liste Tantiemen an die Künstler ausschütten. Dies im digitalen Zeitalter so differenziert zu tun wie es angemessen und notwendig ist, wäre eine kaum zu bewältigende Mammutaufgabe – wenn es da nicht die Blockchain gäbe.

Smart Contracts für die Rechteinhaber

Die Blockchain ist eine dezentrale, digitale und transparente Datenbank, die in regelmäßigen Abständen sämtliche Transaktionen, die auf ihr durchgeführt werden, archiviert. Für immer. Die Blockchain kann Krypto- und Mikro-Währungen verarbeiten und in Echtzeit vom Sender zum Empfänger übermitteln. Und: Die Blockchain kann Smart Contracts lesen, automatisierte, digitale Verträge, in denen bestimmte Voraussetzungen festgelegt werden, die erfüllt werden müssen, damit eine bestimmte Aktion durchgeführt wird.

Für die Musikbranche bedeutet dies: Die Rechteinhaber eines Songs – egal wie viele davon an einem Song beteiligt sind und ob ihre Rechte beispielsweise von einem Verlag wahrgenommen werden – tragen die Namen aller Beteiligten in einen Smart Contract ein und legen fest, wer wie viel Prozent der Verkaufseinnahmen erhält. Der Vertrag legt auch fest, wie viel die Nutzung des Songs kostet. Rechteinhaber können beispielsweise festlegen, dass Privatpersonen den Song kostenlos streamen oder herunterladen dürfen, während für die kommerzielle Nutzung etwa in einem Werbespot eine Lizenzgebühr fällig wird.

Für Zwischenhändler ist kein Raum mehr

Der Song kann nur gekauft bzw. gestreamt werden, wenn der Nutzer die Vertragsbedingungen erfüllt, im einfachsten Fall also das Geld überweist. Nehmen wir an, der Stream eines Songs kostet 1 Cent. Das Geld würde automatisch vom Konto des Nutzers abgebucht und (nahezu) in Echtzeit überwiesen – ohne zunächst bei einem Kreditinstitut zwischen zu lagern, das eventuell noch Verwaltungs-, Transaktions- und Wechselkurzgebühren abzwackt. Die Blockchain lässt keinen Raum für überflüssige Zwischenhändler – zumindest nicht für solche, die keinen echten Mehrwert schaffen.

Das Geld wird automatisch so aufgeteilt, wie es der Smart Contract vorsieht, so dass sämtliche Beteiligte an dem Song ihr Geld bekommen. Eine digitale Technologie interessiert es nicht, ob 1 Cent unter 20 Musikern aufgeteilt werden muss. Eine Verwertungsgesellschaft schon, weshalb unterhalb eines bestimmten Betrags oftmals mehr Personal- und Verwaltungskosten erzeugt als Tantiemen ausgeschüttet werden. Durch die Transparenz und Archivierungsfunktion der Blockchain, sind sämtliche Transaktionen für alle Beteiligten jederzeit und für immer nachvollziehbar.

All dies funktioniert natürlich nur mit einem bereinigten Datenfundament. Und hier sind die Beteiligten der Branche gefragt, was uns zum eingangs erwähnten Problem Nummer zwei führt: Egos im Kontrollwahn. Mit denen beschäftigen wir uns dann im zweiten Teil.

Foto: Getty Images / Konstantin Kirillov