Digitale Exzellenz
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KI als Erfinder: Warum der Mensch noch lange das Maß aller Dinge bleibt

, 13. Oktober 2021

Lesezeit: 6 Minuten

KI als Erfinder: Warum der Mensch noch lange das Maß aller Dinge bleibt

Weltweit beschäftigen sich Gerichte und Patentämter mit der Frage: Kann Künstliche Intelligenz (KI) auch Erfinder sein? Die Antwort auf diese Frage ist nicht kniffelig. Was macht einen Erfinder aus? Wieviel Erfindergeist des Entwicklers der KI steckt in der Erfindung? Wo bleibt der Mensch, wenn KI den geistigen Schöpfungsprozess übernimmt? Ein Fall aus Südafrika, gefunden bei Heise online, befeuert die Diskussion.  

„Hilfe, die Roboter kommen!“ – mit diesem Ausspruch lässt sich die Debatte um den Einzug neuer Technologien in Wirtschaft und Alltag oftmals sehr treffend beschreiben. Die Debatte dreht sich gerade stark um die Rolle, die Künstliche Intelligenz in Zukunft spielen wird und sollte. Zu Frage, wie Algorithmen die menschliche Arbeitskraft beeinflussen, rücken mittlerweile die schöpferischen Fähigkeiten der Technologie in den Fokus der Diskussionen.

Jüngst hat eine Software beispielsweise Beethovens 10. Sinfonie – die Unvollendete – zu Ende komponiert; ganze 194 Jahre nach dem Tod des Musikgenies aus Bonn. Und Musik ist nicht das einzige kulturelle Gebiet, auf dem sich Algorithmen und ihre Macher gerade selbst verwirklichen.

Aber ist das wirklich Kunst? Hat die fertige Sinfonie nun die für ein urheberrechtlich schützenswertes Werk notwendige Schöpfungshöhe? Kann KI überhaupt kreativ sein? Und wo bleibt der Mensch bei alledem?

Mit dieser Diskussion eng verwandt sind weitere Fragen im Spannungsfeld zwischen menschlichem und maschinellem Genius, beispielsweise die nach dem Urheber- und den Patentschutz. Eine KI, die Sinfonien komponiert oder Bilder malt, könnte schließlich auch den Bauplan für eine Maschine zeichnen oder eine neue Produktionsmethode entwickeln und sich diese Erfindung patentieren lassen. Es ist unklar, ob das überhaupt möglich wäre.

Die Angst vor dem Patentmonopol

Patentämter und Gerichte beschäftigen sich bereits mit dieser Frage. Einen besonders spannenden Fall liefert als aktuelles Fundstück ein Fall aus Südafrika. Dort hat eine Patentbehörde einen Patentantrag angenommen, der eine KI als Erfinder auflistet. Weltweit ist der Fall noch immer eine Ausnahme – das muss aber nicht so bleiben. Der australische Bundesgerichtshof hat kurz danach in einem anderen Fall entschieden, dass eine KI durchaus ein Erfinder sein kann – theoretisch und im Sinne des Patentrechtes.

Das Artifical Inventor Project und ihre vermeintliche Erfinder-KI „Dabus“ treiben viele der Patentklagen zur KI voran. Das Projekt setzt sich für die Rechte geistigen Eigentums ein, das ohne menschliches Zutun und durch eine KI geschaffen worden ist. Dabus basiert auf zwei neuronalen Netzen. Die eine „Gehirnhälfte“ wird dafür – soweit man weiß – mit Patentschriften trainiert und lernt auf dieser Grundlage, neue Patentanträge zu schreiben. Das zweite neuronale Netz soll bei der Auswahl helfen, was eine gute und eine eher nicht so gute Idee ist.

Besonders bahnbrechend sind die Erfindungen, um die es dabei geht, allerdings nicht. Die Software hat beispielsweise eine LED „erfunden“, die in einer Frequenz blinkt, mit der sie für besonders viel Aufmerksamkeit sorgen soll, weil sie sich neurologische Mechanismen zunutze macht.

Spannend ist die Debatte dennoch. Schließlich hat Künstliche Intelligenz längst Einzug in Bereiche wie die Motorentwicklung gehalten. Unternehmen haben dabei sicher ein großes Interesse daran, gewaltige Patentmonopole zu errichten – in wenigen Sekunden von einer KI zusammengerechnet.

Auch hier liefert die Kunst ein Vorbild: Ein Algorithmus wurde im vergangenen Jahr genutzt, um alle mit zwölf Tönen mathematisch denkbaren 68 Milliarden Tonfolgen berechnen zu lassen und unter einer Public-Domain-Lizenz der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Patentjäger könnten bei den Erfindungen nun beispielsweise versuchen, die KI diverse Bauteile oder Konstruktionsschemata errechnen zu lassen, um möglichst viele zum Patent anzumelden – völlig unabhängig von der tatsächlichen Umsetzung der jeweiligen Erfindung.

Das aber käme letztlich der Verhöhnung menschlicher Schaffenskraft gleich – keine Zukunft, die wir uns wünschen sollten, selbst wenn sie technisch möglich wäre und würde auch die Idee des Patentrechts ins Absurde führen. Mal abgesehen von der Arbeitsbelastung der Beamten in den Patentämtern, die nun übrigens auch den Antrag in Südafrika prüfen müssen.

Patentamt sieht nur starke KI als Erfinder – möglicherweise

Das Deutsche Patent- und Markenamt beantwortet die Frage, ob die Erfindung Maschine einen Patentschutz erhalten kann, sehr differenziert. Für die Werke einer sogenannten schwachen KI schließt die Behörde einen Patentschutz aus. Eine solche Software ist eben nur ein Werkzeug – ähnlichem einem Schraubenzieher oder Hammer. Sie mag zwar innerhalb ihres Aufgabengebietes selbständig lernen, aber sie kann nicht universell lernen, wie das bei einem Menschen der Fall ist.

Bei einer starken KI, die tatsächlich universell ausgerichtet ist, Aufgabenstellungen selbständig erkennen und Lösungen entwickeln kann, fällt die Einschätzung des Amtes hingegen weniger klar aus. „Eine ‚starke‘ KI müsste den ‚Turing-Test‘ bestehen“, heißt es dort stattdessen. Mit anderen Worten: Der Mensch dürfte in der aktiven Kommunikation keinen Unterschied mehr zwischen der jeweiligen KI und seinesgleichen ausmachen.

Eine solche KI würde nun wiederum eine Reihe von juristischen und ethischen Fragen aufwerfen, die weit über die Fragen des Patentschutzes hinausreichen – inwieweit eine solche KI nämlich generell rechtsfähig ist, inwieweit sie mit Menschen gleichgestellt werden muss, inwieweit sich bei einer solchen starken KI von einem Bewusstsein sprechen lässt.  Davon sind wir derzeit allerdings noch weit entfernt.

KI-Spezialisten sind gefragt – um die Rechenschaft für die KI abzugeben

Selbst in dem Szenario wäre es wohl letztlich doch der Mensch, der sie kontrollieren würde oder vielmehr kontrollieren muss. Große KI-Anbieter wie Microsoft fordern in ihren Grundsätzen einer Responsible AI daher auch die Rechenschaftspflicht der Menschen ein. So kreativ und erfindungsreich KI nämlich am Ende auch sein kann: Am Ende steht ein Mensch hinter ihrer Entwicklung – selbst wenn sich von Algorithmen gesteuerte Bots eines Tages tatsächlich per Instant Messaging an das Patentamt wenden mögen, um ihre neuesten 3.000 Erfindungen zu patentieren.

Auch eine solche KI wird jene benötigen, die den Algorithmus entwickeln, die sie mit Daten füttern und womöglich sogar jene, die unter all den Millionen von Ideen jene ausfindig machen, die sich einen praktischen Nutzen erfüllen und ein echtes Bedürfnis von Menschen befriedigen.

Was sich wandeln wird, sind die Rolle des Menschen und seine Fähigkeiten in einer von KI geprägten Welt. Im vergangenen Jahr rankte das Karrierenetzwerk LinkedIn den KI-Spezialisten daher auch bereits auf Platz 1 der wichtigsten Zukunftsberufe in Deutschland. Bild: Getty Images / ilbusca