Digitale Exzellenz
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Scrum einführen, jetzt auch als Brettspiel – wer verliert, gewinnt

, 27. September 2023

Fotocredit: Getty Images / michael1959

Lesezeit: 5 Minuten

Scrum einführen, jetzt auch als Brettspiel – wer verliert, gewinnt

Agile Frameworks wie Scrum und Kanban können gute Dienste leisten. In der Praxis tun sie das aber häufig nicht, weil Erwartungen enttäuscht werden. Das Gute ist: Unternehmen und öffentliche Verwaltungen können ihre agile Transformationsreise simulieren. Das Agile Fluency Game hilft, die Ursachen für Probleme zu verstehen, den Status quo einer aktuellen Umstellung auf agil zu spiegeln und bessere Ergebnisse zu erzielen. Hier eine grobe Spielanleitung.

Warum es das Spiel gibt: Unternehmen und Verwaltungen sollten aufhören, darüber zu diskutieren, was agil ist oder wie agil man schon arbeitet. Sie sollten aus guten Beispielen lernen und sich bewusst machen, was investiert werden muss. Dann sind Unternehmen und Behörden weniger ernüchtert, weil sich die gewünschten Ergebnisse des agilen Arbeitens wie schnellere Time to Market, Steigerung der Innovationskraft und Effizienz nicht einstellen.

Das Agile Fluency Game ist darauf ausgelegt, besser zu verstehen, welche Mechanismen bei der Umstellung auf Scrum, Kanban oder anderer agiler Methoden greifen, warum gewünschte Effekte ausbleiben und ungewünschte eintreten. Das Ganze soll spielerisch abseits des Tagesgeschäfts mit verteilten Rollen simuliert werden, weil sich so am besten lernen lässt.

Die vier Transformationsstufen einer agilen Unternehmenskultur

Das Spiel basiert auf dem Agile Fluency Model, entwickelt vom Agile Fluency Project. Das Modell beschreibt vier Zonen, die nicht als Reifeprozess zu verstehen sind und die auch nicht jede Organisation zwangsläufig durchläuft.

In der Fokus-Zone wird beispielsweise deutlich, wie wichtig Teamentwicklung und Transparenz sind. Man hat früh die Möglichkeit, umzusteuern und erhält erstmals bessere Einblicke in die Arbeit des Teams. In der Delivering-Zone liegen die Vorteile in hoher Produktivität, und es werden viele neue technische Kompetenzen erlernt. In der Optimizing-Zone versteht das Team, was der Markt will und was das Unternehmen braucht. Hier muss in das Fachwissen für das Team investiert werden. Die weitaus unterforschte Strengthening-Zone stellt die Zukunft der Agilität dar. Hier geht es darum, zu experimentieren und Mehrwerte über Teamgrenzen hinaus zur erzeugen.

Agile Fluency Game – die Spielanleitung

Soweit die Theorie, nun zum Spiel: Die Simulation ist als Brettspiel konzipiert, bei dem authentisch agile Softwareentwicklungsprojekte durchgespielt werden.

Ziel des Spiels:
Für die Teilnehmenden geht es wie in einer guten Wirtschaftssimulation und in der Realität darum, Geld zu verdienen, also Gewinn zu erzielen. Zudem sollen sie lernen, welche agilen Praktiken wie voneinander abhängen und welche das Team pushen. Das ist die große Herausforderung. Frühes Scheitern im Spiel ist nicht verkehrt, denn aus Fehlern lernt es sich bekanntlich am besten.

Teilnehmende:
Das Spiel eignet sich für Unternehmen und öffentliche Verwaltungen, die konkrete Software-Projekte vorhaben, agile Frameworks wie Scrum, Kanban oder nichttechnisches Extreme Programming einführen wollen oder schon dabei sind. Drei bis vier Spielerinnen und Spieler übernehmen dabei die Rollen Programmer, Tester, Manager und Caller. Spoiler: Geübte Rollenspieler sind im Vorteil.

Spieldauer:
Gespielt wird in zehn Runden (zirka 90 Minuten reine Spielzeit plus Einführung und Reflektion), die sich in vier Phasen unterteilen. Die Spieldauer entspricht einer agilen Transformation von zirka 2,5 Jahren.

Grober Spielablauf:
Es gibt zwei Kartentypen: Agile Praktiken und Features. In jeder Runde muss mindestens ein Feature fertig werden. Zu Beginn macht sich das Team mit den Spielkarten vertraut und überlegt, welche agile Praktiken die meisten Vorteile bringen und welche Abhängigkeiten bestehen. Da in jeder Runde mindestens ein Feature entwickelt werden muss, besteht immer eine begrenzte Kapazität. Nach jeder Runde wird abgerechnet und neu ausgeteilt, um von den erworbenen neuen Kenntnissen und Vorteilen zu profitieren. Wer hier nicht die richtigen Praktiken gewählt oder die falschen Entscheidungen getroffen hat, kann schnell Probleme bekommen. Hier ist das Zusammenspiel zwischen Entwicklern, Testern und Managern gefragt.

Erkenntnisse aus der agilen (Spiel-)Praxis

Ich bin seit Mai ein offizieller „Agile Fluency Game Facilitator“ – also eine lizenzierte Spielleiterin. Ich führe die Simulation regelmäßig auf Veranstaltungen oder in Unternehmen mit Teilnehmenden durch – zuletzt auf der Product People in Köln. Aus den Erfahrungen und einigen Debriefings selbst durchgeführter Spiele kann ich diese Hints mitgeben:

  • Gute Planung ist wichtig, aber vertraue dabei auch auf die Mitspielerinnen und Mitspieler.
  • Achte am Anfang besonders auf die Maintenance-Kosten.
  • Gerade am Anfang ist viel zu tun, danach läuft’s.
  • Eine neue agile Praktik kann begonnen werden, muss aber nicht sofort fertig werden.
  • Bleib in deiner gewählten Rolle. Das hilft dem gesamten Team, aber schaue auch über den Tellerrand hinaus.

Interesse, selbst zu spielen? Zum Beispiel auf der „Agile Lean Hamburg 2023“

Wer das Agile Fluency Game selbst spielen möchte, kann Workshops bei den Machern des Spiels (entwickelt von James Shore und Arlo Belshee, designed von Eric Wahlquist) buchen oder als Srum Master/Coach auch eine eigene Kopie erwerben. Dafür muss man allerdings Agile Fluency Game Facilitator sein und entsprechende Trainings vorweisen.

Wer Interesse hat: Am 17. November werde ich auf der Agile Lean Hamburg bei einer Session das nächste Agile Fluency Game anbieten. Sopra Steria und it-economics engagieren sich als Sponsoren der Veranstaltung für den Austausch der Agile Community. Wer auch dort ist und mehr wissen möchte: Sprecht mich gerne mit einer persönlichen Nachricht über LinkedIn an.