Digitale Exzellenz
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IoT-Projekte managen – kein Job für die leichte Schulter

, 18. November 2020

Lesezeit: 4 Minuten

IoT-Projekte managen – kein Job für die leichte Schulter

Die Vernetzung von Anlagen, Maschinen, Teilen und Infrastruktur zu einem Internet of Things (IoT) nimmt Formen an. IoT-Projekte sind dabei durchaus besonders im Vergleich zu anderen reinen Bau-, Organisations- oder IT-Projekten. Einige Erfahrungswerte aus der IoT-Beratungspraxis wollen wir teilen, damit sich Unternehmen mit IoT-Ambitionen darauf einstellen können.

IoT-Projekte sind eine komplexe Angelegenheit. Gut, das gilt für die meisten Großprojekte, allerdings nicht in dieser extremen Form. IoT-Projekte sind besonders. Risiken, dass Projekte, teurer ausfallen, länger dauern oder sogar scheitern, lauern an vielen Stellen. Bei größeren Vorhaben, die wir beispielsweise für eine europäische Bahngesellschaft, für Automobilhersteller oder Flugzeugzulieferer begleitet haben, zeigten sich Muster und Eigenheiten, die das ganze Vorhaben noch komplexer machen, sich aber managen lassen.

Bei IoT trifft analog auf digital

Die Besonderheit steckt bereits im Begriff IoT: Internet und Things. Hier werden drei Welten miteinander verschmolzen: zwei digitale (Information Technology & Operation Technology) und eine analoge Welt. Unternehmen befinden sich somit gleichzeitig in einem Industrie- und einem IT-Projekt.

Das bedeutet:

  1. Es sitzen in der Regel deutlich mehr Parteien am Tisch, die bei Projekten mitreden wollen. Das verkompliziert beispielsweise Budgetkalkulationen, Absprachen über Timings und die Verteilung von Rollen. Bei Kalkulationen besteht das Risiko, dass nur die IT-Systemkosten veranschlagt werden, nicht die Kosten des gesamten IoT-Systems, inklusive der Operation.
  2. Bei IoT-Projekten kommen Menschen aus demselben Unternehmen zusammen, die sonst aber häufig wenig Berührungspunkte haben und anders denken. Eisenbahn-, Automobil- oder Flugzeugbauingenieure treffen auf Data Scientists, Netzwerkarchitekten, App-Entwickler, IT-Security-Profis und KI-Spezialisten. Jede Seite ist Experte auf ihrem Gebiet und reklamiert dies auch für sich. Das verstärkt das Konfliktrisiko. Zudem entsteht ein ganzer Zoo aus Gesprächsprotokollen.
  3. Und hinzu kommen häufig Start-ups sowie – je nach Projekt – Behörden, die ihrerseits eine eigene Kultur mit ins Projekt bringen. Start-ups wollen bereits einen ersten Prototyp fertigstellen, während der Auftraggeber noch die Kostendetails diskutieren möchte und die Behörde über die Sicherheit.
  4. Die Auswahl der Dienstleister ist nicht trivial. Es kam durchaus vor, dass Unternehmen Probleme mit einer IoT-Anlage bekommen, weil die Batterien für die Sensoren nicht mehr gebaut werden.
  5. IoT ist meistens Neuland für die Entscheider, und dazu kommt: Die Projekte sind oft Prestigevorhaben und unternehmenspolitisch aufgeladen. Einmal beschlossen, werden Projekte auch gerne komplett durchgezogen, auch wenn es betriebswirtschaftlich sinnvoll wäre, ein Teilprojekt zu stoppen. Zudem werden IoT-Lösungen umgesetzt, aber die Folgeprojekte nicht mitgedacht, beispielsweise die Wartung.
  6. Und dann sind da noch die technischen Eigenheiten: Unterschiedliche Plattformen, Technologien, Bauteile, Werkstoffe und Standards müssen kompatibel sein. Das Besondere an der digitalen Welt ist zudem, dass sie sich so schnell verändert. Veränderungen bei Sensortechnik oder bei WiFi-Frequenzen müssen antizipiert und einkalkuliert werden.

Learning: IoT-Projekte industrialisieren

Diesen Komplexitätsapparat bekommen Unternehmen in den Griff, wenn sie das Projekt selbst als Industrialisierungsprozess verstehen. Sie sollten schnell Erfahrungen aus kleineren IoT-Vorhaben sammeln, auswerten und in einen industriellen Ansatz überführen. Ziel sollte eine skalierbare und wiederverwendbare Lösung zur Versorgung zukünftiger Projekte sein. In dieser IoT Factory greifen die Puzzleteile Strategie, Technologie, Methoden und Prozesse sowie das People Management ineinander.

Strategie des Machbaren: Unternehmen sollten eine Organisation aufbauen, die die IoT-Bereitstellungsstrategie unterstützt, mit einer überschaubaren Zahl von Experten mit einer pragmatischen Vision, die direkt unternehmensweit anwendbar ist.

Zentrale Technologie-Plattform: Unternehmen sollten den Projektbeteiligten eine gemeinsame technologische Basis an die Hand geben, um den Bedürfnissen der Projekte gerecht zu werden. Plattformen mit einem überschaubaren Werkzeugkasten wirken wie digitale runde Tische sowie als Übersetzer zwischen unterschiedlichen Denkweisen, und sie helfen mit, dass Projekte finanziell und organisatorisch nicht ausfransen.

IoT-Gruppengefühl und Dynamik erzeugen: Die Sichtweisen und Interessen sowie die Silo-Expertise der einzelnen Gruppen in diesem speziellen Ökosystem auf Linie zu bringen, ist eine der zentralen Herausforderungen. Projektmanager sind damit um eine Rolle reicher: um die des Diversity Managers. Das bedeutet, sie müssen jedes Profil bei Laune halten, informieren und dazu bringen, zu interagieren. Kommunikation, Schulung und Zusammenarbeit sind noch wichtiger als bei anderen Projekten. Es kommt darauf an, Formate und Regelwerke zu entwickeln, bei denen alle Parteien am Ende eine gemeinsame Idee haben und umsetzen.

Projekte schnell wachsen lassen: Wichtig ist, sich eine Methodik aufzubauen und schnell Folgeprojekte auf die Strecke zu bringen. Es bringt nichts, die Organisation nach dem ersten IoT-Erfolg in Ruhe zu lassen. Ziel sollte eine Organisation von motivierten Menschen sein, die sich der Umwandlung von Ideen in industrialisierte Produkte entlang von Methoden und Best Practices verschrieben haben.


Bild: Getty Images / Busakorn Pongparnit