Digitale Exzellenz
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Wenn schlechte Prozesse einen Chatbot des Grauens schaffen

, 26. März 2024

Lesezeit: 5 Minuten

Wenn schlechte Prozesse einen Chatbot des Grauens schaffen

Seit dem Start von ChatGPT beobachten wir einen zunehmenden KI-Aktionismus in Unternehmen: Vorhandene und neue Chatbots werden kurzfristig mit Sprachmodellen (LLM) ausgestattet und unterstützen Kundenservice und Vertriebskampagnen. Die Prozesse bleiben jedoch die alten, dabei bräuchten gerade sie häufig ein Intelligenz-Update. Die Folge: Die KI lernt auf Basis schlechter Prozesse und vergrault damit Kunden eher, als dass sie ihnen hilft. Deshalb gilt: erst die Prozesse analysieren und verbessern, dann auf den GenAI-Zug aufspringen. 

Chatbots sind längst kein neuer Trend mehr, sondern Status quo beim Kundenservice. Neu ist, dass sie um KI-gestützte Sprachmodelle (LLM) erweitert werden. Telekommunikationsanbieter, Energieversorger, Tourismuskonzerne und Online-Marktplätze wollen mithilfe von KI besser beraten und, wenn möglich, besser verkaufen. Ausgestattet mit generativer KI und oftmals in der Lage, viele verschiedene Sprachen zu sprechen, können Chatbots riesige Datenmengen verarbeiten und nicht nur Standardfragen beantworten. Sie nehmen auch Aufträge und Kritik entgegen, schlagen maßgeschneiderte Produkte vor und holen automatisiert Feedback ein.  

Dank LLMs wie GPT agieren sie emotionaler und empathischer im Vergleich zu den besseren FAQs der KI-Anfangszeit. Im Gegensatz zu früheren Bot-Generationen mit festen Antwortoptionen entwickelt sich ein KI-Chatbot zudem stetig weiter und lernt aus seinen Interaktionen. 

GenAI bügelt keine Prozessfehler aus

Die Lernergebnisse müssen allerdings nicht zwangsläufig zu besserem Service oder steigenden Umsätzen führen. Im Gegenteil: Je selbständiger die KI arbeitet, desto größer das Risiko, dass ihre Ratschläge oder Antworten Kunden verärgern oder sogar zur Kündigung bewegen.  

Denn die Technologie lernt von bestehenden Vertriebsprozessen aus einer Nicht-KI-Welt, und die war selten optimiert. Sind die Abläufe oder Kampagnen früher bereits ineffizient oder serviceschädlich aufgesetzt worden, besteht eine große Chance, dass die KI nicht hilft, sondern schadet. Dann lernt der Bot zu versagen und entwickelt sich zum Horrorszenario statt zum Helfer.  

Eine Universallösung sind die KI-Helfer somit nicht. Besonders schlimm wird es, wenn die digitalen Helfer schlecht mit ihren menschlichen Kollegen zusammenarbeiten, indem etwa der Chatbot den Rückruf eines Mitarbeitenden verspricht, Kunden dann aber vergeblich darauf warten – übrigens kein KI-spezifisches Ärgernis. Ebenfalls ärgerlich: Es werden im Chat Produkte angeboten, die eine Kundin oder ein Kunde früher schon genutzt, aber aus Gründen gekündigt hat – einfach, weil der Bot nicht auf diese Informationen zugreifen konnte. 

Ein Chatbot, der strategische Fehler wie falsche Provisionsmodelle übernimmt, wird ebenfalls keine großen Verbesserungen herbeiführen. Wenn Callcenter-Agenten am Telefon mehr Geld für den Abschluss von Neuverträgen bekommen als für einen Vertragswechsel, wird ein Bot ebenso wenig im Sinne der Kunden handeln. Die Technologie hat es ja von den früheren Kundenkontaktdaten exakt so gelernt. 

Customer Journey Mining: Kundenprozesse gläsern machen

Unternehmen, die GenAI im Kundenservice oder im Vertrieb einführen wollen, sollten somit vorher immer erst ihre dortigen Prozesse genau unter die Lupe nehmen. Der initiale Schritt lautet: Transparenz schaffen. Es gilt, herauszufinden, wo unnötig komplexe und falsche Prozesse existieren oder wo schlicht das Chaos herrscht. 

Ein Ansatz, der dabei hilft, heißt Customer Journey Mining, abgeleitet aus Process Mining. Mithilfe von Methoden und Tools aus der Process-Mining-Welt können Unternehmen die verschiedenen Lebenszyklen der Kunden, also sämtliche Interaktionen mit ihnen, auf Ineffizienzen und Serviceschwachstellen hin abklopfen. Analysiert werden die bisherige Kundenkommunikation und alle relevanten Unternehmensprozesse, die ein Chat oder eine andere Kommunikationsart auslöst.  

Prozessmanager hinterfragen dabei kritisch die Qualität der Abläufe auf Basis von Datenspuren: Werden Anliegen wirklich gelöst? Müssen Kunden nach einem Chat mit einem Bot doch noch häufig zum Telefon greifen und von vorn anfangen? Hat der KI-Einsatz bestimmte Fehlerbilder gar verschlimmert? 

Im besten Fall sollte jeder Prozess, der einer KI beigebracht wird, schon vorher gründlich mithilfe von Process Mining durchleuchtet und verbessert worden sein. Die zentrale Fragestellung lautet: Ist der Prozess schlank, zielführend und für den Kunden verständlich oder erfordert er manuelles Eingreifen, läuft in Schleifen und gerät ins Stocken?  

GenAI mit Lernschwächen braucht Prozessnachhilfe

Wenn KI-gesteuerte Sprachmodelle auch ohne vorherige Prozessanpassung bereits beraten – und gegebenenfalls von suboptimalen Prozessen gelernt – haben, ist es trotzdem nicht zu spät für Customer Journey Mining. Prozessverbesserungen und Nachschulungen lassen sich im laufenden Bot-Betrieb erreichen. Je schneller eingegriffen wird, desto weniger Kunden werden vom falsch trainierten Chatbot vergrault.  

Mithilfe von Customer Journey Mining können Unternehmen die inneren Abläufe von Chatbots untersuchen und Licht in die Blackbox KI bringen – zumindest ein Stück weit. Der Ansatz macht beispielsweise Auswirkungen des Handelns von KI-Chatbots auf den Kundenlebenszyklus sichtbar: Wird dem Kunden etwa eine Kündigung mit einem rabattierten Neuvertrag empfohlen statt eines Vertragswechsels, weil sich das für den Vertriebsmitarbeiter lohnt und der Chatbot das gelernt hat? 

Die Auswertung der Datenspuren übernehmen überwiegend Prozessmanagerinnen und -manager. Derzeit wird jedoch erprobt, einen Schritt weiterzugehen und der KI von einer KI auf die Finger sehen zu lassen. Generative KI kann in den Freitext des Chatbots hineinschauen und herausfiltern, an welchen Stellen der digitale Helfer einen schlechten Job macht und den Kunden nicht helfen kann. Damit entsteht quasi eine Übersetzung zwischen Chatbot-Interaktionen und den Eventlogs von Kundenprozessen. Dabei markiert die beobachtende KI im Chatlog die Stellen, an denen die ausführende KI, also der Chatbot, bestimmte Meilensteine erreicht hat, etwa eine Diagnose des Anliegens oder das Vorschlagen einer bestimmten Lösung. 

Klemmen eure Chatbot-Prozesse?

Wer mehr über Customer Journey Mining und die konkreten Möglichkeiten sowie das Herangehen wissen möchte: Wir haben den Ansatz praktisch erprobt und konnten bereits einigen Sand aus dem Prozessgetriebe entfernen.  

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