Warum sollen Unternehmen eigentlich datengetrieben und agil arbeiten? Die Antwort: Weil der Kunde es so erwartet, und es gibt einen Vorteil: Durch datengetriebene Agilität werden die schwammigen Begriffe Kundenorientierung und Customer Centricity greif- und messbar und damit operationalisierbar.
Eine grobe Formel für Kundenorientierung lautet: Dem Kunden zur richtigen Zeit, am richtigen Ort das richtige Produkt bieten. Dahinter steckt viel Forschungsarbeit für die Unternehmen. Das Gute: Durch die Digitalisierung wirtschaftlicher Prozesse hinterlässt der Kunde Spuren und liefert Informationen im Netz, die sich viel leichter auswerten und weiterverarbeiten lassen. Wünsche, Präferenzen liegen nicht mehr nur in Form von Erfahrungen eines Verkäufers aus Offline-Gesprächen vor, sondern in Likes, Sternchen-Bewertungen und Klicks. Das gleiche gilt für Kauforte, Gewohnheiten sowie Lesezeiten von Newslettern und digitalen Katalogen.
All diese Daten müssen nicht erst übersetzt werden, damit sie über komplizierte Wege in die Produktentwicklung fließen. Das funktioniert automatisiert und häufig in Echtzeit. Ausgeklügelte Tests geben Aufschluss auf optimale Timings für die Kundenansprache und darüber, welche Produktvarianten und Verkaufskanäle gefragt sind. Zwei Beispiele:
- Kunden von Online-Optiker Mr. Spex benötigen beispielsweise nur etwa alle drei Jahre eine neue Brille. Über eine datengetriebene und agile Arbeitsweise erhöht das Unternehmen die Wahrscheinlichkeit, diesen Zeitpunkt nicht zu verpassen.
- Automobilhersteller können aus den angeklickten Ausstattungsmerkmalen ihres Car Configurators errechnen, welche Varianten besonders gefragt sind und daran ihre Produktion anpassen.
Schwierigere Perspektivwechsel: Reisebegleiter des Kunden werden
Die Teilnehmer an unserer Studie „Datengetriebene Agilität“ bestätigen, dass die Herstellung einer übergreifenden Sicht durch die Kundenbrille nicht einfach ist. Datengetriebene Arbeitsweisen erleichtern die Arbeit an der Herausforderung. Die befragten Unternehmen nannten mehrheitlich die Analyse der Customer Journey als wichtiges Instrument dafür. So können sie Interaktionen zwischen sich und den Kunden exakt nachvollziehen und an wechselnde Anforderungen anpassen.
Online, offline und den Kunden integrieren
Die Herausforderung für mehr Agilität im Sinne des Kunden besteht darin, die weiterhin nötigen analogen Prozesse und die digitale Welt zu verknüpfen. Banken üben sich zum Beispiel verstärkt darin, diese Omnikanalintegration zu meistern. Diese Institute schaffen es, dass ihre Kunden einen unterwegs auf dem Smartphone begonnenen Kreditantragsprozess in einem Beratungsgespräch in einer Bankfiliale fortführen und anschließend zu Hause abschließen können.
Agile Unternehmen sorgen zudem dafür, dass ihre Kunden Teil der digitalen Prozesse werden. Sie übernehmen Aufgaben, die zuvor von den Mitarbeitern des Unternehmens durchgeführt wurden – beispielsweise die Verwaltung der Stammdaten, Auskünfte über Verträge und Bestellungen sowie das Bereitstellen von Retouren-Dokumenten.
Für die Integration des Kunden nutzen traditionelle Unternehmen meist den klassischen Kundenfeedbackbogen. Für ausgesuchte Kunden kommen auch Ideen- bzw. Innovationslabore, Kundenbeiräte, Fokusgruppen und Stammtische zum Einsatz. Die Erkenntnisse hieraus zu verwerten, lässt sich in der Regel nur mit starker Verzögerung umsetzen. Ansätze wie die Entwicklung von Prototypen und Personas sorgen für mehr Agilität. Kunden erhalten beispielsweise von datengetriebe-agilen Unternehmen so genannte Minimum Viable-Products, probieren diese aus, und das Feedback fließt unmittelbar in die Weiterentwicklung des Prototypen ein.
Auch Kollegen können Kunden sein
Die genannten Ansätze, wie datengetriebene Agilität die Kundenorientierung steigern kann, lassen sich ohne weiteres auf die Mitarbeiter- und Lieferantenorientierung übertragen. Die Studie zeigt, dass Unternehmen auf diesem Gebiet bereits über größere Erfahrungen verfügen. Datengetriebene agile Vorgehensweisen sollten sowohl auf externe als auch für interne Kunden und Partnerunternehmen angewendet werden. Ein Konzept mit den drei Phasen Build, Measure und Learn von Silicon-Valley-Unternehmer Eric Ries stellen wir in einem gesonderten Blogbeitrag vor.
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