Die Komplexität des Privatkundengeschäfts mit seinen vielen digitalen und analogen Kontaktkanälen verhindert heute bei vielen Banken einen Dialog, der die Verbraucher wirklich zufriedenstellt. In einem hart umkämpften Markt ruhen die Hoffnungen vieler Entscheidungsträger auf generativer Künstlicher Intelligenz (GenAI). Mithilfe dieser Technologie wollen die Institute ihren Kunden ein digitales und trotzdem personalisiertes Erlebnis bieten. Gleichzeitig soll sie dabei helfen, effizienter zu arbeiten. Hier einige Ansätze, wie das gelingen kann.
Multikanal-Banking, die Vielzahl regulatorischer Anforderungen und die zahlreichen Beyond-Banking-Aktivitäten machen das Privatkundengeschäft mittlerweile äußerst komplex. Die Prozessverantwortlichen haben Mühe, eine Customer Journey zu beschreiben, Beratungsangebote halten der ersten gezielten Kundenfrage nicht stand, und die Manager leiden darunter, dass sie die vielschichtigen Produkte eines Unternehmens nicht vollständig erfassen können. Kurzum: Die Banker haben ein Komplexitätsmonster mit vielen Systembrüchen und fehlende Transparenz über den Kunden geschaffen. Das System funktioniert, aber nur auf dem Rücken der Mitarbeitenden und der Kunden, wodurch das Ergebnis und letztlich die Erträge leiden.
Mit dem Aufkommen von GenAI wittern viele Institute nun Morgenluft. Der Technologiesprung weckt Ideen bei den Banken, wie sie den Service endlich wirksam automatisieren und eine personalisierte Beratung für die vielen „normalen“ Retail-Kunden ermöglichen können. Denn mit den Sprachmodellen (LLM) lassen sich eine kundenorientierte Beratung und der Vertrieb skalieren.
GenAI: Banken suchen Anwendungsfelder
In der Branche herrscht eine gewisse Euphorie. Institute wie Morgan Stanley in den USA, Natwest in Großbritannien und hierzulande die Deutsche Bank haben erste Pilotprojekte gestartet. Finanzdienstleister werden im Jahr 2028 zu den Top-Anwendern von generativer KI gehören. Zu dem Ergebnis kommt eine Marktanalyse von Sopra Steria Next.
Der GenAI-Einsatz bietet Banken die Möglichkeit, die Self-Service-Rate mit Hilfe von neu entwickelten, virtuellen Assistenten deutlich zu verbessern. Darüber hinaus trägt die Technologie dazu bei, die Effizienz der Mitarbeitenden bei der Bearbeitung von Kundenanfragen und der aktiven Verkaufsförderung zu steigern.
Ein konkretes Anwendungsgebiet ist die Vermögensverwaltung. Hier müssen Banken nicht bei null anfangen. Sie können auf den bislang gesammelten Robo-Advisory-Erfahrungen aufsetzen. Es muss nicht gleich die Vollautomatisierung sein. GenAI kann unterstützen, Marktreports, Bilanzen und Geschäftsberichte in deutlich größerem Umfang zu sichten und Trends abzuleiten. Fondsmanager hätten damit die Chance, bessere Renditeergebnisse für ihre Anleger zu erzielen.
Die Technologie hilft zudem Vermögensberatern in der Bank dabei, die Portfolios ihrer Kunden zu optimieren und die Risiken zu minimieren. Berater erhalten beispielsweise eine Warnung, wenn eine Anleihe herabgestuft wird, und die KI sucht nach einen Produktvorschlag aus vergleichbaren Portfolios. Mit Hilfe von GenAI können diese Empfehlungen personalisiert aufbereitet und mit einer für den Kunden passenden Ansprache über die verschiedenen Kanäle adressiert werden. Retail-Kunden erhalten somit Zugang zu Beratungsleistungen, die sonst nur Private-Banking- oder Wealth-Management-Kunden gewohnt sind.
Chatbots werden zu einer wichtigen Einnahmequelle
Große Hoffnungen setzen Banken in eine neue Generation von Chatbots. GenAI soll und kann dabei helfen, Daten in Kundenkenntnis zu verwandeln und diese wiederum in operative Beratung und operativen Vertrieb umzusetzen.
Virtuelle Assistenten simulieren dank GenAI menschliche Emotionen. In Zukunft werden sie auf glückliche oder frustrierte Äußerungen von Kunden reagieren können. Zudem sind sie in der Lage, große Datenmengen in Echtzeit zu analysieren, um auch komplexe Probleme zu lösen. Im Dialog mit den Kunden unterstützen sie zum Beispiel bei Problemen mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen in natürlicher Sprache, ohne dass ein Bankberater eingreifen muss.
Auch die Kunden werden sich freuen: Lange Wartezeiten bleiben ihnen erspart, die Zahl fallabschließender Gespräche mit Chatbots wird steigen. Gelungene Interaktionen führen wiederum zu einer höheren Self-Service-Rate der Banken, weil die Kunden merken, dass Chatbots ihnen wirklich helfen. Diese zunehmende Autonomie ist der Schlüssel zu mehr Effizienz.
GenAI als Verkaufsassistent
In einer der nächsten Ausbaustufen werden Banken Chatbots auch Verkaufskompetenzen übertragen. Das heißt, sie werden in der Lage sein, aus Servicesituationen heraus Up-Selling oder Cross-Selling-Chancen zu erkennen und diese auch lancieren können.
Bis es so weit ist, wird GenAI für die Berater Kundengespräche vorbereiten, indem sie nackten Zahlen und kalten Daten mehr Tiefe verleihen. Berater werden in deutlich kürzerer Zeit personalisierte Verkaufsgespräche mit einer größeren Zahl von Kunden führen können, weil der Aufwand für die Vorbereitung und das Zusammenschreiben einer Analagestrategie entfällt.
Ein wahrer Vertriebsdatenschatz, den Banken schon heute heben können, sind die vielen Transaktionen, die Retail-Kunden auslösen und die Banken in Kontoauszügen erfassen. Mithilfe von GenAI können daraus intelligente und sprechende Kontoauszüge entstehen. Zusätzlich können Hinweise für Berater oder Empfehlungen für Kunden passgenau erstellt werden.
Vorsicht: IT-Wildwuchs
Während einige Banken Künstliche Intelligenz bereits im Backoffice zur Risikobewertung nutzen und zur Erkennung von betrügerischen Aktivitäten und Geldwäsche einsetzen, sind einige der oben genannten Beispiele im Privatkundengeschäft erst am Anfang. Jetzt blind auf den GenAI-Zug aufzuspringen, wäre unklug. Es braucht immer die Einbettung in eine Gesamtstrategie, sonst droht ein IT-Wildwuchs, der jegliche Effizienzgewinne wieder verpuffen lässt. Es gilt somit, sich neben den möglichen Use Cases parallel mit einer auf GenAI abgestimmten Daten- und IT-Strategie auseinanderzusetzen.