Digitale Exzellenz
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Digitale Veredelung: Commodity-Produkten zur Coolness verhelfen

, 27. Januar 2020

Lesezeit: 4 Minuten

Digitale Veredelung: Commodity-Produkten zur Coolness verhelfen

Eines der Versprechen moderner Technologien ist die Fortsetzung auserzählter Produktstorys mit digitalen Mitteln. Automobilzulieferer Bosch zeigt, wie diese digitale Veredelung funktioniert. Doch es gibt es noch mehr Beispiele, wie Digitalisierung dazu beiträgt, Produktgeschichten ein neues Kapitel hinzuzufügen.

Digitaler Fortschritt bringt nicht nur völlig neue Produkte und Dienstleistungen auf der Basis von Daten und modernen Technologien hervor, beispielsweise die vorausschauende Wartung von Maschinen und Anlagen („Predictive Maintenance“), die Prozessautomatisierung über Robotic Process Automation (RPA) und die Verbesserung der Compliance mithilfe künstlicher Intelligenz (KI). Digitalisierung sorgt darüber hinaus für die Veredelung bereits existierender Produkte. Ein plakatives Beispiel ist ein Zubehörteil für uns Autofahrer, das sich für eine digitale Veredlung nicht gerade aufdrängt.

90 Jahre unverändert…

Die Sonnenblende gehört wohl zu den eher unterschätzten Accessoires im Auto. Um wirklich Aufmerksamkeit zu erlangen, ist sie schlicht zu unauffällig und verrichtet ihren Job meistens klaglos. Das war nicht immer so: Die ersten Automobile mussten noch – auch mangels Windschutzscheibe und Bügel – gänzlich ohne sie auskommen. Beim ersten am Fließband gefertigten Auto, dem Ford T, ist eine nach außen klappbare Scheibe zu erkennen, nicht aber eine Sonnenblende. Erst bei einem seiner jüngeren Geschwister, dem zwischen 1928 und 1931 gefertigten Modell A, ist die Sonnenblende deutlich zu sehen, so dass wir als an dieser Stelle von einem Alter jenseits der 90 ausgehen können. Lange Zeit durfte die Sonnenblende als auserfunden gelten: Links klapp- und drehbar, rechts zusätzlich mit einem Schminkspiegel versehen – funktional und einfach.

…jetzt digital veredelt

Nun hat Bosch dessen ungeachtet diese Technologie revolutioniert oder – wer es eine Nummer kleiner mag: digital veredelt. Paradoxerweise heißt das: Sie haben die Sonnenblende transparent gemacht, was auf den ersten Blick für den vorrangigen Zweck dieses Produkts total kontraproduktiv erscheint.

Die auf der Elektronikmesse CES Anfang des Jahres vorgestellte „intelligente Sonnenblende“ arbeitet mit einer Kamera, die das Gesicht des Fahrers während der Fahrt scannt und dabei erkennt, wohin er guckt. In der Sonnenblende wird dann nur der Teil verdunkelt, der dem Fahrer den nötigen Schatten spendet. Positiver Effekt: Die Sonnenblende schränkt nicht wie bisher den Sichtbereich der Fahrer deutlich ein, sondern schützt gezielt nur den Bereich, der ansonsten der Sonne schutzlos ausgeliefert wäre. Der Rest bleibt frei.

Bosch Virtuelle Sonnenblende Digitale Veredelung
Bildquelle: Bosch.de

Keine Spielerei

Ein Blick auf Unfallstatistiken zeigt: Diese Veredelung ist keine Spielerei. Rund zwei Drittel aller witterungsbedingten Unfälle mit Personenschaden, rechnet der ADAC vor, sind die Folge von Blendungen – solche Unfälle passieren zehnmal häufiger als zum Beispiel Unfälle bei Nebel. Die digitale Sonnenblende hilft, die Anzahl dieser Unfälle deutlich zu reduzieren.

Raus aus der Commodity-Falle

Und die Veredelung von Produkten der physischen Welt treibt weitere Blüten. Ein abgegriffenes Beispiel ist der intelligente Kühlschrank. Mit dem Internetanschluss wollen sich Hersteller weißer Ware dem Preiskampf entziehen. Das Alleinstellungsmerkmal sind neue Features wie die Steuerung per App und ein automatisierter Einkaufzettel.

Intelligente Essstäbchen sollen zudem in der Lage sein, die Qualität des beim Kochen verwendeten Öls zu messen und den Nutzer, also den Esser, zu warnen, wenn es etwas daran auszusetzen gäbe.

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Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=F0M5uSoclYY

Bei dieser Idee handelte es ursprünglich um einen Aprilscherz der chinesischen Suchmaschine Baidu. Der Scherz löse allerdings ein derart enormes Interesse bei den Konsumenten hervor, dass die digitalen Essstäbchen tatsächlich auf den Markt gekommen sein sollen. Genau lässt sich das nicht mehr feststellen – und zu kaufen sind sie heute auch nicht (mehr).

Veredelung in der Strom-Versorgung?

Alle Beispiele stehen für die Veredelung von Produkten oder Zubehörteilen mithilfe neuer digitaler Technologien – zugegebenermaßen mit unterschiedlichem Erfolg und Ausgangslage. Kühlschränke wurden im Vergleich zur Sonnenblende immer wieder weiterentwickelt, beispielsweise beim Verbrauch oder beim Design. Das Ziel ist allerdings vergleichbar: Ihre Hersteller wollen dem Risiko entgegensteuern, dass das Produkt austauschbar und uninteressant wird und Preisabwärtsspiralen aufhalten. In dieser Commodity-Falle stecken beispielsweise Energieversorger seit Jahren. Die Smart-Meter-Technologie könnte zur Veredelung beitragen. Wir sind gespannt, was unsere Kolleginnen und Kollegen von Sopra Steria Next an Erkenntnissen von der e-World 2020 im Februar mitbringen.

Bild: Bosch.de, Getty Images / Westend61