Digitale Exzellenz
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What’s Your Edge, deutsche Wirtschaft? Daten sind es (nicht)

, 4. Januar 2021

Lesezeit: 6 Minuten

What’s Your Edge, deutsche Wirtschaft? Daten sind es (nicht)

Wer Daten geschickt für neue Geschäftsmodelle, bessere Prognosen und eine personalisierte Kundenansprache nutzt, verschafft sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. In Deutschland ist das flächendeckend noch nicht der Fall, räumen Entscheider selbst im Rahmen einer Umfrage zum Thema „What’s your Edge?“ ein. Aber das ist nicht unbedingt ein Problem.

Experten sprechen seit einigen Jahren über den Wert von Daten für die Wertschöpfung von Unternehmen. So schreibt zum Beispiel das Online-Magazin „Big Data Insider“ über die Ergebnisse einer Studie der Log-, Monitoring- und Reporting-Plattform Splunk: „Eine anspruchsvolle Datenstrategie hat positive Auswirkungen und führt zu mehr Umsatz, geringeren Betriebskosten, mehr Innovation, schnelleren Markteinführungen sowie besserer Kundenzufriedenheit und -Loyalität.“ Mit der wachsenden Verbreitung von Künstlicher Intelligenz als der gleichsam höchsten, nämlich intelligenten Form von Datennutzung sollte die Bedeutung der Datennutzung für das Geschäft eigentlich noch wachsen, wenn das überhaupt möglich ist.

Die Realität sieht anders aus: Business Intelligence und die damit verbundene Datenwertschöpfung bilden nur das Schlusslicht der Tabelle der am häufigsten ins Feld geführten Stärken im Markt. Das ergibt eine repräsentative Umfrage unter 1.000 Entscheidern zum Thema Wettbewerbsvorteil, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut Civey. Das Ergebnis war in dieser Deutlichkeit nicht zu erwarten. Deshalb lohnt sich ein genauerer Blick auf die Gründe dafür.

An zu wenigen Daten liegt es nicht

Zunächst einmal vorab: An Daten fehlt es den Unternehmen nicht. Eine IDC-Studie sieht die Daten in der Gesamtheit bis 2025 auf die aberwitzige Menge von 175 Zetabyte wachsen. Das ist eine 175 gefolgt von 21 Nullen. Jedes Unternehmen auf diesem Planeten vergrößert diese Datenmenge – jeden Tag.  Ein Mangel besteht somit nicht. Unternehmen haben außerdem in der Mehrheit grundsätzlich verstanden, welchen Wert Daten haben. Bereits 2016 gaben neun von zehn Unternehmen in Deutschland an, im schnellen Sammeln und Auswerten von Daten und der Entwicklung neuer Angebote auf der Grundlage von Daten ihre wirtschaftliche Zukunft zu sehen. Dass es dennoch nicht mit der Datenwertschöpfung als Wettbewerbsvorteil klappt, muss somit andere Gründe haben. 

Teure dunkle Daten

Einer könnte sein, dass das Finden und Auswerten der richtigen Daten sehr teuer ist. Das Datenanalysehaus Splunk hat in einer Studie versucht zu erheben, wie groß der Anteil der sogenannten dunklen Daten in Unternehmen ist. Diese Daten existieren, sind aber nicht bekannt und können daher auch nicht produktiv genutzt werden. Ein Drittel der von Splunk befragten Führungskräfte ordnen 75 Prozent der Daten aus ihrem Unternehmen der Kategorie „Dark Data“ zu. Rund 60 Prozent der Teilnehmer vermuten, dass diese Daten mehr als die Hälfte der Gesamtheit ihrer Daten ausmachen. Der Anteil dieses toten Kapitals ist also enorm groß, und seine Nutzbarmachung kann schnell teuer werden: Ein heimisches Unternehmen muss pro 1.000 Terabyte jährlich 594.000 Euro aufwenden, um Daten zu speichern, die am Ende doch vielleicht irrelevant für das Geschäft sind.

Das ist kein gutes Verhältnis von Aufwand und Nutzen. Viele Unternehmen widmen sich angesichts dieses Investments beim Daten-Thema eventuell vor allem den „low hanging fruits“. Genutzt wird, was naheliegend ist und wenig Veränderung erfordert. Die Strategie mag zu Anfang richtig sein, doch auf diese Weise lassen sich keine innovativen Geschäftsmodelle oder bessere Kundenerlebnisse schaffen. Dafür benötigen Unternehmen kluge Ansätze, kluge Köpfe, und beide sind nicht günstig.

Um es mit einer Ressource aus dem vorherigen Jahrhundert zu vergleichen: Das Öl hat unzählige Innovationen befördert – sei es in der Mobilität, in weiten Teilen des produzierenden Gewerbes. Dies wäre jedoch niemals möglich gewesen, wäre es nicht gelungen, das Öl in ausreichender Menge nutzbar zu machen. Und die Entwicklung der Geschäftsmodelle und Produkte war sicherlich ähnlich investitionsintensiv.

Richtige Daten

Ein budgetschonendes Instrument ist es, mit der passenden Strategie vorzugehen: Wenn es beispielsweise nicht darum gehen kann, alle verfügbaren Daten aufzubereiten, da dies eben schnell unverhältnismäßig teuer wird, sollte es doch darum gehen, in einem strategisch angelegten Prozess die richtigen Daten zu identifizieren und die notwendige Menge gleich dazu. Nicht jede Aktivität einer Maschine ist es beispielsweise wert, aufgezeichnet zu werden, oft reichen die wichtigen Daten in festgelegten Intervallen. Und Unternehmen, die zum Beispiel die Funktionsweise ihrer Maschinen und Anlagen über einen bestimmten Zeitraum überwachen, wissen dann auch ohne kontinuierliches Monitoring, was passieren kann und passieren wird. Von Big Data im Sinne von „All Data“ spricht heute kaum noch jemand, eher von „Right Data“ und „Smart Data“. Der Lösungsweg dahin führt nur über eine strategische Betrachtung des Themas.

Zum Prozess, Erkenntnisse für Entscheidungen und Geschäftsmodelle nutzbar zu machen, gehört zudem die richtige Datenqualität. Unternehmen müssen ihre Daten kennen und in eine „saubere“ Form bringen, um sie möglichst automatisiert und granular verwenden zu können (Fitness for Use). Das betrifft alle Daten entlang der Wertschöpfungskette: Stammdaten ebenso wie Transaktionsdaten oder Daten aus der vernetzten Produktion. Verknüpfung und Transparenz sind dabei extrem wichtig: Unternehmen müssen ihre Daten aus den Silos befreien, damit sie Synergien nutzen und Daten nicht wieder und wieder neu anlegen und sammeln.

Die Umfrage zeigt: Daten spielen bereits überall mit

Also: Der erste Blick auf die Umfrageergebnisse mag ernüchternd sein. Ein zweiter Blick zeigt allerdings, dass Unternehmen bei diesem Thema gar nicht so weit zurück sind, wie es den Anschein hat: Tatsächlich sind Daten für nahezu jeden Wettbewerbsvorteil mitverantwortlich. Wie sonst könnten Unternehmen etwa die Qualität und Verfügbarkeit ihrer Produkte verbessern (Platz 2), die Kundenfokussierung (Platz 3), die Leistungsfähigkeit ihrer Services (Platz 6) oder die Preisgestaltung (Platz 11)?

Mit dieser Rangfolge erfüllen sie im Ergebnis genau das, was die bereits erwähnte Splunk-Studie über die Erfolgsfaktoren der Datennutzung zeigt: „Sie ermöglicht verbesserte Produkt- und Servicequalität (67 Prozent), höhere Mitarbeitereffizienz (62 Prozent) sowie schnellere Markteinführungen (60 Prozent).

Das ist doch ein gutes Ergebnis, wenngleich sich die Firmenlenker dieses Zusammenhangs bewusst werden müssen, damit sie in Zukunft die richtigen Investitionsentscheidungen über neue Technologien und Ertragsmodelle treffen können – und nicht nur die „low hanging fruits“ ernten, sondern auch in strategische Themen investieren, um echte Innovationen zu ermöglichen.

What’s your Edge? Diskutieren Sie mit uns über Ihre Wettbewerbsvorteile. Wie nutzen Sie Daten? Vor welchen Herausforderungen stehen Sie dabei? Wir freuen uns auf Ihre Sichtweise!

* Für die Studie hat Civey im September und Oktober 2020 insgesamt 1.000 privatwirtschaftliche Entscheider aus großen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern befragt.


Foto: Getty Images / metamorworks