Mit dem Onlinezugangsgesetz werden für das E-Government in Deutschland neue Maßstäbe gesetzt. Alle Dienste der öffentlichen Verwaltung sollen bis 2022 online angeboten werden. Doch was bedeutet alles? Alles, was onlinefähig ist? Alles, was geeignet ist? Die öffentliche Verwaltung sollte hier weniger grübeln und mutiger werden. Der Bürger freut sich über jede Erleichterung. Ein Gastbeitrag von Martina Knierim, Unternehmensberaterin und Expertin für Digital Government-Themen.
E-Government funktioniert auch für die Leistungen, für die man auch künftig die Behörde vor Ort aufsuchen muss. Beispiel: die Beantragung eines Personalausweises oder Reisepasses. Es wird auf absehbare Zeit nicht möglich sein, dass Bürger diesen Service komplett online erledigen können. Dafür ist dieser Vorgang aus Sicherheitsgesichtspunkten viel zu sensibel. Die Vor-Ort-Überprüfung der Identität des Antragsstellers durch einen Behördenmitarbeiter ist wichtig, um Identitätsmissbrauch vorzubeugen. Sicherheit ist auch ein Asset, das die öffentliche Verwaltung nicht aufgeben darf. Rund 70 Prozent der Deutschen sehen ihre personenbezogenen Daten bei den Behörden in guten Händen, zeigt das European Digital Government Barometer von Sopra Steria und IPSOS.
Dass bestimmte Arbeitsschritte im Prozess auch in Zukunft die physische Präsenz der Bürger in den Ämtern erfordert, bedeutet allerdings nicht, dass die Leistung per se nicht digitalisierbar ist und zu den Akten gelegt werden sollte. Auch Teilprozesse lassen sich elektronisch abbilden.
So digital könnte die Beantragung eines Reisepasses ablaufen:
1. Antrag ausfüllen
Der Bürger füllt den Antrag zuhause online aus. Im Vorfeld wurde er bereits darüber informiert, dass er seinen Ausweis verlängern muss. Schon ein erster Mehrwert, denn damit fällt ihm vor der Reise nicht siedend heiß ein, dass das Dokument nicht mehr gültig ist.
2. Bild erstellen
Das Passbild kann der Bürger bei heutiger Kameratechnik ohne Probleme selbst erstellen. Die Behörde unterstützt ihn mit einer Software, die ihm sagt, ob das Foto die Anforderungen in puncto Biometrie erfüllt. Bislang läuft alles digital.
3. Fingerabdrücke hinterlegen
Nun kommt ein nötiger Wechsel in die analoge Welt. Der Bürger vereinbart online einen Termin mit einer Behörde – was vielfach schon hervorragend funktioniert – schaut kurz dort vorbei und gibt seine Fingerabdrücke. Die Wartezeiten sind minimal, da schon alle Informationen zuvor online übermittelt wurden und im System hinterlegt sind.
4. Reisepass erstellen
Der Pass wird in der Bundesdruckerei produziert, der Bürger kann den aktuellen Stand der Bearbeitung per E-Mail oder App verfolgen, analog einer Sendungsverfolgung im Onlinehandel. Das schafft Transparenz, und der Bürger hängt nicht in der Luft, wann der Ausweis fertig ist.
5. Fertigen Reisepass abholen/zusenden
Sobald der Pass in der Behörde eingetroffen ist, erhält der Bürger eine Nachricht und holt sein Dokument persönlich ab. Alternativ lässt er sich den Ausweis über eine sichere Zustellung per Post zusenden.
6. Elektronische Identität erstellen
Zum Schluss kann der Bürger seine elektronische Identität direkt auf das Handy laden. Lästiges Abtippen der Daten entfällt damit künftig.
Ähnlich lässt sich auch die elektronische Steuererklärung weiter vereinfachen. Die Finanzverwaltung kann beispielsweise mit Arbeitgebern gemeinsam Wege finden, dass Daten nicht mehr von A nach B abgetippt werden müssen. Ziel sollte es sein, dass der Steuerpflichtige lediglich bestätigt, dass die Daten elektronisch an die Finanzbehörde übermittelt werden und nur noch fehlende Angaben ergänzt. Belege wie die Rechnung vom Handwerker fotografiert der Bürger mit dem Smartphone ab und lädt sie auf den Server der Finanzverwaltung hoch.
Das sind zwei Beispiele, wie E-Government auch in Teilbereichen nutzerorientiert funktionieren kann – es muss nicht gleich die Volldigitalisierung sein. Ich bin sicher, diese Liste mit Beispielen lässt sich noch viel weiter fortführen.
Foto: Getty Images / Greyfebruary