Die Versicherer in Deutschland setzen sich intensiver mit dem Thema Versicherungsbetrug auseinander. Dabei rückt die Digitalisierung der Betrugserkennung in den Fokus. Big Data, Algorithmen und neue technische Entwicklungen bieten die Chance, betrügerischem Handeln effizient entgegenzuwirken.
Versicherungsbetrug als kostenintensives Problem
Versicherungsbetrug, also das Erschleichen von Versicherungsleistungen in betrügerischer Absicht, ist für Versicherer eine teure Angelegenheit. Laut GDV-Schätzungen ist jeder zehnte Schadensfall vorsätzlich herbeigeführt, vorgetäuscht oder betrügerisch erhöht worden. Bei speziellen versicherten Gegenständen wie Smartphones wird davon ausgegangen, dass jeder zweite gemeldete Schaden als dubios einzuschätzen ist. Korrelationen zwischen dem Verkaufsstart neuer Smartphone-Generationen und dem Eingang von Schadensmeldungen sind durchaus erkennbar. Allein in der Sparte Komposit verursacht Versicherungsbetrug so einen geschätzten Schaden von bis zu vier Milliarden Euro jährlich.
Mit derartigen Schadenzahlen wollen sich die Versicherer nicht mehr abfinden. Die Branche steht unter enormem Druck, Beiträge ihrer Kunden rentabel zu investieren. Die momentane Kapitalmarktsituation, insbesondere die Niedrigzinsphase, erschwert das Vorhaben. Erträge lassen sich kaum erwirtschaften. Wer keine Prämien erhöhen will, ist gezwungen, Kosten einzusparen.
Ein wirksamer Hebel ist die Senkung der Schadenkosten durch das Verhindern von Versicherungsbetrug. Die Bekämpfung betrügerischer Handlungen dient jedoch nicht allein der Ertragsverbesserung des Versicherers. Vor allem schützt die Abwehr von Versicherungsbetrug den ehrlichen Versicherungsnehmer und somit das gesamte Versichertenkollektiv vor ungerechtfertigten Zahlungen.
Status quo und Zukunft der digitalen Betrugserkennung
Die Digitalisierung spielt dabei eine zentrale Rolle. Betrugserkennung erfolgt heutzutage üblicherweise softwaregestützt und nur in Ausnahmefällen manuell. Grundlegendes Element bilden Regelwerke. Sie prüfen die Versicherungsfälle auf Auffälligkeiten. Bei Verdachtsfällen schlagen sie Alarm, und Betrugsspezialisten nehmen sich des Falls an. Die Schwäche solcher Regelwerke liegt auf der Hand: Nur bekannte Betrugsmuster werden erkannt. Die Herausforderung besteht sowohl im Herausfiltern bisher unbekannter Betrugsmuster als auch in der fallübergreifenden Betrachtung von Schäden: Automatisierte Prüfverfahren müssen eine ganzheitlich vernetzte Betrachtung ermöglichen. Ansätze wie Anomaly Detection und Netzwerkanalyse entdecken neue Betrugsmuster sowie unbemerkte Zusammenhänge zwischen den Schäden. Versicherer können so auch gegen bandenmäßigen Versicherungsbetrug vorgehen.
Die Betrugserkennung der Zukunft wird noch digitaler. Weitere technische Möglichkeiten wie Sprachanalyse und digitale Bildforensik werden die bisherigen Ansätze ergänzen. Mittels Text Mining lassen sich aktuell bereits strukturierte Informationen aus unstrukturierten Daten gewinnen. Digitale Bildforensik wird hingegen vollautomatisch prüfen, ob digitale Bilder manipuliert wurden. So können Schadenabteilungen zukünftig die Echtheit sowie den Kontextbezug von Bildern zu einem gemeldeten Versicherungsschaden automatisiert einschätzen. Digitale Sprachanalyse ermöglicht darüber hinaus, den Wahrheitsgehalt menschlicher Aussagen zu überprüfen. Bei einer telefonischen Schadensmeldung untersucht die Technik sprachliche Muster sowie die Stimmakustik. So lassen sich die Angaben des Anspruchstellers direkt bewerten.
Die Digitalisierung der Betrugserkennung wird mittelfristig dazu beitragen, die Aufdeckungsquote zu verbessern. Gleichzeitig hilft die Technik, den Spagat zwischen schneller, kundenfreundlicher Schadenregulierung sowie der Einleitung von Ermittlungsverfahren zu bewältigen. Im Ergebnis werden die Versicherer damit ihre Schadenskosten nachhaltig senken und die Ehrlichen im Versichertenkollektiv vor unnötig hohen Beiträgen bewahren.
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