Digitale Exzellenz
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5 Erkenntnisse zum digitalen Investieren

, 10. Mai 2022

Fotocredit: Getty Images / Oscar Wong

Lesezeit: 5 Minuten

5 Erkenntnisse zum digitalen Investieren

Leicht zu bedienende Broker-Apps machen immer mehr Privatanlegerinnen und -anlegern Lust aufs Investieren. Neobroker und Robo-Advisor gewinnen Marktanteile bei einer gut informierten und investmentfreudigen Generation ETF – vor allem durch niedrige Trading-Gebühren. Aber der Preis ist kein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. Wir haben fünf Trends ausgemacht, die den Markt bestimmen werden, und in der Marktanalyse „Digital investieren“ aufbereitet.  

Die Aktienquote in Deutschland ist traditionell niedrig. Lange Zeit lag sie bei 15 Prozent, Ende der 90er Jahre sogar geringer als zehn Prozent. In den vergangenen Jahren hat sich die Lage verändert. Das andauernde Niedrigzinsumfeld sowie innovative digitale Angebote lassen die Aktienquote steigen. Die Pandemie hievte den Anteil der Aktionäre hierzulande zuletzt sogar auf den höchsten Wert seit fast 20 Jahren. Davon wollen Broker profitieren – mit niedrigen Preisen und mit Frontends, die Spaß machen. Wir haben 40 Anbieter genauer unter die Lupe genommen. Herausgekommen sind fünf Thesen, in welche Richtung Finanzdienstleister denken sollen, um sich in einem noch wachsenden Markt bestmöglich zu positionieren. 

Das Depot wird das neue Ankerprodukt

Das Girokonto ist seit jeher das Kernprodukt der Banken und Sparkassen. Kundinnen und Kunden mit einem Sparbuch und einem Gehaltskonto bleiben sehr häufig bei der Bank ihrer Jugend. Sie ist natürlicher Ansprechpartner bei allen finanziellen Belangen. Die gesamte Vertriebsmaschinerie der Banken und Sparkassen baut darauf auf. Das Vertrauen der Kontoinhaber liefert das notwendige Schmiermittel.   


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Inzwischen laufen die Räder nicht mehr rund. Beratung holt sich die nachwachsende Generation Z längst aus YouTube-Videos. Für Vertrauen sorgen heute Finanz-Influencer, die sich auf Plattformen wie Instagram und TikTok über die Schulter schauen lassen und am Bildschirm zeigen, wie sie mit wenigen Klicks und geringen Gebühren per Smartphone App in ETFs und gerade angesagte Aktien investieren. Für klassische Finanzdienstleister ist die Entwicklung kritisch. Wer das Depot bei einem Neobroker eröffnet, wechselt für die Finanzierung einer Immobilie oder irgendein anderes Finanzprodukt nicht mehr selbstverständlich zur Hausbank zurück. Unsere These: Das Depot wird gerade für junge, kaufkräftige und gut informierte Menschen zum zentralen Finanzprodukt und löst das Konto als Anker im Geschäftsmodell von Banken und Sparkassen ab. 

Generation Greta kauft ihre ETFs jetzt selbst

 Nachhaltigkeit ist ein Megatrend – gerade für die junge Generation. Ein stärkeres Bewusstsein für Ökologie und soziale Gerechtigkeit zeigt sich auch bei der Geldanlage. Zwischen 2011 und 2020 hat sich das Anlagevolumen nachhaltiger Investments in Deutschland mehr als verzehnfacht. Doch die junge Investoren-Generation erwartet mehr als ein Öko-Label bei Aktienfonds und Selbstverpflichtungen zum nachhaltigen Wirtschaften. Sie wollen diese Haltung von Unternehmen in der Praxis erleben. Insbesondere Neukunden wollen überzeugt werden, dass ihre Wahl die „moralisch bessere Bank“ ist. Diese Generation Greta ist informiert, fordert gerade deshalb Transparenz und möchte auch bei den Finanzen die Zügel in der Hand behalten. Für Anbieter, die auf diese Zielgruppe aus ist, bedeutet das: Eine lückenlose Nachhaltigkeitsstrategie, die Anlageprodukte, eigene Prozesse und Geschäftsbeziehungen umfasst. ETFs und Sparpläne zum Selbsteinrichten, Umschichten und Abstoßen sind zudem ein Nonplusultra, weil diese Generation umständliche Prozesse mit einem Wechsel abstraft.

Female Finance boomt

Nachhaltigkeit steht für sehr viel mehr als für Klimaschutz und Biofleisch. Soziale Nachhaltigkeit bedeutet beispielsweise, den Gender Gap in der Finanzwelt zu schließen. Zwei Drittel der Investoren in Deutschland sind männlich. Einer Studie zufolge treffen nur 23 Prozent der Frauen selbst langfristige finanzielle Entscheidungen und schließen beispielsweise Versicherungen ab oder tätigen Investitionen. Mit sogenannten Female-Finance-Angeboten wollen Finanzdienstleister das ändern – und gezielt Frauen als Kundinnen für ihre Angebote gewinnen. Jeder dritte Anbieter, mit dem wir gesprochen haben, möchte Anlegerinnen stärker ansprechen. Sie verbinden dabei Female-Finance- mit ihren Nachhaltigkeitsstrategien und wollen sich als Institute mit großem sozialem Engagement profilieren.

Neobroker und Robo-Advisor definieren die Customer Journey wie Fitness-Apps

Apps der Neo- und Online-Broker sowie der Robo-Advisor und Online-Banken erhalten in den App Stores von Nutzern im Schnitt Noten von 3,5 bis 4 Sternen. Große Filialbanken müssen sich häufig mit weniger als 3 Sternen zufriedengeben. Das hat einen Grund: Für Banken beginnt die klassische Customer Journey noch immer mit derer Beratung in der Filiale, inklusive Online-Banking. Digitale und nahtlos in die Welt der Kunden integrierte Apps und Prozesse fehlen meist. 

Die moderne Kundenreise beginnt mit preislich niedrigschwelligen Angeboten, einem schnell zu durchlaufenden Onboarding und einer spielerisch aufgezogenen Initialberatung, um Kunden schnelle Erlebnisse zu bieten. Anbieter von Fitness-Apps machen es genauso und führen ihre Kundschaft sukzessive heran an die profitablen Premiumangebote. Kundenbindung erreichen sie durch ausgeklügeltes Re-Targeting und einem Gespür für Mehrwerte und Timing. Das wiederum erreichen sie durch ein exzellentes Datenmanagement. Um den Aufbau dieser Datenkompetenz werden klassische Banken und Sparkassen nicht herumkommen, um sich in den App Stores einen Notenschnitt von vier zu verdienen. 

Der Preis und Usability sind in Zukunft nicht mehr alles

Die gute Nachricht für die klassischen Finanzdienstleister: Die günstigen Preise der digitalen Herausforderer dürften nicht von Dauer sein. Die Regulatorik macht auch vor Neobrokern nicht Halt und könnte deren Geschäftsmodelle in Zukunft ins Wanken bringen. Ein Beispiel dafür sind die Auseinandersetzungen um Praktiken wie Payment-for-Order-Flow. Zudem erwarten viele Entscheider der Branche eine Konsolidierung des Marktes. Die Differenzierung über den Preis dürfte damit an Grenzen stoßen, so dass andere Kriterien wieder sehr viel stärker den Ausschlag geben.  

Darin liegt eine große Chance für die klassischen Anbieter. Ihre Beratungskompetenz ist ein Pfund, mit dem sie wuchern können, zeigt die Marktanalyse. Die Aufgabe ist nun, diese Beratungskompetenz in die digitale Welt und für anders tickende Kundinnen und Kunden zu übersetzen. Auch wenn es die Branche womöglich nicht mehr lesen mag, der Agendapunkt ist weiterhin offen: Die produktorientierten Strategien sollten lösungsorientierten Strategien weichen.