Für private Telefon- und Internetnutzer bedeutet die 5. Mobilfunkgeneration (5G) mehr Bandbreite und noch weniger Ruckeln beim Videostreaming – kurzum eine simple Verbesserung des Status-quo, das war’s. Industriekonzerne, Mittelstand und die Telekommunikationsbranche sehen das sicher anders. Für sie steckt in dem Kürzel 5G eine gehörige Portion Innovation, verbunden mit viel Arbeit, die im Ergebnis in einer neuen digitalen Ära münden soll.
Mit dem Mobilfunknetz der fünften Generation verknüpfen Unternehmen weltweit Billionen Euro schwere Erwartungen. Die zwei Buchstaben 5G sollen dem Internet of Things (IoT) und der Industrie 4.0. zum Siegeszug verhelfen. Damit das klappen kann, haben die Netzbetreiber und Telekommunikationsdienstleister noch einiges an innovativer Vorarbeit vor sich.
Datenexplosion: Das muss das (Funk)netz abkönnen
In einer vollvernetzten Wirtschaft mit M2M-Kommunikation als Standard sind Milliarden von Menschen, Fahrzeugen, Maschinen, Geräten und Sensoren miteinander verkoppelt. Um die zu erwartenden Datenmengen transportieren zu können, muss die Anbindung in den bestehenden Funkstationen vielfach erweitert werden. In den meisten Fällen wird Glasfaser notwendig sein, das ist aber noch bei weitem nicht überall verfügbar.
Edge Computing: Kernnetz war gestern
Zudem sind die Mobilfunknetze heute weitgehend zentral organisiert. Ein Kernnetz übernimmt viele Steuerungsfunktionen. Diesen Bremsklotz darf es im Mobilfunkstandard 5G nicht mehr geben. IoT- und Industrie-4.0-fähige Leistungsdaten sind nur zu erreichen, wenn diese Funktionen in die Funkstationen verlegt werden (Edge Computing). Das gilt auch für die Verarbeitung der übertragenen Daten, zumindest bei zeitkritischen Anwendungen. Nur so sind Antwortzeiten in Echtzeit realisierbar, wie sie für die Steuerung von Maschinen und Geräten in der Medizin und der Industrie künftig notwendig sind. Diese Virtualisierung und Dezentralisierung von Netzfunktionen stellt die Betreiber vor immense Herausforderungen.
Network Slices: Jedem seine eigene Scheibe Mobilfunk
Grundprinzip der 5G-Netze wird sein, dass jeder Nutzer, ob Mensch oder Maschine, genau den Mobilfunkdienst erhält, den er momentan benötigt. Technisch wird das Mobilfunknetz in viele kleine Scheiben zerschnitten. Jeder dieser sogenannten Network Slices deckt einen spezifischen Leistungsumfang ab. Privatnutzer, die mit hoher Bandbreite Videos streamen möchten, beanspruchen keine Antwortzeiten im Millisekundenbereich. Sensoren, die zweimal am Tag wenige Bytes medizinischer Vitaldaten vom Wearable eines Diabetespatienten zum Hausarzt funken, werden keine Gigabit-Bandbreiten benötigen. Sehr wohl aber Automobile der Zukunft, die autonom durch den Verkehr steuern. Mit der Organisation der Netze nach unterschiedlichen Anwendungsbereichen bekommt jeder seine individuelle Scheibe Mobilfunkdienst zugeteilt.
Narrowband IoT und 5G: Dauerfunk für die entlegensten Winkel
Auf dem Weg zum Netz der 5. Generation implementieren die Netzbetreiber bereits jetzt eine Technik in ihren Netzen, die die spezifischen Anforderungen des Internet of Things in weiten Teilen erfüllt. Mit dem Narrowband IoT (NB-IoT) können Sensoren und Steuerungsgeräte angebunden werden, die mit klassischem Mobilfunk nicht erreicht werden können, da sie im Keller oder in Tiefgaragen angebracht sind, oder die ohne externe Stromversorgung auf lange Batterielaufzeiten angewiesen sind. NB-IoT bietet eine „Deep Indoor“-Versorgung mit geringem Energieverbrauch für geringe Datenmengen.
Von wegen Weiterentwicklung
An den technologischen Herausforderungen lässt sich festmachen: 5G ist weit mehr als ein Bandbreiten- und Latenz-Upgrade. Mit den Mobilfunknetzen der 5. Generation sowie dem bereits ausgerollten NB-IoT können viele Anforderungen einer Industrie 4.0 realisiert werden, auch ohne selbst eine aufwändige Funkinfrastruktur aufzubauen. Steht die öffentliche Internet-of-Things-Infrastruktur, ist die Basis für eine neue Welle der Automatisierung gelegt. NB-IoT ist bereits an 600 Orten in Deutschland verfügbar.
Speziell Mittelständler haben einen immensen Informationsbedarf herauszufinden, wie sie 5G und NB-IoT zum Vorteil nutzen. Für die Telekommunikationsbranche wiederum entsteht hier gerade ein Markt, sich als Entwickler neuer Mobilfunkdienste und Partner der Industrie 4.0 zu positionieren. Der Sprung von LTE auf 5G ist damit in seiner Tragweite für die Digitalisierung deutlich größer als bei der Einführung des UMTS-Netzes.
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