Digitale Exzellenz
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Human Friendly Automation im Public Sector

, 20. Februar 2023

Fotocredit: Getty Images

Lesezeit: 4 Minuten

Human Friendly Automation im Public Sector

Robotic Process Automation (RPA) und Bots werden Mitarbeitenden von Behörden mittelfristig immer mehr Handgriffe und Tätigkeiten abnehmen – einfach weil Fachkräfte rar und die Technologien ausgereift sind. Bei vielen schwingt angesichts dessen jedoch die Sorge mit, dass künftig Arbeitsplätze wegfallen könnten. Zudem wächst die Angst, neuen künftigen Aufgaben nicht mehr gewachsen zu sein. Unter dem Stichwort Human Friendly Automation (HFA) etablieren sich Initiativen und Prinzipien, um diesen Sorgen besser zu begegnen.

Unter Federführung von Lars Schatilow (IBM) hat sich eine Expertengruppe gegründet, die sich Human Friendly Automation auf einer eigenen Plattform widmet. Mitglieder der Expertengruppe können sich am Thinktank beteiligen. Grundlage der Community ist eine Charta mit zwölf Werten und Prinzipien, nach denen Automatisierungsvorhaben geplant und umgesetzt werden sollen. Ein Blick auf die Charta genügt, um zu erkennen, wie wichtig der Faktor Mensch für Automatisierungsvorhaben ist.

Ein HFA-Vorgehen besteht aus vier Phasen:

  1. Es wird eine Basis geschaffen, welche die Prinzipien der Charta abdeckt.
  2. Die Anwendungsfälle werden gemeinsam mit den Betroffenen identifiziert.
  3. Die Auswirkungen der Technologie werden analysiert und berücksichtigt.
  4. Es gibt eine Bewertung, wie der Einsatz der Technologie die Mitarbeitenden beeinflusst.

Um zu vermeiden, dass Automatisierungsvorhaben technologiegetrieben, punktuell und als Trial-and-Error-Pilotprojekte gestartet werden, wurde auf Basis des HFA-Vorgehens das Framework Target Automation entwickelt. Dieses besteht aus den drei Phasen Identification, Conception und Matching.

1. Identification: Prozesse mit Automatisierungspotenzial ausfindig machen

In der ersten Phase werden gemeinsam mit den Mitarbeitenden die Prozesse identifiziert, bei denen Automatisierung den größten Mehrwert erzielt. Das geschieht auf Basis vorab festgelegter Kriterien wie Wirtschaftlichkeit und Regulatorik und unter Berücksichtigung der jeweiligen Strategie. Dazu kommen Kriterien, die sich auf die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger sowie der Mitarbeitenden beziehen. Zudem dürfen keine ethischen oder rechtlichen Hürden bestehen.

Ein regulatorisches Kriterium stellt beispielsweise der § 35a VwVfG dar. Demnach ist das Treffen von Entscheidungen mit Ermessensspielraum durch automatisierte Systeme nicht zulässig. Ein Großteil der Prozesse scheidet aufgrund dieser rechtlichen Vorschrift aus.

Je komplexer die Verzweigung der Prozesse, desto umfangreicher und detaillierter fällt das Kriterien-Set sowie die Bewertung aus. Ein passendes Format zum Herantasten und Filtern geeigneter Prozesse sind Iterationsworkshops. Empfehlenswert ist die Besetzung mit Teilnehmenden aller Hierarchieebenen.

Die identifizierten Prozesse, die die Kriterien erfüllen, erhalten einen Potenzial-Score und gelangen in ein so genanntes Potenzial-Backlog.

2. Conception: Aus Ist-Prozess wird Soll-Prozess

In einer zweiten Phase werden die Prozesse aus dem Backlog fachlich sowie organisatorisch optimiert und die für den Prozess relevanten Parameter festgesetzt. Das ist elementar, damit etwaige Fehler und Schwachstellen aus den zuvor identifizierten Prozessen nicht in den Automatisierungsprozess übertragen werden. Dies können beispielsweise für den Prozess nicht erforderliche Schnittstellen, unzureichende Berechtigungen oder fehlende Expertise sein. Ziel ist es, einen zuvor optimierten Prozess zu automatisieren.

Darüber hinaus wird ein Bild des Soll-Zustands der Prozesse erstellt, die automatisiert werden sollen. Diese Kernanforderungen sind wichtige fachliche, strategische und organisatorische Leitplanken. Sie tragen zu der Entscheidung bei, welche technische Lösung zum Einsatz kommt.

3. Matching: technische Automatisierungslösung ableiten

Durch die Ergebnisse der Phasen 1 und 2 existiert eine valide Basis, anhand derer passende IT-Lösungen für die Automatisierung abgeleitet werden. Die IT passt sich dem Prozess an und nicht umgekehrt.

Aufbauend auf den Prozessparametern und nach festgelegten Entscheidungskriterien lassen sich objektiv und völlig technologieoffen Vorschläge für eine Automatisierungssoftware ermitteln. Die Kriterien, welche auf die Prozessparameter Anwendung finden, sind beispielsweise:

  • die vorhandene Datenstruktur der Inputdaten (strukturierte/unstrukturierte Daten)
  • die gewünschte Entscheidungsfindung bei den Handlungsausführungen (regelbasiert/ Ermessensspielraum)
  • der gewünschte Ergebnistyp und die Ergebnisqualität der Outputdaten (= 100 %/< 100 %)
Systematisches Vorgehen in 3 Phasen – Überblick über das Vorgehensmodell Target Automation
Systematisches Vorgehen in 3 Phasen – Überblick über das Vorgehensmodell Target Automation

4. Umsetzen und wiederverwenden

Die IT-Lösungen, die in Betracht kommen, werden abschließend auf Erfüllung nichtfunktionaler Anforderungen geprüft. Dazu zählt beispielsweise, ob sie zur IT-Architektur einer Behörde passen. Infolgedessen kann die Umsetzung der Prozessautomatisierung mit der präferierten Software-Variante starten.

Das Praktikable: Nach Abschluss der Automatisierung können Verwaltungen auf das Potenzial-Backlog aus Phase 1 zurückgreifen. Sie können damit einen Transformationspfad sukzessive, gezielt und effizient durchlaufen. Automatisierung bleibt nicht länger ein strategisches Vorhaben, sondern erleichtert und verbessert Prozesse konkret und mit maximaler Wirksamkeit.

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