Digitale Exzellenz
Digitale Exzellenz

Automobilbranche: Daten statt Öl

, 13. Februar 2017

Lesezeit: 4 Minuten

Automobilbranche: Daten statt Öl

Das Digitale rückt für die Automobilbranche immer mehr in den Fokus der Wertschöpfung. Der Schwenk zum Elektroauto setzt eine Zeitenwende in Gang. Platinen und Software verdrängen Metall und Schmierstoffe. Mit massiven Veränderungen für die Zulieferer. Denn nicht jedes Geschäftsmodell wird in der digital vernetzten Online-E-Auto-Welt noch Platz haben oder sich daran anpassen lassen. Ein strategischer Neustart ist für viele Mittelständler unausweichlich.

Ein Beschleuniger des Prozesses ist der politisch beschlossene Siegeszug des Elektroautos – auch wenn die Absatzzahlen bislang noch eine andere Sprache sprechen: Alle großen Hersteller sind mittlerweile auf den Elektrifizierungskurs eingeschwenkt und verkünden ihre E-Auto-Strategien.

Die Folge wird sein, dass die gesamte Antriebstechnik neu gedacht wird, mit immensen Auswirkungen auf die Zulieferindustrie der Automobilbranche: Das Elektroauto hat kaum drehende und kaum zu schmierende mechanische Teile, es braucht weniger Messdaten aus der Mechanik, weniger Wartungsbedarf, weniger Ersatzteile, fast keine Wartungsintervalle, und es kommt mit einem reduzierten Servicenetz aus. Für die Ölkonzerne kommt es ähnlich knüppeldick: kein Schmieröl, kein Benzin, kein Diesel, kein Gas, weniger Beteiligungen an den Autoherstellern. Sie verlieren schlicht die Berührungspunkte.

Connected Car statt Kolben und Karosserie

Der Mehrheit der Automobilzulieferer dämmert inzwischen, dass sie zukünftig von der Elektrostrategie der Hersteller betroffen sein werden und ihr Geschäft zurückgeht. Ein kompletter Technologiewandel steht bevor. Es herrscht Konsens in der Branche, dass die Ablösung des Verbrennungsmotors durch Elektromotoren Arbeitsplätze kosten wird. Allein im Antrieb sinkt die Anzahl der verbauten Teile um bis zu 90 Prozent – bei einer hochautomatisierten Produktion.

Es gilt, die Transformation zur Elektromobilität zu schaffen, was die digitale Transformation einschließt. Nicht jedes Geschäftsmodell lässt sich allerdings gleich gut digital umkrempeln. Wer jetzt nur Nockenwellen produziert, wird sich mehr oder weniger neu erfinden müssen. Ein Beispiel ist Elring Klinger. Der Dichtungshersteller für Zylinderköpfe denkt über eigene Elektroauto-Batterien nach. Wer dagegen derzeit Sensortechnik für Benziner und Diesel oder Elektronik entwickelt, ist ein Stück besser dran. Diese Unternehmen werden ihr bestehendes Know-how eher für einen Portfolio-umbau nutzen und sich beispielsweise ein Stückchen am Connected-Car-Kuchen oder künftigen Power Management sichern können.

4 Strategiewege für die Automobilzulieferer

Wohin die Reise für die einzelnen Zulieferer gehen wird, hängt von der aktuellen Rolle in der automobilen Wertschöpfungskette ab. Vier grobe Strategiepfade lassen sich ableiten:

Neuaufstellung: Praktisch alle traditionellen Teile-Fertiger für die Automobilindustrie werden über einen radikalen Neustart nicht herumkommen – beispielsweise durch Know-how-Zukauf. Das gilt vor allem für den Bereich Fahrzeugantrieb.

Portfolioumbau: Anbieter von Antriebselektronik werden dagegen ihre derzeitigen Produkte an die digitale und elektromobile Welt anpassen. Sie können ihr Know-how nutzen, um beispielsweise neue Fähigkeiten in der Softwareentwicklung aufzubauen. Auch Werkzeughersteller können ihr Angebot entsprechend den Bedürfnissen der Elektroautohersteller umstellen. Der Sprung ist nicht so groß im Teilemarkt.

Technologiewechsel: Tankstellennetzbetreiber werden auch künftig als Treibstofflieferant eine Rolle spielen – aus Zapfsäulen werden Ladestationen. Allerdings werden sie mehr Konkurrenz bekommen, beispielsweise durch Supermärkte mit viel Parkplatzfläche. Um dem zu begegnen, kann es für Tankstellennetze nützlich sein, sich mit ihrem Know-how-Vorsprung in puncto Installation und beim Betrieb von Ladestationen als Dienstleister für neue Anbieter zu positionieren. Damit werden aus möglichen Wettbewerbern potenzielle Kunden.

Umbau und Desinvestment: Servicebetriebe werden überlegen, wie sie mit den deutlich verschleißärmeren E-Autos noch Geschäft machen. Ein Weg ist, sich statt auf Fahrzeuge auf andere Maschinen zu fokussieren und sich schrittweise aus der Wertschöpfungskette Automotive zurückzuziehen. Auch die Automarken selbst, die OEMs, werden umbauen oder sich aus bestimmten Feldern verabschieden. Das Produktions-, Teile- und Servicenetzwerk wird nicht mehr aussehen wie heute, Produktionsstätten werden neu gebaut, Logistik neu organisiert. Bestimmter Kompetenzen werden sich die Autobauer komplett entledigen.

Mittelstand ist Hochrisiko-Bereich

Die Konvergenz – sprich das Zusammenwachsen von Digitalisierung und Elektrifizierung stellt damit die gesamte Automobilbranche auf den Kopf. Zuliefererkonzerne wie Bosch, Continental oder ZF Friedrichshafen haben auf die Veränderungen reagiert und sind relevante digitale Player. Vielen mittelständischen Zulieferern droht dagegen das Aus, wie eine Studie des Instituts für Automobilforschung zeigt, wenn sie weiter statt auf eine strategische Neuausrichtung auf kleine Optimierungen setzen.

Foto: Getty Images / gerenme