Wenn Roboter für Banken die Wertpapierberatung übernehmen, sollten sie doch eigentlich auch für Versicherer arbeiten können. Denkste! Das Metier ist deutlich komplexer, der Lernstoff für einen Robo Advisor dank IDD-Vermittlerrichtlinie und Bedingungsdschungel um einiges anspruchsvoller. Könnten die Maschinen ihren Arbeitgeber wählen, würden viele vermutlich aus reiner Bequemlichkeit Broker statt Vermittler werden.
Was in der Theorie einfach klingt, ist in der Realität mit enormem Aufwand verbunden. Die Beratung klassischer Schadenversicherungsprodukte wie eine Hausrat-, Haftpflicht- und Gebäudeversicherung ist anspruchsvoller als wenn in der Geldanlage Anlagepräferenzen erfragt und daraus ein passendes Depot zusammengebaut wird. Zum besseren Verständnis: Gemeint ist nicht die Beratung für den Abschluss einer Standardspolice, sondern die ausführliche Analyse sämtlicher aktueller Policen, inklusive einer qualifizierten Beratung, ob Deckungslücken oder Doppelversicherungen vorliegen. So, wie man es vom Vermittler seines Vertrauens gewohnt ist. Kopfzerbrechen bereiten einem künstlich-intelligenten Helfer hierbei in Sachversicherungsfragen vor allem die sich von Anbieter zu Anbieter stark unterscheidenden Versicherungsbedingungen.
Im Dickicht des Versicherungsdschungels
Die Versicherer entwickeln seit der Deregulierung eigene Bedingungswerke, die nicht mehr den Verbandsempfehlungen entsprechen. Eine regelkonforme Beratung ist daher ohne Tiefenwissen der individuellen Bedingungen nicht mehr darstellbar. Die Bedingungstexte zum Umfang der Entschädigung oder das Verhalten des Versicherungsnehmers im Schadenfall müssten jedoch in strukturierter Datenform vorliegen. Nur dann wäre ein Robo Advisor in der Lage, diese automatisch zu vertretbaren Kosten zu interpretieren.
Das bedeutet nicht, dass eine automatische Analyse durch Regelerkennung generell unmöglich ist. Trotz des Bedingungsdschungels besitzen Versicherungsbedingungen eine Art „Grundstruktur“. Das Anlernen und das Studium der Bedingungswerke in natürlicher Sprache sind nur um einiges schwieriger. Dafür müssen die KI-Lösungen noch schlauer werden, und die Vorarbeiten für den Menschen sind größer.
Schulterblick beim Menschen
Um auch die Semantik natürlicher Sprache für den Robo Advisor greifbar zu machen, sind unbekannte Tarifbedingungen zunächst durch einen menschlichen Berater im System zu erfassen. Dieser manuelle Analyseprozess könnte anschließend dem Roboterkollegen zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich ist auch eine Analyse der Versicherungspolicen wichtig, also ein Erkennen der Tarifbezeichnungen, Ein- und Ausschlüsse von Risiken, abweichend von den zugrundeliegenden Bedingungswerken.
Eine weitere Branchenbesonderheit ergibt sich aus pauschalen Updates für veraltete Bedingungsgenerationen. Die Marktkenntnis über solche Entwicklungen muss dem Robo Advisor ebenfalls mitgeteilt werden. Die Kombination aus menschlicher Interpretation der Bedingungswerke und einer zusätzlichen Datenbank ist bei der Vielfalt an Variationen und Informationen Voraussetzung für eine erfolgreiche automatisierte Beratung.
Lieber Cobot statt Robot
Die Beispiele zeigen, dass sich Robo Advice für Versicherer im Vergleich zum Wertpapierhandel deutlich schwieriger umsetzen lässt. Die Makler und Vermittler kennen ihre Kunden und das Kleingedruckte in- und auswendig und haben über Jahre Vertrauen und Expertise aufgebaut.
Anstatt den Beratungsprozess ganz dem Roboterkollegen zu überlassen, sollten die Vermittler deshalb selbst neue Tools an die Hand bekommen, um die eigene Effizienz zu steigern. Teile der Beratung, die viele manuelle Arbeiten verursachen, sollten zum Beispiel durch Softwareroboter erledigt werden. In Kombination mit der persönlichen Beratung ergibt sich daraus eine hocheffiziente Vertriebsmethodik, die dem hohen Qualitätsanspruch an die Versicherungsberatung gerecht wird.
Eine ausführliche Fassung dieses Blog Posts ist im IT-Finanzmagazin erschienen. Dort lassen sich weitere technische Knackpunkte von Robo Advisory in IT-Landschaften von Versicherungen nachlesen.
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