Die Tagespresse kritisierte unlängst die deutschen Banken für das Scheitern ihrer Digitalisierungsprojekte. Die Schelte sollte Institute nicht entmutigen. Besonders bei der Digitalisierung von Risikosteuerung, dem Financial Reporting, Compliance und dem Aufsichtsrecht gibt es viel zu tun. Diese Projekte sollten jedoch anders angegangen werden als bisher – gemeinsam.
Vor Kurzem erschien in der F.A.Z. ein Kommentar mit dem Titel „Deutsche Banken scheitern an der Zukunft“. Besorgniserregend wurde dargestellt, wie die Digitalisierungsprojekte hierzulande scheitern, während Kreditinstitute anderer Länder eine Vorreiterposition einnehmen. Doch was genau machen auswärtige Banken anders? Der Unterschied manifestiert sich besonders in der gemeinsamen Arbeit und Umsetzungen von Projekten.
In dem genannten Artikel wird dies an Beispielen aus den Niederlanden und Schweden verdeutlicht. Die dort ansässigen Kreditinstitute haben sich zusammengeschlossen und gemeinschaftlich ein Online-Bezahlsystem gegründet, um dem US-Konzern PayPal Konkurrenz zu machen – mit Erfolg. Deutsche Banken haben es mit Paydirekt dagegen nicht geschafft, eine akzeptierte Alternative zu Paypal zu entwickeln, heißt es. Der Grund: Unter dem gemeinsamen Paydirekt-Dach gab es zu viele Einzelinitiativen statt eine gemeinsame Strategie.
Digitales Selbstvertrauen beim Thema Compliance und Reporting tanken
Banken sollten sich allerdings nicht durch Rückschläge der Vergangenheit demoralisieren lassen. Bei der Umsetzung von Regulierungsvorschriften besteht beispielsweise viel Potenzial, sich gemeinsam als Vorreiter zu positionieren. Regeln für Banken durch neue IFRS-Standards, aufsichtsrechtliche Themen und Anforderungen an das Risikomanagement nehmen immer weiter zu und führen zu einer erheblichen Belastung von Finanzinstituten. Diese Kosten lassen sich durch Digitalisierung erheblich reduzieren. Mittels Prozessautomatisierung (RPA) können beispielsweise kurzfristig Verbesserungen erzielt werden, ohne große IT- und Organisationsprojekte aufzusetzen.
Auf den Gebieten Risikosteuerung, Accounting, Compliance, Meldewesen etc. besitzen etablierte Geldinstitute fachliche Expertise, die Fintechs und Neobanken nicht vorweisen können, auf die auch sie aber dringend angewiesen sind. Denn allein mit Technologie werden sie ihren Compliance-Apparat nicht effizient steuern können. Das Gros der Experten für Bankbilanzen, Meldewesen und ähnliche Aufgaben arbeitet allerdings in der Regel in größeren Banken. Ihr Know-how können Banken nach gewonnenen Erfahrungen im eigenen Unternehmen monetarisieren, in dem sie das Fachwissen ihrer Experten den kleineren Start-up-Banken zur Verfügung stellen.
Digitalisierung von Handels- und Aufsichtsrecht: Kosten reduzieren, Qualität erhöhen
Digitalisierung in Compliance-Themen bietet Kosten und qualitative Vorteile. Eine „gute“ Compliance ist nachhaltiger. Sie kann sich, insbesondere nach Krisen, positiv auf das Neugeschäft auswirken, eine gute Kreditrisikosteuerung kann künftige Krisen eventuell sogar abwenden.
Dazu kommen langfristige internationale Wettbewerbsvorteile: Während in den USA Banken derzeit dereguliert werden, zeichnet sich ein solcher Trend in Deutschland oder Europa nicht ab. Hiesige Institute sind deshalb gefordert, Lösungen der Digitalisierung im Bereich der Regulatorik zu entwickeln, ohne wie sonst bei digitalen Innovationen auf die USA als klassischen First Mover zu warten. Dem lässt sich auch Positives abgewinnen: Durch die immer geringeren Margen im Banking ist eine Optimierung der Kostenstruktur bei diesen Themen eh zwingend notwendig. Sobald sich der Deregulierungstrend in den USA ändert, hätten europäische Banken Kostenvorteile, weil US-Banken erst nachziehen müssen. Die Investitionen in digitale Compliance-Expertise würden sich rechnen.
Gemeinsame Projekte: Mehr Expertise, weniger Kosten
Deutsche Banken sollten darüber nachdenken, den Konkurrenzkampf bei diesen Themen beiseitezulegen. Derartige Projekte lassen sich am besten von einem Bankenkonsortium gemeinsam durchführen und finanzieren. Das Interesse, beispielsweise eine kostengünstige, schnelle Bilanz zu erstellen, haben alle Banken und dabei keine Konkurrenzsituation. Auch die niederländischen Banken konnten PayPal nur gemeinsam die Stirn bieten. Der Zusammenschluss führt zu geringeren Kosten für jeden und bündelt das fachliche Know-how, um Digitalisierungsprojekte erfolgreich zu meistern.
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