Als Henry Ford begann, den Produktionsprozess für Automobile durch Fließbandfertigung dramatisch zu beschleunigen, war das keine Technik-Revolution. Ford verwendete bekannte Technologien. Die Produktivität stieg durch die Verteilung der Arbeitsschritte auf einzelne Stationen. Robotic Process Automation (RPA) verfolgt eine ähnliche Idee. Bekannte Prozesse und IT-Lösungen bleiben bestehen, werden aber besser organisiert.
Ein Softwareroboter bildet die menschlichen Aktivitäten an Bildschirm und Tastatur nach – und zwar ohne, dass Unternehmen dafür komplett neue IT-Lösungen in ihre Infrastruktur einpassen müssen. In den folgenden Situationen lohnt es sich, über RPA nachzudenken.
- Der Prozess erstreckt sich über mehrere Systeme, die nicht miteinander verknüpft sind.
- Der Mitarbeiter muss zur Eingabe mehrere Informationen manuell miteinander abgleichen.
- Der Aufwand, um Systeme oder Daten technisch zu integrieren, ist unwirtschaftlich und/oder sehr fehleranfällig in der Umsetzung.
Darum ist RPA so attraktiv
Das Konzept hinter RPA enthält Vieles, was Prozessverbesserer und Controller in Unternehmen gleichermaßen anspricht: Der Softwareroboter agiert mit denselben IT-Systemen, mit denselben Oberflächen und denselben Eingangsinformationen wie der Mitarbeiter aus Fleisch und Blut. Er hat dieselben Benutzerberechtigungen, arbeitet nach denselben Regeln und liefert die gleichen Ergebnisse. Aber: Er macht keine Flüchtigkeitsfehler, ist rund um die Uhr (24×7) verfügbar, und sein einmal trainiertes Wissen lässt sich über Nacht an beliebig viele Roboterkollegen weitergeben. Erste Erfahrungen mit RPA haben Einsparungen bei den Prozesskosten zwischen 30 Prozent und 80 Prozent ergeben.
RPA setzt Outsourcing unter Druck
Bisher gilt Offshoring als Allheilmittel für Kosteneinsparungen bei regelbasierten Prozessen. Wenn der Anteil menschlicher Arbeit einer der wichtigsten Kostentreiber ist, könnte das neue Kostenranking lauten: Onshore => Nearshore => Offshore => RPA.
Softwareroboter heuern im Kundenservice an
Noch einen Schritt weiter geht, wer nicht nur an reine Backoffice-Prozesse denkt, sondern Interaktion mit Kunden oder Mitarbeitern als real mögliches Szenario für Robotic Process Automation begreift. Allseits beliebte Formulareingaben wie Steuererklärungen und IT-Helpdesk Anfragen verlieren ihre abschreckende Wirkung, wenn der Kunde ohne Wartezeit, sprachgesteuert und tatsächlich interaktiv durch die Formulareingaben geführt wird. Die Technologien dahinter sind Spracherkennung, Sprachausgabe und kognitives Verständnis. Auch hier liegt die Innovation nicht in der Technologie, sondern der intelligenten Verknüpfung heutiger digitaler Möglichkeiten.
Der anfängliche Widerstand gegen Hotlines ohne menschlichen Ansprechpartner wird bestimmt groß sein. Es wird aber auch niemand Warteschlangen und Ansagen wie „Wenn Sie ein E-Mail-Problem haben, drücken Sie die 1.“ eine Träne nachweinen. Im Gegenteil: Der Erfolg von Siri, Cortana und Watson zeigt, dass Dialog zwischen Mensch und Maschine in natürlicher Sprache funktioniert. Jetzt ist die Chance, die Teile des Puzzles zu einem großen Ganzen zusammenzufügen. Oder wie Henry Ford es formuliert hat: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt schnellere Pferde.”
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