Digitale Exzellenz
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Kundenzentrierung: Die meisten wollen es, längst nicht alle sind soweit

, 9. Dezember 2019

Lesezeit: 4 Minuten

Kundenzentrierung: Die meisten wollen es, längst nicht alle sind soweit

Die Kunden stehen im Zentrum und ein ganzes Unternehmen darum herum ist komplett darauf ausgerichtet, jeden einzelnen individuell zu bedienen und zu antizipieren, was Kunden künftig von Unternehmen erwarten. Ein edles Ziel, an dem sich noch so manch einer die Zähne ausbeißt.

Die Zahlen in unserer Studie Potenzialanalyse „Der individuelle Kunde“ zeigen zunächst, wie ernst es Unternehmen mit der Kundenzentrierung meinen. Jedem Dritten ist es so ernst, dass die Verantwortung beim CEO oder Geschäftsführer liegt. 18 Prozent der befragten Unternehmen übertragen dem Marketing-Chef die Verantwortung, und nur sieben Prozent haben ein eigenes Ressort des obersten Kundenzufriedenheitsverantwortlichen auf Vorstandsebene einzogen. Ein gutes Zeichen, denn Kundenzentrierung ist eine Aufgabe für alle Ressorts und Abteilungen, die vom CEO vorangetrieben werden sollte. Bei einer eigenen Stabstelle droht, dass Verantwortung abgewälzt wird und der Gedanke von Kundenzentrierung versickert.

Was noch auffällt: In fast jedem fünften Unternehmen ist der Produktmanager für das Kundenerlebnis zuständig. Ein solche Organisation kann kaum kundenzentriert agieren. Kunden erleben ein Unternehmen nicht nur beim Gebrauch des Produkts oder bei Inanspruchnahme einer Dienstleistung. Konsequent kundenzentrierte Unternehmen richten auch Einkaufs- und Aftersales-Prozesse so aus, dass sich am Mehrwert für die Kunden orientieren. Das Produktdesign, die Vielfalt und das Pricing sind nur Einzelkomponenten.


Quelle: Infografik zur Studie Potenzialanalyse „Der individuelle Kunde“

Kundenzentrierung ist kein Pappenstil

In rund jedem dritten Unternehmen ist Kundenzentrierung Chefsache. Ebenfalls rund ein Drittel der befragten Unternehmen berichten, ihren Umsatz durch eine Komplettausrichtung ihrer Organisation auf Kunden sichtbar gesteigert zu haben. Ein direkter Zusammenhang lässt sich zwar nicht 1:1, zumindest aber in der Tendenz ableiten. Zudem zeigen die Zahlen, dass die Mehrheit der Unternehmen in kundenzentrierte Strukturen investiert, der Lohn aber noch auf sich warten lässt. Umsatz- und sogar Gewinnsteigerungen durch Kundenzentrierung, wie sie immerhin 15 Prozent der Unternehmen vermelden, kommen nicht von jetzt auf gleich. Deshalb verwundert es nicht, dass jeder zweite Entscheider noch Luft nach oben dabei sieht, den Kunden in allen Belangen in den Mittelpunkt zu stellen.


Quelle: Infografik zur Studie Potenzialanalyse „Der individuelle Kunde“

So ein Umbau und seine Wirkung brauchen Zeit, und die Neuausrichtung sollte keinesfalls halbherzig betrieben werden. Es reicht eben nicht, nur in Markt- und Meinungsforschung zu investieren und dann zu glauben, die Kunden zu kennen und damit kundenzentriert zu arbeiten. Es gibt so viele weitere Instrumente wie die Bündelung von Leistungen mit denen anderer Unternehmen, neue Anreizsysteme, die Kundenzufriedenheit stärker belohnen sowie die Ausstattung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kundenservice mit Kompetenzen und Freiheiten, Kunden auch abseits der Standardprozesse zu bedienen.

Digitalisierte Kundengespräche sind Daten

All diese Maßnahmen zu einer überzeugenden Customer Experience zusammenzufügen bedeutet für die meisten Unternehmen derzeit enorme Investitionen. Vielfach werden diese zu hoch eingeschätzt, so dass Maßnahmen ausbleiben oder zurückgestellt werden.

Eine Top-Herausforderung bleibt für die Unternehmen weiterhin das Ausnutzen von Daten – einmal um Kunden besser kennenzulernen und zudem, um diese Daten zu monetarisieren. Es gelingt mehrheitlich noch nicht, das gute alte Kundengespräch und das vertriebliche Gespür des Verkäufers im Laden auf die Online-Welt zu übertragen. Diese Aufgabe soll angesichts der Anonymität des Internets KI, basierend auf Kundendaten, übernehmen – aber nicht allein. Es braucht weiterhin die gewieften Köpfe mit der Nase fürs Verkaufen, die nun aus Daten und nicht mehr an der Mimik des Kunden herauslesen, was ihn gerade stört oder was sie zusätzlich zum aktuellen Produkt noch benötigt – explorative Datenanalyse ist hier das Stichwort.

Die Verantwortlichen in den Unternehmen schieben diese mangelnde Datennutzung gerne auf Datenschutzbestimmungen und die dadurch fehlenden Möglichkeiten. Dieses Argument scheint allerdings vielfach vorgeschoben. Denn selbst mit den vorhandenen und frei zugänglichen Daten lässt sich eine Menge anstellen. Ich glaube, in vielen Fällen dienen Unternehmensdaten immer noch vorrangig dem Reporting. Die nächsten Stufen auf dem Weg zu einem durch Daten ermöglichten kundenzentrierten Geschäftsmodell, in dem Informationen kanalübergreifend bereitstehen und auch externe Daten einfließen, hat das Gros der Unternehmen noch vor sich.


Quelle: Infografik zur Studie Potenzialanalyse „Der individuelle Kunde“

Foto: Getty Images / Olivier Le Moal