Digitale Exzellenz
Digitale Exzellenz

Darum braucht digitale Transformation den Manager 3.0

, 15. März 2017

Lesezeit: 5 Minuten

Darum braucht digitale Transformation den Manager 3.0

Es gehört zu den faszinierenden Paradoxien der Moderne: Je wichtiger Technik in unserem Alltag wird, desto mehr rückt der Mensch in den Mittelpunkt der Debatte. Und diese Debatte unterscheidet sich fundamental von dem, was früher einmal unter dem sperrigen Terminus „Technikfolgeabschätzung“ verhandelt wurde. Damals ging es darum, die Folgen von Technikeinsatz für die Menschen abzumildern. Heute dagegen diskutieren wir andersrum: darüber, wie Technik den Menschen unterstützen kann, wie sie ihn stärker und klüger macht und ihm Zeit für die angenehmen oder nützlichen Dinge im Leben verschafft.

Künstliche Intelligenz verändert die Debatte über Technik fundamental

Dieser Paradigmenwechsel hat viel mit der Entwicklung auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz (KI) zu tun. Zum ersten Mal diskutieren wir über Computer nicht mehr als bloße Werkzeuge, die nur in der Hand des Menschen ihren Mehrwert entfalten. Erstmals können wir Computer bauen, die sich autonom bewegen und verhalten, die dazulernen, weil sie kognitive Fähigkeiten haben und wahnsinnig schnell sind.

Wir machen dramatische Fortschritte bei KI und bewegen uns trotzdem noch eher im Bereich von Vision und Utopie. Dabei hat die digitale Transformation, mit der wir uns seit Jahren beschäftigen, schon ohne KI unseren Alltag dramatisch verändert. Nicht zufällig fällt in der Debatte immer wieder das Adjektiv „disruptiv“, wenn von Digitalisierung die Rede ist.

Wissensarbeit, früher mal Büroarbeit genannt, ist ein sehr gutes Beispiel für diese grundlegenden Veränderungen. Immer mehr Menschen tragen mit ihrem Wissen zur Wertschöpfung in den Unternehmen bei. Wissensarbeit ist geprägt von kommunikativen Denkprozessen und sozialer Interaktion. Laut ILO, UNO-Sonderorganisation für Internationale Arbeitsorganisation ist bereits die Hälfte der in Deutschland verrichteten Arbeit Wissensarbeit, Tendenz enorm steigend.

Wissensarbeit verändert Unternehmen grundlegend

Wissensarbeiter verändern mit ihrer zunehmenden Bedeutung für die Wertschöpfung die Unternehmen elementar oder – disruptiv. Technik macht neue Formen von Wissensarbeit möglich, die es sie vorher nicht gab: Mobiles, projektorientiertes, selbstbestimmtes Arbeiten. Diese neuen Formen sind nicht nur für viele Mitarbeiter interessant, sondern auch für ihre Chefs, weil sie Teams agiler und produktiver und am Ende auch zufriedener machen.

Aber diese neuen Formen von Team- und Wissensarbeit funktionieren in alten Hierarchien nicht mehr. Wer eigenverantwortlich arbeitet, braucht unkontrollierten Zugang zu Wissen und arbeitet mit Kollegen, die ebenso selbstbestimmt arbeiten. Hierarchien, in denen einer qua Amt bestimmt, passen dazu nicht (mehr). Das ist nicht neu, und so gab es schon vor acht Jahren Diskussionen um den Manager 2.0, der mit aus der agilen Entwicklung („Scrum“) entlehnten Methoden flexible Teams weniger führen als coachen sollte.

Manager 3.0: Beziehungen fördern und Wissen schaffen

Heute sind wir beim Manager 3.0 angelangt – wenn nicht in der Realität, so doch wenigstens in der Anforderungsliste an die Tugenden des modernen Managements.

Digitale Projekte können nicht in gleicher Weise geführt werden wie traditionelle. Wenn Agilität zu den Methoden und Flexibilität zu den Zielen gehört, dann führt ein Führungsstil von gestern dort nicht hin. Dafür brauchen wir ein Management, das Beziehungen fördert und Wissen schafft, das den Mitarbeitern Freiheiten gibt, damit sie kreativ und selbstbestimmt arbeiten können.

Der Manager 3.0 wacht über die Autonomie bei der Entscheidungsfindung der Mitarbeiter und der Organisation ihrer Projektteams mehr als auf das Einhalten von Berichtswegen und Hierarchielinien. Er erklärt den Sinn eines Projekts oder einzelner Schritte und bemüht sich darum, dass alle Mitglieder eines Teams ihn verstehen. Er fördert Handlungsgemeinschaften, in denen einzelne Teammitglieder ihr Wissen zum Wohle des gesamten Teams und des Projekts einbringen. Er kontrolliert nicht, sondern begleitet und schafft damit einen Rahmen für Vertrauen und Kreativität jedes Einzelnen. Und er entlastet seine Teammitarbeiter von administrativen Aufgaben und schafft so Platz für die Arbeit am eigentlichen Projekt.

Die Hauptkompetenz des Managers 3.0 ist es, Teams zu motivieren und zu unterstützen – in horizontalem, transversalem Sinne, nicht in alten hierarchischen Strukturen. Der horizontale Ansatz beinhaltet auch das Dezentralisieren von Verantwortung, die dazu führt, dass auch andere Rollen, Jobs und Funktionen innerhalb von (Projekt-)Teams zur Disposition stehen. Dazu gehört auch, dass weniger der Ehrgeiz der Führungskraft Motor erfolgreicher Teamarbeit ist, als der kollektive Antrieb der gemeinsamen Verantwortung.

Kollektive Führung ist kein Selbstzweck, sondern produktivitätsfördernd

Damit wir uns richtig verstehen: Wer Projekte so leitet wie beschrieben, macht das nicht (nur), um seinen Mitarbeitern zu gefallen und ihnen den bestmöglichen Rahmen für ihre Wissensarbeit zu bieten. (Nebenbemerkung: auch wenn dieser Aspekt im „War of Talents“ nicht unterschätzt werden sollte).

Er macht das, weil er, wie ich, davon überzeugt ist, dass das Fördern von kollektiver Eigenverantwortung, Intelligenz und Kreativität die bestmögliche Unterstützung von Wissensarbeitern für digitale Transformationsprojekte hervorbringt.

Ein Manager 3.0 stellt seine eigenen Ambitionen hinter den Team- und Projekterfolg. Und gewinnt –damit sind wir bei einem weiteren Paradoxon – am Ende auch persönlich damit mehr, als mit Egoismus und Karrieredenken.

Digitale Transformation und Führung 3.0 bedingen einander, denn hier kommt der strategische Aspekt des Technologieeinsatzes zum Tragen: Es geht nicht nur um die Analyse von Daten, um mobiles Arbeiten oder den Transfer von Wissen. Es geht im Kern auch darum, Technologien für Kollaboration und Kommunikation bewusst für das Management von Beziehungen und Befindlichkeiten innerhalb von Teams zu nutzen. Das stärkt Teams, nutzt den Projekten und am Ende allen Stakeholdern.

Foto: Getty Images / PeopleImages