Digitale Exzellenz
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Denkanstoß Jugendquote: mehr digitale Kompetenz in Spitzengremien bringen

, 23. November 2017

Lesezeit: 4 Minuten

Denkanstoß Jugendquote: mehr digitale Kompetenz in Spitzengremien bringen

Manager in Deutschland werden im Durchschnitt immer älter. 1995 waren Führungskräfte von Unternehmen im Schnitt 40 Jahre alt. 2015 waren sie im Mittel vier Jahre älter. Das ergibt eine Studie des DIW. Angesichts der Herausforderungen der Digitalisierung sollte dieser Trend in die andere Richtung zeigen.

Eine gehörige Prise mehr Jugendlichkeit stünde vor allem so manchem Leitungsgremium gut zu Gesicht. Unternehmen benötigen in diesen Spitzenpositionen dringend mehr digitale DNA, um führend zu sein. Viele Vorstände und Geschäftsführer sind um die 50 Jahre alt, das Durchschnittsalter der deutschen Aufsichtsräte liegt bei 68 Jahren. Diese Unternehmenslenker und ihre Kontrolleure schöpfen das Gros ihrer Erfahrungen aus der analogen Welt. Oder wie Ökonom Thomas Straubhaar zitiert wird: „In Kinderzimmern findet sich mehr digitale Kompetenz als in den Chefetagen der Wirtschaft.“

Das durchaus wertvolle analoge Herrschaftswissen reicht künftig nicht, um als Manager die richtigen Entscheidungen für das Unternehmen zu treffen und als Aufsichtsrat die Konzepte von morgen seriös bewerten und mittragen zu können. Die Rahmenbedingungen ändern sich gravierend und rasant. Die Gefahr besteht, dass entweder mangels digitaler Kompetenz falsche Entscheidungen getroffen und abgesegnet werden oder dass keine Entscheidungen getroffen werden, weil der digitale Background bei den wichtigen Köpfen fehlt.

Zeit also, dass Unternehmen eine sukzessive Verjüngungskur in den Chef- und Aufsichtsetagen einleiten. Jugend soll ja nicht gleich das alleinige Einstellungskriterium für die anstehenden Besetzungsrunden von Spitzenposten sein. Aber per Selbstverpflichtung oder niedergeschriebenen Zielvereinbarungen ließe sich mehr Verbindlichkeit herstellen, um Vorstands- und Aufsichtsratsposten verstärkt an jüngere, digital versierte Manager zu vergeben.

Jugendquote für Vorstand und Aufsichtsrat

Der radikale Weg ist eine Jugendquote nach dem Motto: In jeden Aufsichtsrat sollte zumindest ein jüngerer Kontrolleur mit Digitalerfahrung einziehen, der seine Kollegen fachlich berät. Ein Argument für eine solche Quote ist, dass es jüngere Führungskräfte aus dem mittleren Management häufig schwer haben, mit ihren digitalen Ideen nach oben durchzudringen. Vielfach erkennen sie das Potenzial neuer Technologien wie künstliche Intelligenz und Blockchain für neue Geschäftsmodelle und möchten sie nutzen. Den älteren Chefentscheidern fehlt hierzu das Gespür, sie bremsen viel zu oft den Eifer ihrer Jungmanager.

Ein guter Grund, strukturell gegenzusteuern. Im Zeitalter der Digitalisierung wird alles schneller und komplexer werden. Die Beschleunigung sollte sich auch in der Besetzung der Chefetagen bemerkbar machen. Warum also nicht für sich selbst ein Durchschnittsalter in Vorstand und Aufsichtsrat festlegen, das deutlich unter dem von heute liegt?

Umfrage: Deutsche uneins beim Thema Durchschnittsalter in Spitzenpositionen

2018 und 2019 laufen bei 18 DAX-30-Unternehmen die Mandate der Vorsitzenden aus. Insgesamt stehen mit 166 Mandaten in den DAX 30-Kontrollgremien fast zwei Drittel der Posten zur Wahl. Und auch im MDAX werden laut einer Erhebung von Russel-Reynolds mit 174 Aufsichtsräten mehr als die Hälfte der Posten neu besetzt – eine tolle Chance, um einen echten Generationswechsel auf den Weg zu bringen.
Die Deutschen sind übrigens gegenüber einer Verjüngung in den obersten Führungsetagen und Kontrollinstanzen geteilter Meinung.

Immerhin 52 Prozent fürchten, dass ein hohes Durchschnittsalter von Vorständen oder Aufsichtsräten der Digitalisierung von Unternehmen schadet. Das zeigt eine von Sopra Steria Consulting beauftragte Bevölkerungsbefragung des Marktforschungsinstituts Civey im Vorfeld der 12. Deutschen Aufsichtsratstage.

Ein schöner Anstoß, über eine „Jugendquote“ für Aufsichtsräte nachzudenken. Denn die digitale Transformation erfordert einen echten Kulturwandel in den Köpfen. Um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, müssen Unternehmen schneller, beweglicher und anpassungsfähiger werden. Bisher gelingt das nur bedingt. So belegt Deutschland im Innovationsindikator 2017, den das Fraunhofer-Institut zusammen mit dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erhoben hat, beim Thema Digitalisierung nur Platz 17 von 35 untersuchten Volkswirtschaften . Zeit also für frischen Wind in Deutschlands Führungsetagen!

Foto: Getty Images / Martin Dimitrov